Die Branchenverband Chocosuisse warnt vor einem Ende der Nachfolgelösung zum «Schoggi-Gesetz». Der Kompromiss war 2019 zustande gekommen, nachdem die Schweiz die Importförderung für exportierende Lebensmittelhersteller auf Geheiss der Welthandelsorganisation WTO aufgeben musste. Bereits fünf Jahre später hat der Pakt nun Risse bekommen.

Dieser sah vor, dass die einstige Exportförderung fortan in Form von Zulagen an die Milchproduzenten ausbezahlt und anschliessend von der Branchenorganisation Milch (BOM) eingezogen wird. Die BOM soll das Geld dann über einen privaten Topf an die Schoggi-Exporteure weiterleiten. Um nicht ins Visier der WTO zu geraten, muss der Kompromiss aber ohne gesetzliche Grundlage auskommen – also auf freiwilliger Basis.

Nationalratskommission sticht in ein Wespennest

In der Beratung des neuen Zollgesetzes hat sich die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N) nun dafür ausgesprochen, dass bei der Einfuhr zur aktiven Veredelung die interessierten Kreise «nicht nur bei einigen, sondern bei allen Produkten» konsultiert werden, bevor eine Bewilligung für den aktiven Veredelungsverkehr von Agrargrundstoffen erteilt werden kann, wie es in einer Mitteilung der Parlamentsdienste heisst. Dies, sofern diese Produkte durch die Schweizer Landwirtschaft ebenfalls hergestellt werden.

Damit sticht die Kommission in ein Wespennest. Denn der Verzicht auf das Konsultationsverfahren war Teil der Kompromisslösung von 2019. Die WAK habe die Nachfolgelösung für das «Schoggi-Gesetz» regelrecht «torpediert», schreibt die Branchenorganisation Chocosuisse in einer ersten geharnischten Reaktion. «Der im Rahmen der Zollgesetz-Revision gefällte Beschluss hat Sprengkraft», heisst es darin. Auf dem Spiel stehe nichts weniger als die Wettbewerbsfähigkeit der exportierenden Schweizer Lebensmittelhersteller.

Was ist passiert? Mit dem Antrag der WAK-N würde eine Vereinfachung hinfällig, die sich die Exporteure beim Kompromiss ausbedungen hatten: Für sie sei es nämlich zentral gewesen, «dass für die Exporteure der Milch- und Getreidegrundstoffe zumindest das Bewilligungsverfahren des aktiven Veredelungsverkehrs vereinfacht wurde», schreibt Chocosuisse. Ein einfaches Informationsverfahren sollte das frühere Konsultationsverfahren ersetzen, das «zu kompliziert, zu zeitaufwendig und im Ergebnis kaum vorhersehbar» gewesen sei, wie Chocosuisse kritisiert. Das Informationsverfahren habe dagegen einen zuverlässigen Zugang zu wettbewerbsfähigen Rohstoffen sichergestellt.

Der Kompromiss sollte den Grenzschutz sichern

In einer Arena wurden Alternativen zum Schoggi-Gesetz diskutiert. (Bild zvg) Polit-Treffpunkt drehte sich ums Schoggi-Gesetz Friday, 4. September 2015 Fällt dieser nun wie von der WAK gewollt weg, gerät aus Sicht der Schoko- und Biscuitshersteller ein «sorgfältig austarierter Kompromiss» aus dem Gleichgewicht. Ursprünglich hatten sie nämlich «die gänzliche Streichung der Sonderbehandlung von landwirtschaftlichen Roh- und Grundstoffen im Zollgesetz» vorgeschlagen. Die politisch gewollte Preisstützung zugunsten der Landwirtschaft sollte den Export nicht länger verteuern. Für die Landwirtschaft hätte dies wiederum ein weitgehendes Ende des bestehenden Grenzschutzes bedeutet. Mit dem Kompromiss sollten die Produzenten davor verschont bleiben.

Der Angriff der WAK auf das Informationsverfahren ist nur der letzte Schlag, der das Gebäude des Schoggi-Gesetz-Kompromisses nun zum Einsturz bringen könnte. Denn der Pakt zwischen Schoggi-Exporteuren und Milchproduzenten hat längst Risse bekommen. Die Branchenorganisation Milch (BOM) leite die vom Bund ausbezahlten Gelder nämlich längst nicht mehr vollumfänglich weiter, kritisiert Chocosuisse. So habe der Bund im letzten Jahr vor der Abschaffung des «Schoggi-Gesetzes» noch 79 Millionen Franken Zollrückerstattungen für Milchgrundstoffe ausbezahlt.

Kritik: Das Geld sei in der Milchbranche «versickert»

«Dieses Budget wurde 2019 haushaltsneutral in die neue Milchzulage übertragen», bilanziert Chocosuisse, «allerdings kamen davon nur noch etwa 53 Millionen Franken bei den Exporteuren an.» Entgegen der Abmachungen habe die Milchbranche einen Teil des Geldes in den Butter-Regulierungstopf gesteckt und einen weiteren Teil für die Unterstützung der Verkäsung gebraucht. Ein Teil der an die Bauern ausbezahlten Zulagen sei nicht einmal eingezogen worden. Insgesamt seien so schon im ersten Jahr 25 Millionen «versickert», so der Vorwurf. Derzeit erhalten die Exporteure aus dem für den Ausgleich der Preisdifferenz vorgesehenen Topf der Milchbranche laut der Mitteilung noch 25 Rappen pro Kilo Milch – «was deutlich weniger ist als die tatsächliche Milchpreisdifferenz».

Chocosuisse will mehr Geld sehen

Mit dem WAK-Entscheid scheint die Geduld der Exporteure am Ende zu sein. «Mit der beantragten Abkehr vom Grundsatzkompromiss überschreitet die Mehrheit der WAK-N eine rote Linie», hält Chocosuisse fest. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Schokolade sei in Gefahr. Chocosuisse fordert deshalb nicht nur, dass der Antrag der Mehrheit der WAK-N im Parlament gestoppt wird, sondern nimmt auch die Milchbranche ins Visier: Diese sei aufgerufen, zum ausgehandelten Kompromiss zu stehen. Die Verkehrsmilchzulage müsse jetzt vollumfänglich für die private Ersatzlösung verwendet werden.

Bei einer Verlagerung der Produktion gehen Absatzkanäle verloren

«Die BO Milch steht zum Kompromiss, den man vor vier Jahren bei der Einführung zur Nachfolgelösung Schoggi-Gesetz gefunden hat», sagt dazu BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler. Mit dem Entscheid der WAK-N habe die BOM nichts zu tun. Geht es um eine Erhöhung der Zahlungen, bleibt die BOM aber hart: «Unser Entscheid von 2018, nicht mehr als 25 Rappen pro kg Milch zu stützen, steht bis auf Weiteres nicht zur Diskussion», erklärt Kohler.

Chocosuisse-Direktor Urs Furrer warnt dagegen vor einer Verlagerung der Produktion ins Ausland. «Das wäre nicht im Interesse der Milchbranche», wird er deutlich: Diese würde damit wichtige Absatzkanäle verlieren.