Der Milchmarkt hat eigene Gesetze. Dass wissen nicht nur die Milchproduzenten und Verarbeiter, sondern auch die Branchenorganisation Milch (BOM). Deren Geschäftsführer Stefan Kohler blickt auf ein schwieriges Milchjahr zurück. Besonders die Butterimporte sorgten für heisse Diskussionen.

Das Milchjahr 2020 ist fast vorbei. Ihr Fazit?

Stefan Kohler: Die Covid-19-Situation hat im ablaufenden Jahr weite Teile der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik sehr stark geprägt. Die Ernährungswirtschaft war und ist vor allem durch die veränderte Nachfrage betroffen. Gegessen und getrunken wird insgesamt gleich viel. Wenn die Leute aber zu Hause bleiben, werden andere Produkte in anderen Packungseinheiten nachgefragt.

Welche Anliegen wird die BOM im 2021 beschäftigen?

Angesichts der massiven Veränderungen 2020 fällt es mir schwer, einen Ausblick auf 2021 zu geben. Uns wird sicher die Anpassungen der Fondsreglemente beschäftigen, wir erwarten durch die neue und angepasste Stützung im Milcheiweiss-Bereich mehr Schweizer Milchfett für den Schweizer Markt. Das lässt sich nicht beliebig steuern. Wir sind zudem daran, das Segmentierungsreglement zu überarbeiten und drittens müssen wir uns als Milchbranche gemeinsam mit der Fleischbranche noch mehr mit den kritischen Fragen rund um den Klimaschutz auseinandersetzen. Daneben läuft das Tagesgeschäft weiter.

Im 2020 wurden 6000 Tonnen Butter importiert. Wie sieht die Butterversorgung im 2021 aus?

Lassen Sie mich das Thema Butterimporte zu Beginn etwas in die richtige Dimension rücken. In der Schweiz wurden 2019 3,4 Milliarden Kilogramm Milch mit einem durchschnittlichen Fettgehalt von 4,12 % produziert. 2020 werden die Zahlen ähnlich sein. Das ergibt eine jährliche Milchfettmenge von 140 000 Tonnen. Die 6000 Tonnen Butter entsprechen 4920 t Milchfett. Wir sprechen also von einem Anteil von 3,5 %, der am Ende gefehlt hat. Ob wir 2021 genügend Milchfett haben, um die Butternachfrage zu 100 % mit einheimischer Ware zu decken, hängt von folgenden vier Faktoren ab. Der Milchproduktion in der Schweiz, der Verwertung der Milch zu anderen Produkten – hier vor allem Käse–, der Nachfrage nach Schweizer Butter und dem Veredelungsverkehr, das heisst die Verwendung von ausländischem Milchfett in den Schweizer Exportprodukten. Insgesamt rechne ich wegen des zunehmenden Veredelungsverkehrs mit einer etwas besseren Butterversorgung, gehe aber davon aus, dass auch 2021 Importe nötig sein werden.

Wegen der Butterknappheit musste die BOM oft als Prügelknabe herhalten. Wie gehen Sie mit solcher Kritik um?

Die BO Milch sah sich stets als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems. Wir wurden auf Wunsch verschiedener Akteure ab April in die Diskussionen rund um die Butterimporte miteinbezogen. Damals waren die Auseinandersetzungen um die richtige Importmenge aufgrund fehlender Grundlagen schon ziemlich eskaliert. Mit unserem Eintritt hat sich die Diskussion dann versachlicht. Wir haben gemeinsam mit der BO Butter ein objektives und von allen anerkanntes Planungsinstrument geschaffen. Was den Prügelknaben betrifft; wer auf uns einschlägt, sollte wissen, dass in der BO Milch stets die Vertreter der Produzenten, Milchhändler, Käser, der industriellen Verarbeiter und der Detailhändler um eine gute Lösung verhandeln. Es gab rund um die Butterimporte in allen vier Verhandlungen der BO Milch ein Ergebnis, bei dem niemand mit leeren Händen vom Tisch ging. Ich kann Ihnen versichern, ohne die BO Milch hätten wir im Milchmarkt Wildwest-Zustände zum Nachteil aller Beteiligten. Das gilt auch für die Buttersituation.

Es ist bekannt, dass die Milchverarbeiter wegen der Wertschöpfung mehr Käse statt Butter produzieren. Wird sich diese Situation 2021 ändern?

Die Käsebranche ist und bleibt die starke Lokomotive im Schweizer Milchmarkt. 2020 wurde wiederum mehr Käse produziert, mehr Käse im Inland konsumiert und mehr Schweizer Käse exportiert. Allerdings hat auch der Import stark zugenommen. Die Situation im Käsemarkt ist erfreulich und wir sollten es schätzen, wenn die Käsebranche in der schwierigen wirtschaftlichen Situation derart erfolgreich ist. Wie oben erwähnt wird ab 2021 der Buttermarkt wegen der ­höheren Menge Milchfett im Veredelungsverkehr etwas entlastet. Dafür haben wir die Instrumente angepasst.

Wie wird sich die Corona-Krise auf den allgemeinen Milchmarkt auswirken?

Im Vergleich zum Ausland ist die Schweizer Milchbranche gut durch die Krise gekommen. Die Nachfrage blieb stabil bis steigend. Die Milchverarbeiter standen im Frühjahr vor der Herausforderung, auf die verändernde Nachfrage zu reagieren und die Produktepalette anzupassen. Zudem waren der Milchhandel und die Verarbeiter gezwungen, in ihren Betrieben Schutzkonzepte umzusetzen, damit der Betrieb gesichert ist. Letztlich gehören sie zu den sogenannten «systemrelevanten» Bereichen. Auch das ist mit grossem Aufwand gut gelungen.

Schauen wir mal in die Glaskugel. Mit welchem Milchpreis dürfen die Milchproduzenten im 2021 rechnen?

Der Vorstand hat im November eine A-Richtpreiserhöhung von zwei Rappen auf den 1. Januar 2021 beschlossen. Damit steigen die Preise auf Anfang Jahr. Für den weiteren Verlauf rechne ich mit einer stabilen Situation. Allerdings ist in den letzten Monaten so viel passiert, dass jede Prognose relativ schnell von der Wirklichkeit überholt wird.

Der Milchpreis hängt auch stark mit dem internationalen Milchmarkt zusammen. Wie sehen die Prognosen hier aus?

Wir sind in der Schweiz wegen des Käsefreihandels tatsächlich sehr stark mit dem europäischen Milchmarkt verbunden. Vor allem dank der Segmentierung schlägt sich der tiefe EU-Milchpreis nicht eins zu eins auf den Molkereimilchmarkt nieder. Weltweit steigt die Milchproduktion kontinuierlich an, gleichzeitig steigt auch die Nachfrage in etwa im Gleichschritt. Auch hier ist eine Prognose schwierig. Nachdem sich die grossen Turbulenzen im Frühjahr 2020 wieder gelegt haben, rechne ich mit stabilen oder sogar leicht höheren Preisen.