Den 8. Februar 2019 werden Barbara und Johannes Eichenberger aus Beinwil am See AG nicht so schnell vergessen. Denn an diesem Abend wurde ihnen vom kantonalen Veterinäramt eine Milchliefersperre verfügt. Der Grund: Hemmstoffpositive Milch. Nachgewiesen in der offiziellen Milchprobe vom 7. Februar durch die Suisselab AG in Zollikofen BE. Da der Biobetrieb in diesem Zeitraum gar nie Antibiotika bei seinen Kühen einsetzte und sowieso selten auf diese zurückgreift, kam die Hiobsbotschaft wie aus heiterem Himmel für die Betriebsleiterfamilie.
Jetzt fast zwei Jahre her
Obwohl jetzt fast zwei Jahre vergangen sind, ist der Fall immer noch nicht abgeschlossen. Denn Eichenbergers kämpfen noch immer gegen das Hemmstoff-positive Milchprüfungsergebnis und haben dagegen auch Rekurs eingereicht. Dieser wurde zwar abgelehnt, aber die Bauernfamilie zog den Fall weiter und hat dagegen Revision beantragt.
Schnell gelesen
Hemmstoffe in der Milch wünscht sich niemand, erst recht nicht, wenn man gar nicht weiss, wo die Ursache liegt. Diese Erfahrung musste auch der Biobetrieb von Barbara und Johannes Eichenberger aus Beinwil am See AG, machen. Am 7. Februar 2019 wurden in ihrer Tankmilch Hemmstoffe nachgewiesen. Seither hat die Bauernfamilie schlaflose Nächte. Noch immer wehren sich Eichenbergers gegen einen Eintrag bei der TSM als «Antibiotika-Sünder» dargestellt zu werden. Auch Suisselab und die Agroscope äussern sich zum Fall. Wo der Hund schlussendlich begraben liegt, kann bis heute nicht beantwortet werden.
Ein weiteres Mal behandelt?
«Hoffentlich wird unser Fall ein weiteres Mal von der TSM Treuhand GmbH in Bern behandelt», wünscht sich Johannes Eichenberger. Die Antwort steht noch aus. Die Betriebsleiterfamilie weiss nur, dass die Rekurskommission aus
- der Fromarte,
- den SMP,
- der Suisselab AG,
- der Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie VMI
- und der TSM Treuhand GmbH zusammengesetzt ist.
«Wir sind der festen Überzeugung, dass wir unschuldig sind», sagt Barbara Eichenberger. «Für uns als Biobetrieb ist es enorm wichtig, dass wir nicht mit diesem Eintrag bei der TSM Treuhand AG registriert sind, wo wir quasi als Antibiotika-Sünder dargestellt werden», doppelt der Betriebsleiter nach. Seit die tragische Geschichte von Eichenbergers begonnen hat, durchlaufen sie den reinsten Spiessrutenlauf. Immer wieder geht es von einem Labor zum anderen und von einer Behörde zur nächsten. Für Aussenstehende ist die ganze Geschichte schwer zu verstehen, für die Bauernfamilie sorgt sie aber weiterhin für schlaflose Nächte. Wo und was falsch gelaufen ist, sei rückwirkend sehr schwer eruierbar.
«Die TSM darf nicht einfach Ergebnisse löschen»
[IMG 2]
Peter Althaus ist Geschäftsführer der TSM Treuhand GmbH in Bern. Der Eintrag über die positive Milchprobe bedeute nicht, dass dafür Antibiotika verantwortlich waren, erklärt er. (Bild J.-R. Stucki)
Am 7. Februar 2019 hat die Suisselab AG in der Tankmilch von Johannes Eichenberger aus Beinwil am See AG einen Hemmstoff nachgewiesen. Gegen das Milchprüfungsergebnis hat Eichenberger Rekurs eingereicht. Die Rekurskommission der TSM hat den Rekurs abgelehnt, warum?
Peter Althaus: Die Rekurskommission wird von der Kommission Milchprüfung eingesetzt, welche unter anderem für die Koordination und die Aufsicht der Milchprüfung verantwortlich ist. Das Sekretariat der Rekurskommission wird im Auftrag der Milchbranche von der TSM geführt. Es handelt sich also nicht um die Rekurskommission der TSM, sondern um die Rekurskommission der Milchbranche, deren Sekretariat die TSM ausübt. Die TSM darf keine Auskunft zu Rekursen geben.
