Der Einkaufstourismus ist für die Schweizer Landwirtschaft und für den Detailhandel ein ständiges Problem. Nun ist er wegen der Corona-Krise zum Erliegen gekommen. Laut dem Bundesrat bleibt er bis auf Weiteres verboten. Wer dennoch über die Grenze eingekauft, der läuft Gefahr, gebüsst zu werden. Jedes Jahr werden mittels Einkaufstourismus Nahrungsmittel im Wert von zwei Milliarden Franken eingekauft. Milch und Milchprodukte sind mit 300 Millionen Franken davon betroffen. Geschätzt gehen so der heimischen Landwirtschaft mindestens 100 Mio kg Milch verloren, 100 Mio kg, die jetzt hierzulande aufgestockt werden müssten. Denn jetzt muss der Einkaufstourist ja in der Schweiz einkaufen. Gibt es also bald Lieferengpässe bei der Milch? Die BauernZeitung wollte es wissen.

Der Milchabsatz ist zufriedenstellend

«Grundsätzlich besteht kein Milchmangel. Hingegen fliesst in der Tat zu wenig Milch in den Industriekanal», sagt Thomas Zwald, Generalsekretär bei der Cremo. Saisonbedingt seien die Milcheinlieferungen bei ihnen derzeit hoch, im Vergleich zum Vorjahr leicht tiefer. Trotz der Corona-Pandemie verlaufe der Milchabsatz zufriedenstellend. «Der Absatz von Milchfrischprodukten und Butter liegt auf dem Inlandmarkt über dem Vorjahresniveau. Das Exportgeschäft hingegen ist unter Druck, vor allem beim Käse», sagt Zwald. Auch bei Emmi weiss man nichts von einem Milchmanko – im Gegenteil: «Aktuell können wir nicht bestätigen, dass auf dem Markt 100 Mio kg Industriemilch fehlen würden», sagt die Emmi-Mediensprecherin Sibylle Umiker.

Grosse Unsicherheiten beim Export

Aufgrund der saisonal hohen Milcheingänge übersteige das Angebot sogar den Absatz. «Insbesondere müssen wir überschüssiges Protein in Form von Magermilchpulver exportieren», sagt Umiker. Hingegen fliesse zu wenig Fett in die Butterproduktion hinein, so dass der Buttervorrat nicht bis Ende Jahr reichen werde. Auch in den Absatzkanälen machen sich gewisse Unterschiede bei Emmi bemerkbar: «Im Detailhandel sind die Absätze hoch, im Food-Service-Bereich ist er dagegen eingebrochen», stellt Umiker fest. Die Exportentwicklung sei derzeit noch stabil, aber mit grossen Unsicherheiten behaftet. «Wichtig ist, dass nun auch die Gastronomie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen kann», so die Mediensprecherin. Insgesamt befürchtet Emmi aber einen Marktrückgang.

Im Inland ist die Nachfrage gestiegen

Auch bei Mooh, der Genossenschaft mit rund 4000 Milchproduzentinnen und -produzenten, habe man weiterhin genügend Milch im Angebot. «Wir stellen aber eine Verschiebung der Nachfrage fest», sagt die Mooh-Kommunikationsleiterin Gabriela Küng. «Wegen der Corona-Krise ist sicher die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten im Inland gestiegen, hingegen gab es einen Preiseinbruch im Exportmarkt, was auf den Schweizer B-Milchpreis drückt», hält Küng fest. Es herrsche aber im inländischen Retailkanal (Detailhandel), durch den vermehrten Heimkonsum und den Wegfall des Einkaufstourismus’, eine starke Nachfrage nach Konsummilch, Käse und Joghurts, speziell bei den Bioprodukten. Hingegen sei die Nachfrage im Horeca-Kanal (Hotel, Restaurant, Catering) stark eingebrochen. Bei der Butter sei das Angebot generell knapp. «Allgemein gehen wir davon aus, dass es in den folgenden Monaten anspruchsvoller sein wird, die Milch mit einer möglichst hohen Wertschöpfung zu platzieren», sagt die Mediensprecherin.

Mehr melken solle man nicht

Dass die Bauern jetzt mehr melken sollen, davor rät Gabriela Küng auch dringlich ab. Genaue Prognosen wie der Milchmarkt bis zum Herbst laufen werde, seien aufgrund der aktuellen Situation auch schwer zu treffen. Auch aus Sicht der Emmi habe es ausreichend Milch am Markt. «Eine geringfügige Unterversorgung mit Milchfett, wie sie aktuell vorliegt, ist hinsichtlich Milchpreis wesentlich besser, als eine Situation mit Milchfettüberschuss und C-Milch», sagt die Emmi-Sprecherin. Ein grosses Thema unter den Milchproduzenten ist auch die Milchpreiserhöhung ab dem 1. Juli von bescheidenen 0,8 Rp./kg im Schnitt. «Für die Mooh-Genossenschaft als Produzentenorganisation steht der Produzent im Mittelpunkt. Sobald wir im Verkauf mehr lösen können, wird dies wie bei uns üblich den Produzenten weitergegeben», sagt Gabriela Küng.

Die Corona-Krise wird Auswirkungen haben

Obwohl Emmi eine positive Inlandentwicklung beobachtet, sieht sie einen deutlichen Preiszerfall im Ausland. «Innerhalb eines Monats ist der Wert eines Kilogramms Milch in der EU um rund zehn Eurocent (zirka 10,6 Rappen) gesunken», so Sibylle Umiker. So werde in vielen Ländern schon gegen Milchüberschüsse angekämpft und staatliche Unterstützung angefordert. Dies werde sich auf den Schweizer Milchmarkt auswirken. Zudem drücke Magermilchpulver, das Koppelprodukt der Butterproduktion, auf den B-Milchpreis. «Die stark ansteigenden Preisunterschiede zum Ausland verursachen zusätzlichen Druck auf das hiesige Preisniveau. Alleine im März wurde fast ein Viertel mehr Käse aus dem Ausland in die Schweiz importiert», sagt die Emmi-Mediensprecherin abschliessend.