Man strebe beim Brotweizen ein Verhältnis von 40 Prozent TOP, 40 Prozent Klasse I und 20 Prozent Klasse II an, hiess es an der diesjährigen Qualitätstagung. Mit knapp 60 Prozent TOP, 27 Prozent Klasse I und 12,7 Prozent Klasse II ist die diesjährige Ernte relativ weit von diesem Ziel entfernt. Und es ist nicht das erste Jahr, in dem scheinbar zu viel TOP und Klasse I angebaut wird 

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Nach Produkt und Jahr

Abo Getreide und Ölsaaten Swiss Granum sieht sich beim Absenkpfad PSM nah am Ziel Friday, 24. November 2023 «Die benötigte Weizenqualität hängt vom Endprodukt ab», hält Thomas Weisflog, Swiss Granum, fest. Meist würden die Verarbeiter mit Klassenmischungen arbeiten, deren Anteile je nach Mehleigenschaften, Produkt und Abnehmer variierten. «Das Klassenverhältnis 40/40/20 entspricht dem grundsätzlichen Bedarf der Branchenpartner», so Weisflog.

Welche Klassen effektiv nachgefragt werden, ist aber vom jeweiligen Jahr bzw. dem erzielten Qualitätsniveau abhängig. Die Klasseneinteilung erfolgt auf Basis eines Qualitätsindexes mit diversen Faktoren aus Laboranalysen und Backtests sowie dem Feuchtglutengehalt. Fällt der Glutengehalt in einem Jahr generell hoch aus, steigt auch der Grenzwert für die Klasseneinteilung. Damit gibt es nicht in einem Jahr wegen generell hoher Gehalte mehr Getreide Klasse I oder TOP, sondern alle Klassen weisen mehr Gluten auf.

Die Ernte 2023 zeichnet sich zwar durch ein gutes Hektolitergewicht, aber tiefe Protein- und Feuchtglutengehalte aus. «In einem Jahr mit tiefen Gehalten wird eher Klasse I oder TOP nachgefragt», erklärt Pierre-Yves Perrin den Zusammenhang.

Mehr bei IP-Suisse

Wegen des augenscheinlichen Ungleichgewichts von Angebot und Nachfrage betreffend Klassenverteilung macht sich der Geschäftsführer des Schweizerischen Getreideproduzentenverbands (SGPV) aber keine Sorgen. «Man müsste Suisse Garantie separat betrachten, ohne das IP-Suisse-Getreide», sagt Pierre-Yves Perrin. Die Labelorganisation fördert TOP-Sorten und Klasse I mit Prämien und hat entsprechend höhere Anteile davon in der Ernte, als es bei Suisse Garantie der Fall ist. Dort gibt es lediglich innerhalb der Klasse TOP Zuschläge bzw. Abzüge für den Proteingehalt.

Die Zuschlags- und Abzugsskala ist indes nicht in Stein gemeisselt. «Es ist eine der Steuerungsmassnahmen, um das Angebot bezogen auf die Qualität besser mit der Nachfrage in Einklang zu bringen», erläutert Thomas Weisflog. «Die Regelung ist in den Swiss-Granum-Übernahmebedingungen festgehalten.» Diese würden jährlich diskutiert und ermöglichten somit im Bedarfsfall eine Anpassung. Wird man sich einig, wird angepasst.

Am Markt wird also Protein gefördert. «Der Proteingehalt ist für Abnehmer ein wichtiger Bestandteil und meistens gut mit der Qualität korreliert», führt Thomas Weisflog aus. Im Gegensatz zu anderen Qualitätsparametern lässt sich der Proteingehalt ausserdem ohne aufwendige Laboranalysen messen. Gluten ist auch ein Protein, genauer eine Mischung wasserunlöslicher Proteine, die im Teig ein flexibles Netz bilden und ihm somit seine Textur geben.

Effizienz wird wichtiger

Die Ernte 2023 ist nicht die erste mit tiefem Proteingehalt: Die Werte sinken schon seit Jahren, laut Agroscope als Folge der Witterung.

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Mit dem Klimawandel, aber auch den Absenkpfaden werde die Stickstoffeffizienz der Sorten an Bedeutung gewinnen, ist Thomas Weisflog sicher. «Züchtung und Forschung spielen hier eine wichtige Rolle.» So werde im Projekt Wheat Advisor untersucht, wie der Anbau der richtigen Sorte am richtigen Standort mit der richtigen Kulturführung optimierbar wäre.

Sammelstellen wichtig

Während IP-Suisse seinen Produzenten einzelne Sorten empfiehlt, sieht Pierre-Yves Perrin für die Sortenwahl bei Suisse-Garantie die Sammelstellen in einer wichtigen Rolle. «Sie wissen, welche Sorte in der Region für gute Qualität und guten Ertrag sorgt», so Perrin.

Vor allem die Sorte entscheidet

Das Bonus-/ Malussystem für Proteingehalte bei TOP-Weizen gibt es seit 2015. Begründet wurde die Einführung damals mit gestiegenen Ansprüchen an den Rohstoff Getreide und die daraus hergestellten Mehle. Das steht im Zusammenhang mit der zunehmend industriellen Herstellung von Brot- und Backwaren bzw. der Produktion von Tiefkühl-Teiglingen.

In der Folge hat sich Agroscope mit den Einflussfaktoren auf den Proteingehalt des Getreides beschäftigt. Für 33 Prozent der Variabilität des Proteingehalts sei die Sorte verantwortlich, so das Fazit damals. «Die Produzenten können den Gehalt am einfachsten durch die Sortenwahl beeinflussen.» Es wurde zwar ein Zusammenhang mit der Düngung bzw. deren Aufteilung festgestellt. Die Forschenden warnen aber vor der Strategie, einfach die proteinstärkste Sorte zu wählen und einen sehr intensiven Anbau mit einer dritten Düngergabe zum Zeitpunkt der Blüte zu betreiben. Denn damit steige die Gefahr von Stickstoffverlusten. «Aus wirtschaftlicher Sicht sind die ertragreichsten Sorten am rentabelsten», so Agroscope, «selbst, wenn sie zu einer tieferen Qualitätsklasse gehören.» Von einer Düngergabe zum Zeitpunkt der Blüte werde unabhängig von der Menge abgeraten.