Eichenberger akzeptiert den abgelehnten Rekurs nicht und hat dagegen Revision eingereicht. Der Entscheid ist noch fällig. Wann kann Eichenberger mit einer Antwort rechnen?
Eine Revision eines abgelehnten Rekurses ist der TSM aktuell nicht bekannt.
Die Milchproben von Eichenberger wurden auch bei der eidgenössisch anerkannten Laborstelle bei der Agroscope untersucht. Mit dem Befund, es sei alles einwandfrei. Hat man bei der Beurteilung des Falls Eichenberger auch die Untersuchungen und die Erkenntnisse von der Agroscope eingeholt?
Agroscope hat keinen Sitz in der Rekurskommission. Agroscope ist allerdings Mitglied der Kommission Milchprüfung. Bei fachlich heiklen Rekursen wird Agroscope beigezogen, was im vorliegenden Fall meines Wissens gemacht wurde.
Nun hat Eichenberger bei der TSM einen Eintrag, der auf gut Deutsch heisst: Eichenberger hatte Antibiotika in der Milch. Was bedeutet dieser Eintrag für Eichenberger?
Die TSM wurde von der Milchbranche als Administrationsstelle beauftragt, die vom Prüflabor an die Datenbank Milch (dbmilch.ch) übermittelten Daten zu erfassen und zu verwalten. Sie hat keine Befugnisse, Ergebnisse der Milchprüfung zu löschen. Der Eintrag auf dbmilch.ch sagt lediglich aus, dass eine Milchprobe Hemmstoff-positiv getestet wurde. Ob der Grund dieser Hemmstoffe Antibiotika war, ist nicht zwingend.
Sofort gesperrt
Wie bei anderen Milchbauern wird auch bei Eichenbergers als Emmi-Lieferant zweimal monatlich eine offizielle Tankmilchprobe entnommen, um daraus die Milchqualität untersuchen zu können. Dies war auch am besagten 7. Februar 2019 der Fall. «Die von der Suisselab dem Milchtransporteur in Auftrag gegebene Probeentnahme, wird automatisch bei der Absaugung der Tankmilch entnommen und im Labor bei der Suisselab AG untersucht», sagt Eichenberger. Diese eine Milchprobe hatte es aber in sich, tags darauf erhielten sie einen Anruf vom Veterinäramt des Kantons Aargau. «Im ersten Moment dachte ich, wir haben IBR oder eine andere Seuche im Stall. Aber nie hätte ich gedacht, dass wir Antibiotika in der Milch haben sollen», sagt der Betriebsleiter nachdenklich. Sofort wurde dem Betrieb eine Milchliefersperre auferlegt. «Sie können sich nicht vorstellen, was wir da alles durchgemacht haben», sagt Barbara Eichenberger. Im Wissen, dass sie in diesem Zeitraum gar nie Antibiotika bei ihren Kühen einsetzten, fragten sie sich immer wieder, wie das denn überhaupt passieren konnte.
Trauten den Daten nicht
Schon von Anfang an trauten Eichenbergers den Labordaten nicht recht und liessen ihre Tankmilch im Auftrag des Kantons von ihrem Milchabnehmer, der Emmi, noch in derselben Nacht in deren Labor in Suhr AG untersuchen. Der Befund war: negativ, alles einwandfrei. «Sofort hob das Veterinäramt die Milchliefersperre wieder auf und die Milch konnten wir anderntags wieder normal abliefern», hält der Landwirt fest. «Unser Milchabnehmer zeigte sich immer sehr hilfsbereit uns gegenüber», sagt der Betriebsleiter anerkennend.
Eichenberges liess aber das positiv getestete Ergebnis von der Suisselab nicht los, sie wollten dem vermeintlichen Übel auf den Grund gehen. «Es war eine Suche wie nach der Nadel im Heuhaufen», so die Bäuerin. Lag der Hund wirklich bei ihnen begraben, oder hatte doch die Suisselab ein falsch-positives Resultat? Eichenbergers beprobten darauf alle ihre 15 Kühe. Diese Proben wurden dann wieder von der Suisselab untersucht. Mit dem Resultat: Sämtliche 15 Proben sind negativ. Auch die Abklärungen durch den Veterinärdienst und andere Stellen haben ergeben, dass höchstwahrscheinlich kein Einsatz von Antibiotika bei Eichenbergers erfolgte.
Defekte Anlage?
