Abo Produkte aus Hülsenfrüchten sind für viele abstrakt. Proteinpflanzen Vereinsziel: Produktion und Konsum von Hülsenfrüchten verdreifachen Wednesday, 27. November 2024 Die Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung (KSLE) des Bundes ist ein dickes Paket mit drei Ober- und acht Teilzielen sowie 42 Massnahmen (siehe Kasten). «Der Kern der KSLE ist die Stärkung der Ernährungssicherheit», stellte Daniel Felder klar. Sie richte sich an die Verwaltung selbst und zeige allen anderen die Stossrichtung auf, so der Mitarbeiter des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW). Das BLW hat die Klimastrategie zusammen mit den Bundesämtern für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und Umwelt (Bafu) ausgearbeitet und vor einem Jahr publiziert.

Es fehlen Ressourcen

Diesen Anlass nutzten Daniel Felder und Philip Stevanon (ebenfalls vom BLW), um an einer Agridea-Tagung Bilanz zu ziehen. «Die Hälfte der Massnahmen befindet sich in der Umsetzung, ein Viertel ist bereits abgeschlossen oder steht kurz davor», so Stevanon. Dazu gehören etwa die aktualisierte Lebensmittelpyramide oder die Förderung elektrischer Traktoren ab 2025. Die Umsetzung der KSLE sei somit «voll im Zeitplan». Allerdings treten laut Stevanon bei acht Massnahmen Verzögerungen auf. Auf Nachfrage aus dem Publikum erklärten die BLW-Mitarbeiter, die Umsetzung der KSLE sollte im Rahmen der bestehenden Ressourcen realisiert werden. Doch es bestehe mittlerweile Zeit- und Geldmangel, worauf man aber intern aufmerksam gemacht habe.

Ziel beim «Proteinsplit»

Ein Punkt in der KSLE ist die «Optimierung des Produktionsportfolios», wonach ackerfähige Flächen in erster Linie für die direkte menschliche Ernährung genutzt werden sollen. Das Stichwort sind hier pflanzliche Proteine, die auch dank der aktualisierten Ernährungsempfehlungen des BLV mehr Platz auf Schweizer Tellern bekommen sollen. Lidl beschäftigt sich für eine klimafreundlichere Ausrichtung seines Angebots ebenfalls mit pflanzlichem Eiweiss, wie Julia Baumann erklärte. «Unser Ziel ist ein Anteil pflanzenbasierter Proteinquellen von 20 Prozent in unserem Sortiment bis 2030», sagte die Abteilungsleiterin Nachhaltigkeit des Discounters. Bei den Molkereiprodukten sei mit demselben Zeithorizont ein Anteil von 10 Prozent auf Pflanzenbasis als Ziel gesetzt.

Um diesen «Proteinsplit» (übersetzt: Proteinaufteilung) zu erreichen, bietet Lidl mehr vegane und vegetarische Produkte, bewirbt aber auch Unverarbeitetes wie Hülsenfrüchte. Das Echo falle sehr unterschiedlich aus: «Manche finden das super, andere interessiert es nicht», schilderte Julia Baumann. Auch Letztere müsse man aber mitnehmen, etwa durch ansprechende Rezepte oder den Einsatz von Influencern. Wer sich nicht fürs Klima interessiere, dem müsse man den Klimaschutz quasi schmackhaft machen, ohne übers Klima zu reden.

Sandro Rechsteiner, IP-Suisse, präsentierte die «Antwort auf den Proteinsplit» der Labelorganisation: «Aktuell haben wir 400 ha Eiweisserbsen, Ackerbohnen und Kichererbsen im Anbau», so der Agronom. Für 2025 gebe es zwar einen Anbaustopp dieser Kulturen bei IP-Suisse, das sei aber normal für die Anfangsphase eines Projekts, in der zuerst grosszügig für genügend Rohstoffe gesorgt werde.

