Die Lage der Milchbauern in der Schweiz ist weiterhin kritisch. Obwohl der Milchpreis leicht gestiegen ist, können die Milchproduzenten noch lange nicht zufrieden sein. Denn: Mit einem Durchschnittspreis von 50 bis 60 Rappen für Industriemilch kann man nicht kostendeckend produzieren. Viele Bauern kehren deshalb der Milchproduktion den Rücken zu.

Starker Strukturwandel

Einer, der auch nicht mit dem Schweizer Milchmarkt zufrieden ist, heisst Peter Leiser aus Bargen BE. Er ist einer von 19 121 Milchproduzenten, die es in der Schweiz noch gibt. Mit seiner Frau Susanne führt er einen Milchwirtschaftsbetrieb mit 45 Kühen im Berner Seeland, gemeinsam haben sie drei erwachsene Kinder. Der starke Strukturwandel zeigt sich auch in ihrem Dorf. Vor acht Jahren waren sie in Bargen noch zwölf Milchlieferanten, heute sind es noch deren drei. «Auch wir haben uns nach langem Hin und Her 2014 eigentlich entschieden, die Milchproduktion aufzugeben», sagt der Betriebsleiter. «Als aber der Händler die ersten fünf Kühe abholte und den Deckel des Anhängers schloss, ging ein unglaubliches Schaudern durch meinen Körper», erzählt Leiser sein damaliges Erlebnis. «Ich habe sofort angefangen zu weinen und war psychisch am Ende. Da wusste ich: Nein, du kannst deine Kühe nicht verkaufen, du bist Milchbauer und das wirst du wohl bleiben.» Im Oktober 2016 ergab sich dann für die Familie Leiser die Möglichkeit, im Dorf einen Laufstall zu mieten. So konnten sie mit ihren Kühen den alten Anbindestall und die beengten Verhältnisse verlassen. «So macht die Arbeit mit den Kühen mehr Spass», sagt der Landwirt.

Ein Preissturz

Für Peter Leiser spielt der Milchmarkt aber schon lange nicht mehr richtig: «Dieser hat schon fast mafiöse Züge angenommen», so der Landwirt. «1996 übernahm ich den Betrieb von meinen Eltern; ich hatte 16 Kühe und einen Milchpreis von 97 Rappen. 25 Jahre später halte ich 45 Kühe, damit ich am Ende des Monats auf den gleichen Verdienst komme wie 1996», hält er fest. Seit November 2019 sei zu wenig Milch auf dem Markt und der Milchpreis wurde in diesen neun Monaten nicht entsprechend angehoben. «Nein, das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) bewilligt sogar noch, dass insgesamt 2800 Tonnen Butter importiert werden», ärgert sich der Landwirt. «Wäre zu viel Milch auf dem Markt, hätten wir sicher schon nächste Woche eine Milchpreissenkung im Briefkasten», hält er fest. An einen «fairen» Milchmarkt glaubt der Landwirt deshalb schon lange nicht mehr. «Schaue ich mir nur schon die sogenannten Produzentenvertreter bei der Branchenorganisation Milch (BOM) an, sind dort nicht nur Produzentenorganisationen, sondern mehrheitlich Milchkäufer aufgeführt. «Diese Vertreter sind sicher nicht auf der Seite der Bauern und wenig interessiert an einem hohen Milchpreis», hält er fest. So etwas könne nur in der Landwirtschaft vorkommen und überhaupt: «Für was haben wir eigentlich die BOM?», fragt sich Leiser. Für ihn seien sowieso zu viele Selbstläufer in dieser Branchenorganisation mit dabei, welche nicht von der Milchproduktion leben müssten. «Hier wünsche ich mir ganz klar eine Änderung zugunsten der Milchbauern», sagt er.

Hart ins Gericht

Auch mit dem BLW geht Peter Leiser hart ins Gericht: «Wenn ich in der ‹NZZ› ein Interview vom BLW-Direktor Christian Hofer lese, der darin fordert, dass die heimische Landwirtschaft mit ihrer Produktion herunterfahren solle, damit man in Krisenjahren auf ‹geruhte Böden zurückgreifen› könne, stehen mir die Haare zu Berge», sagt Leiser mit deutlicher Stimme. Diese Aussage sei wohlverstanden am 18. Mai, während des Lockdowns, entstanden. «Wirklich, ich frage mich, ob dieses Bundesamt überhaupt noch zu einer produzierenden, einheimischen Landwirtschaft steht», so der Landwirt.