«Die zweite amtliche Probe im Februar 2019 konnte von Suisselab leider nicht auf Hemmstoffe getestet werden, infolge technischen Defekts der Anlage», sagt der Landwirt. Am 4. März 2019, als dann die nächste offizielle Tankmilchprobe entnommen wurde, fing das Spiel wieder von vorne an: Laut Suisselab war die Tankmilch von Eichenbergers wieder mit Hemmstoffen belastet. Sofort hat der Betriebsleiter seinen Kühen und der Tankmilch eine Doppelprobe entnommen und diese selbstständig zu Suisselab und zur Emmi nach Suhr ins Labor gebracht. Mit dem Resultat: Drei Kühe zeigten leicht positive Hemmstoffnachweise an. «Der damalige Verantwortliche bei der Suisselab sagte mir danach, dass mir sicher jemand schaden wolle und ich doch eine Überwachungskamera auf meinem Betrieb installieren solle», sagt Johannes Eichenberger.
Aber die Bauernfamilie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wer ihnen Böses wollte, zu gut sei das Zusammenleben in ihrem Dorf. «Durch den Kontakt mit dem Veterinäramt kam damals zutage, dass es in der gleichen Zeit einen gleich gelagerten Fall in der Region – auch ein Biobetrieb –, gegeben habe», so der Betriebsleiter. Immer wieder fragten sich Barbara und Johannes Eichenberger, wie dann Antibiotika in ihre Milch kommen könnte. Löste vielleicht eine falsche Fütterung den positiven Hemmstoffnachweis aus, schlechtes Wasser oder war vielleicht ihre Melkanlage schuld? «Sie glauben gar nicht, wo wir überall suchten», sagt Eichenberger. Sogar die Forschungsanstalt Agroscope habe man zu Hilfe gerufen.
Ein Monitoring gestartet
Danach startete die Familie Eichenberger selbst ein Monitoring: Über vier Gemelke hinweg haben sie jeweils vor dem Melken und nach dem Melken bei jeder Kuh eine Probe entnommen. «Insgesamt kamen so 99 Milchproben zusammen», so der Landwirt. Auch eine Tankmilchprobe wurde jeweils entnommen. «Diese Proben brachte ich zu Suisselab», hält Eichenberger fest. «Die Ergebnisse waren wieder frustrierend», sagt die Bäuerin. Bei einigen war der sogenannte Farbumschlag nicht sauber, bei anderen habe man Hemmstoffe festgestellt.
Darauf liess die Suisselab einige positive Proben in ihrem Mutterhaus in Bayern (D) analysieren. «Den Schlussbericht zeigten wir auch Agroscope und die konnten gewisse Testmethoden der Suisselab nicht verstehen», sagt Eichenberger. So gelangte der Landwirt immer mehr zur Überzeugung, dass bei den Testmethoden der Suisselab etwas nicht stimmen konnte. Nun veranlasste das Veterinäramt die Beprobung der positiv getesteten Milchproben mittels Massenspektrometrie im kantonalen Laboratorium Zürich (Referenzlabor des Bundes im Bereich Antibiotika in tierischen Lebensmitteln). Das Ergebnis: Alle vier Proben wiesen keine Antibiotika auf. «Auf Anraten hin wurden diese erneut bei der Suisselab getestet und wieder waren die Proben positiv. Aus diesem Grund akzeptiere ich auch nicht, dass wir am 7. Februar 2019 ein positives Milchprüfungsergebnis gehabt haben sollen», sagt der Landwirt.
Ein enormer Aufwand
Obwohl Familie Eichenberger ihre Milch immer abliefern konnte, wurde sie für den enormen Aufwand, den sie hatte, nie entschädigt. «Alle Auslagen für Proben wurden durch den Kanton Aargau übernommen oder zurückerstattet», sagt Barbara Eichenberger. Auch Emmi zeigte sich immer sehr kulant. So verzichtete sie auch auf den reglementarischen Abzug von zehn Rappen pro Liter Milch. «Ich möchte niemandem den Schwarzen Peter zuschieben», sagt Johannes Eichenberger. Fehler könnten überall passieren.
Nicht an ihren Kühen
«Mich erstaunt nur, dass zwischenzeitlich zwei leitende Personen bei der Suisselab fristlos entlassen wurden. Das löst bei mir doch einen gewissen Nachgeschmack aus», so der Landwirt. Obwohl bis heute niemand sagen kann, wo die Ursache liegt, haben Eichenbergers das Gefühl, dass es nicht an ihren Kühen oder an ihrem Stall liegen könne. Aber schlafen kann die Bauernfamilie erst richtig wieder, wenn der Eintrag in der Datenbank bei der TSM gelöscht wird.