Kette aufgebaut

Es geht IP-Suisse in erster Linie darum, rechtzeitig auf einen Trend bzw. eine langfristige Entwicklung hin zu vermehrt pflanzlicher Ernährung zu reagieren. «1/3 aller Schweine in der Schweiz sind IP-Suisse, wir sind ziemlich fleischlastig im Label», gab Sandro Rechsteiner zu bedenken. Angesichts sinkenden Fleischkonsums – sowohl durch den demografischen Wandel mit mehr älteren Menschen, die wenig Fleisch essen als auch einer jungen Generation, die häufiger vegan/vegetarisch vorzieht und sich voraussichtlich im Alter nicht fleischlastiger ernähren wird – müsse eine Alternative her. «Sonst nimmt die Bedeutung der Schweizer Landwirtschaft immer mehr ab», warnte Rechsteiner. Es braucht eine alternative Proteinquelle für die Konsumenten, für IP-Suisse als Produzentenorganisation, aber auch eine alternative Wertschöpfungsquelle für ihre Mitglieder.

Die Anbaubedingungen seien für Hülsenfrüchte in der Schweiz gut, fuhr Rechsteiner fort. «Aber es braucht eine Wertschöpfungskette». Daher hat IP-Suisse die Verarbeitung vorangetrieben, heute wird ein Konzentrat aus IPS-Bohnen und -Erbsen als «Hack» des Joint-Ventures Protaneo vermarktet. «In der Schweiz gibt es die Infrastruktur für die Herstellung von pflanzlichem Proteinkonzentrat, aber nicht für Proteinisolat», sagte der Agronom. Letzteres sei teuer und werde im Ausland nur in wenigen, grossen Anlagen produziert.

Diverse geläufige Fleischalternativen basieren auf Isolaten, was die Verwendung von Schweizer Zutaten erschwert. «Niemand gibt gerne ein gut laufendes Produkt auf», bemerkte Rechsteiner. Ausserdem wüssten Hersteller zum Teil nicht genau, wie die ausländischen Zutaten entstanden sind und könnten daher nur schlecht Auskunft geben, was sie von Schweizer Lieferanten bräuchten. Um rentabel produzieren zu können, müssten im Weiteren die Nebenprodukte aus der Verarbeitung von Hülsenfrüchten lukrativ verwendet werden, ergänzte Rechsteiner. Das heisst: idealerweise nicht als Tierfutter. Ausserdem brauche es die richtigen Rahmenbedingungen – sprich Preise – um Landwirte von einer neuen Kultur zu überzeugen sowie auf Speisezwecke ausgerichtete Sortenprüfungen von Leguminosen. Auch seien Anstrengungen in der Vermarktung nötig, um die Swissness von Pflanzenprotein in Wert zu setzen.

Zwei Tage Bauchweh

Auf lange Sicht ist für Sandro Rechsteiner klar, dass sich Hülsenfrüchte unverarbeitet verkaufen lassen müssen. «Mit Ersatzprodukten spricht man die grosse Gruppe der Flexitarier an und sie sind einfach zuzubereiten, überzeugen aber oft nicht in der Qualität und enthalten viele Zutaten.» Er selbst sei kein Fan von Fleischersatz, bei «Monoprodukten» fehle aber bisher die passende Kochkultur. Denn für Bohnen und Co. braucht es etwas mehr Know-how, als wenn man ein Plätzchen in der Pfanne brät. «Macht man es falsch, hat man zwei Tage Bauchschmerzen und kocht sie nie mehr.» Mehr Wissen ist demnach nicht nur auf dem Feld vonnöten, sondern auch in der Küche.

 

Klimastrategie in Kürze

Das ausdrückliche Bestreben der Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung (KSLE) besteht darin, die Land- und Ernährungswirtschaft bei der Anpassung an die Klimaveränderungen zu unterstützen und deren Emissionen zu senken. Dafür haben BLW, BLV und Bafu folgende drei Oberziele bis 2050 definiert:

Selbstversorgungsgrad: Mind. 50 %.
Ernährung: Gesund und ausgewogen, mit einem gegenüber 2020 um 2/3 kleineren ökologischen Fussabdruck pro Kopf.
Treibhausgase: Gegenüber 1990 um 40 % weniger Emissionen aus der Schweizer Landwirtschaft.

Hinzukommen acht Teilziele:

- Ressourcenschonende Konsummuster erreichen
- Food Waste minimieren
- Handelsbeziehungen nachhaltig ausrichten
- Produktionsportfolio optimieren
- Tier- und Pflanzenernährung verlustarm gestalten
- Wasserressourcen schonend bewirtschaften
- Bodenfruchtbarkeit und Kohlenstoffspeicherung erhalten.
- Energiebedarf reduzieren und erneuerbare Energien stärken.