Während des Gesprächs weist Peter Leiser immer wieder auf verschiedene Artikel hin, die vor zehn Jahren in den landwirtschaftlichen Medien erschienen sind. «Hier steht es schwarz auf weiss», sagt er und zeigt mit dem Finger auf einen Titel. «Schon damals wollte das BLW unter der Führung von Bernard Lehmann den Markt ‹regulieren› und hat mit der Aufhebung der Milchkontingentierung 2008 bewusst den starken Preiszerfall und das einhergehende Produzentensterben herbeigeführt», sagt der Landwirt klar und deutlich. Peter Leiser ist nicht einer, der lange um den heissen Brei redet. Als er den erwähnten Artikel in der «NZZ» las, suchte er das persönliche Gespräch mit dem BLW-Direktor. «Ich habe da nicht nachgelassen. Nach langem Hin und Her konnte ich Christian Hofer endlich telefonisch erreichen. Unser Gespräch war konstruktiv, dauerte sicher über eine Stunde und ich habe ihm die Sorgen und Nöte der Landwirtschaft aufgezählt und erklärt, dass viele Entscheide, die das BLW fällt, uns das Leben schwermachen», sagt er. Ob seine Schelte beim BLW schlussendlich fruchtet, bezweifelt er. Denn Leiser ist überzeugt, dass vor allem die Milchverarbeiter auf dem Buckel der Bauern von den Entscheiden des BLW profitieren. Mit billiger B-Milch Käse zu fabrizieren und diesen dann mit Exportbeiträgen im Ausland zu verramschen, anstatt genügend einheimische Butter zu produzieren, sei nur ein Beispiel. Ein weiteres Beispiel zeige die Nachfolgeregelung beim Schoggigesetz. «Wir Milchbauern werden hier als Durchlauferhitzer missbraucht», stellt Peter Leiser fest. Einerseits bezahle ihnen der Bund die 4,5 Rp./kg als Ersatz und andererseits nähmen ihnen die Milchverarbeiter das gleich wieder weg. «Für uns ist es ganz klar ein Nullsummenspiel». Auch mit dem Wegfall der Raufutterverzehr-, zugunsten der Ökobeiträge könne er wenig anfangen. «Überall wird bei uns gekürzt und es heisst immer, wir sitzen alle im gleichen Boot. Aber es hat niemand gesagt, dass es eine Galeere ist und der Milchproduzent am Ruder, nicht aber am Steuerruder sitzt», sagt Leiser vorwurfsvoll.

Den einheimischen Markt schützen

Um das Boot wieder in die richtige Richtung zu führen, fordert Peter Leiser mehr Einsatz von den Schweizer Milchproduzenten (SMP) und vom Schweizerischen Bauernverband. Der Landwirt weiss nur zu gut, dass er den Milchmarkt nicht alleine verändern kann. Die Interessen seien halt vielfältig und verschieden. Da gebe es Bio-, die Berglandwirtschaft, die Käsereimilch- sowie die Industriemilchproduzenten. «Alle Anliegen unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach. Aber seien wir ehrlich: Alle Milch ist weiss, das merkt auch der Konsument, ob jetzt eine Milchpackung mit einem Label mehr oder weniger versehen ist», sagt der Landwirt klar und deutlich. Leiser könnte sich gut vorstellen, dass man mit Importzöllen den einheimischen Milchmarkt vermehrt schützen könnte. «Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg», ist der Milchproduzent überzeugt. Aber offenbar hätten weder die Politik noch das BLW diesbezüglich Interesse.

Mehr bezahlen

Ob die Konsumentinnen und Konsumenten bereit wären, mehr für die Milch zu bezahlen, kann Peter Leiser auch nicht sagen. «Alle wollen den Schweizer Lohn, aber die Nahrungsmittel zu EU- oder noch besser zu Weltmarktpreisen», hält er fest. Der Landesindex für Konsumentenpreise habe sich von 1925 bis 2018 mehr als versechsfacht; dies entspreche einer durchschnittlichen Teuerung von 1,98 % pro Jahr (Datenbasis: SNB,SECO). «Wäre auf meinem ausbezahlten Milchpreis von 1996 diese Teuerung jährlich hinzugerechnet worden, hätte ich Ende 2018 einen Milchpreis von 1,48 Franken erhalten», rechnet Leiser vor. «Bei diesem Preis bräuchten wir auch keine Direktzahlungen mehr. Denn sind die Direktzahlungen nicht eigentlich Subventionen für die Konsumenten, weil sie so nicht den eigentlichen Wert der Produkte bezahlen müssen?»

Peter Leiser vergleicht auch gerne die Preise von Red Bull und der Milch: «Milch ist ein hochwertiges Lebensmittel, im Red Bull ist vor allem Wasser, Zucker und Koffein», stellt er fest. Aber: Red Bull koste im Laden (Beispiel: Aldi 12. 12.2017), das Fünffache gegenüber Milch. «Da frage ich mich schon, was unsere Bauernvertreter und unsere Verbände falsch machen», hält er fest. «Jahrelang stagnieren unsere Produzentenpreise auf gleichem Niveau, im Gegenzug schnellen die Kosten in die Höhe. Das kann doch auf die Dauer nicht so weiter gehen», ist er überzeugt. «Alle verdienen an den Bauern, nicht zuletzt auch, weil wir für alle Dienstleistungen und das Gewerbe Schweizer Löhne bezahlen.»

Fehlendes Verständnis

Wie alle andere Betriebe auch, versucht Peter Leiser, durch Kostenoptimierung und Erhöhung der Milchmenge pro Kuhplatz die wirtschaftliche Lage auf seinem Betrieb zu verbessern. Bringe dies nicht den gewünschten Erfolg, oder würden die gesetzlichen Grundlagen nicht geschaffen, würden noch viele Milchbauern das Handtuch werfen. «Wenig Verdienst, immer mehr Druck, fehlendes Verständnis einer breiten Bevölkerung, ein Bundesamt gegen Landwirtschaft. Da erstaunt es eigentlich, dass es noch junge Leute gibt, die Landwirt lernen wollen. Aber wir lieben eben, was wir machen», sagt Leiser nachdenklich. Wie es scheint, wird es auf ihrem Betrieb auch weitergehen. Denn: Ihr Sohn Dominic ­zeige grosses Interesse an der Milchwirtschaft. «Es würde mich natürlich freuen, wenn er den Betrieb weiterführen möchte, mit all den grossen Herausforderungen», sagt der dreifache Familienvater.