«Das ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen»
[IMG 3]
Jan-Erik Ingenhoff ist Spezialist für Risikoabschätzung und Risikominderung bei Agroscope. Laut ihm gab es einige weitere, ähnliche Fälle wie der von Johannes Eichenberger. (Bild Agroscope)
Wie schwierig ist es, in der Tankmilch Hemmstoffe nachweisen zu können?
Jan-Erik Ingenhoff: Mit den für die Milchprüfung zugelassenen Hemmstofftests ist ein sicherer Nachweis möglich und die Tests sind relativ einfach durchführbar. Ob es sich bei einem positiven Befund um Antibiotika handelt, kann der Test natürlich nicht aussagen, aber in den allermeisten Fällen dürfte dies der Fall sein.
Agroscope stellt infrage, dass eine Kuh selbst durch die eigene Immunabwehr den Hemmstofftest beeinflussen kann. Was heisst das?
Ein direkter Hemmstoffnachweis in den von Herrn Eichenberger gefassten Proben wurde von Agroscope nicht durchgeführt. Die Untersuchungen waren darauf ausgelegt mögliche Ursachen für den positiven Hemmstoffbefund zu eruieren. Das ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Inzwischen wurden wenige weitere, ähnlich gelagerte Fälle bekannt. Nach den bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um saisonal und ausserhalb der Vegetationsperiode und leider meist einmalig auftretende Fälle, was die Ursachenfindung schwierig macht. Ob die Ursache jedes Mal identisch ist, ist ebenfalls nicht bekannt. Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass körpereigene Stoffe, sogenannte originäre Hemmstoffe, eine Hemmung von Testkeimen bewirken. Mit unseren bisherigen Untersuchungen konnten wir aber noch keine derartigen Stoffe nachweisen.
Agroscope kommt auf ein anderes Resultat als Suisselab?
In der Schweiz können die in der technischen Weisung für die Durchführung der Milchprüfung zugelassenen Hemmstofftests verwendet werden (Delvotest® SP-NT, AiM-BRT-MRL-Suchtest, Delvotest® T). Diese Tests funktionieren nach demselben Prinzip. Suisselab verwendet den AiM-BRT-MRL-Suchtest, ist für diese Untersuchung akkreditiert und nimmt regelmässig an Vergleichsuntersuchungen teil. Im Falle eines positiven Hemmstoffnachweises wird die zuständige kantonale Stelle die Situation überprüfen und die Tankmilch testen. Die kantonalen Stellen verwenden dazu oft den Delvotest® SP-NT. Die Untersuchungen von Agroscope auf bakterielle Auffälligkeiten sind damit nicht vergleichbar und stehen nicht im Widerspruch zu den Resultaten von Suisselab.
Mehr dazu, wie Suisselab Tankmilchtests durchführt, lesen Sie hier.
Werden bei der Beurteilung des Falls Eichenberger auch Ihre Daten berücksichtigt?
Die Rekurskommission hat nur zu beurteilen, ob es zu Ungereimtheiten bei der Durchführung der öffentlichen Milchprüfung gekommen ist. Ist dies nicht der Fall, so gilt ein positiver Hemmstoff-befund als korrekt. Er sagt aber nichts darüber aus, ob es sich beim Hemmstoff um Antibiotika handelt. Agroscope hat keine Akkreditierung für die Hemmstoffuntersuchung mittels BRT und verfolgt keine Tätigkeit im Vollzug der öffentlichen Milchprüfung. Bei den Abklärungen von Agroscope geht es um die Unterstützung bei der Ursachenfindung mit den bei Agroscope verfügbaren wissenschaftlichen Methoden. Das Bestreben von Agroscope stellt also nicht die Analysen von Suisselab infrage, sondern soll den betroffenen Milchproduzenten helfen, dass sich solche Situationen nicht wiederholen.
Eichenberger beteuert, dass er keine Antibiotika eingesetzt hat. Können andere Ursachen infrage kommen?
Leider gibt es keine Zahlen zum Vorkommen solcher nicht auf Antibiotika zurückzuführende Hemmstoff-positiven Befunde. Das zeigen auch Rückfragen im Ausland und der Fakt, dass es kaum wissenschaftliche Publikationen zu diesem Thema gibt. Wie bereits erwähnt, scheint es sich um seltene Einzelfälle zu handeln.
1