Mitte April sind die Kühlzellen mit Pflanzkartoffeln bei Terralog in Rüdtligen-Alchenflüh BE fast leer. Während draussen die Knollen der neuen Saison im Boden sind, rollen im Innern der Terralog Lagerkartoffeln der letzten Ernte über die Förderbänder. «Vor Ostern haben wir Hochbetrieb beim Abpacken», sagt Stefan Hager, Bereichsleiter Beschaffung. Der Grund sind Aktionsangebote im Detailhandel. 80 Prozent der Speisekartoffeln von Terralog landen mehrheitlich in Papiersäcken im Migros-Regal.
Neue relevante Kunden
Der wichtigste Kunde für Industriekartoffeln von Terralog sei die Kadi AG in Langenthal BE, fährt Stefan Hager fort. «Seit der Corona-Pandemie haben wir ausserdem eine wachsende Nachfrage aus der Gastronomie.» Früher hätten Restaurants mit Tiefkühl-Frites gearbeitet, heute weiten sie ihr Angebot auf handgemachten Pommes aus. «Das sind ziemlich relevante Kunden geworden», so der Bereichsleiter.
Als Bindeglied zwischen Kartoffelproduktion und -verarbeitung bzw. -vermarktung bekommt Terralog Entwicklungen auf beiden Seiten mit und spielt eine Art Vermittlerrolle. Umso mehr, als dass sich der Kartoffelmarkt vor einigen Jahren grundsätzlich gewandelt hat. «Bis 2018 hat man sich gegen höhere Anbauvolumen gewehrt», schildert Stefan Hager. «Es gab sehr viele Kartoffelbauern und der Umgang mit ihnen seitens der nachgelagerten Stufen war entsprechend restriktiv.» Die geforderte Qualität zu erreichen, war Sache des Landwirts und wenn das nicht gelang, gab es für die Abnehmer genügend Alternativen.
Das sei heute anders. «Jetzt reden wir bereits bei der Anbauplanung mit unseren Produzenten über zugesicherte Preise und begleiten sie über das ganze Jahr hinweg», so Hager. Für Handel und Branche war es seiner Meinung nach heilsam, sich auf diese Weise bewegen zu müssen. Mittlerweile sieht Terralog in der Beratung zu Anbau und Sortenwahl eine ihrer Hauptaufgaben.
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Ansprüche vereinbaren
So ist ein neues Miteinander entstanden. Terralog – selbst mit je drei Produzenten und drei Markt-Fachpersonen im Verwaltungsrat zur Hälfte in der Hand der Bauern – koordiniert Anbau und Nachfrage. «Man kann sich fragen, wofür es den Schalter zwischen Produktion und Detailhandel braucht», räumt Stefan Hager ein, «es könnten sich ja auch mehrere Landwirte zusammentun und gemeinsam das Abpacken organisieren.» Aber gewisse Verarbeiter wollten nur eine Sorte, etwa Agria für goldgelbe Pommes Frites. «Und wenn man Landwirte für Agria gewinnen will, suchen sie schnell das Weite», weiss Hager.
Um beide Ansprüche in Einklang zu bringen, schnürt Terralog bei Bedarf ein Paket für seine Produzent(innen): Als Ergänzung zur Fläche mit Agria wird zum Beispiel der Anbau einer robusten Testsorte vereinbart. Allenfalls übernimmt Terralog einen Teil des Anbaurisikos, um dem Produzenten eine wirtschaftliche Abrechnung zu ermöglichen. Für jeden Direktlieferanten gibt es eine massgeschneiderte Anbauplanung und Sortenempfehlung, wobei das Pflanzgut nicht zwingend von Terralog bezogen werden muss.
Robuste Sorten sind in der Kartoffelbranche ein grosses Thema. Man hat sich auf das Ziel geeinigt, dass bis 2040 auf 80 Prozent der Flächen solche Züchtungen angebaut werden. «Aber Robustheit ist nicht mit einer Resistenz gegen Kraut- und Knollenfäule gleichzusetzen», erklärt Carmen Bögli, Junior Product Managerin Pflanzkartoffeln bei Terralog. Während ein Schweizer Landwirt genau diese Eigenschaft von robusten Sorten erwartet, steht im internationalen Kontext vielmehr die Toleranz gegenüber Hitze und Trockenheit im Vordergrund, oder die gute Lagerfähigkeit der Knollen. Denn der mengenmässig bedeutendste Teil der weltweiten Kartoffelproduktion findet in Gebieten statt, in denen die Kalorienproduktion stärker gewichtet wird als die Ökologie.
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Dänemark im Aufschwung
Die beschränkte Verfügbarkeit von Pflanzgut alternativer Sorten sei derzeit eine grosse Herausforderung, fährt Carmen Bögli fort. 2024 war für die Pflanzgutproduktion insgesamt im Inland ein Desaster und auch im Ausland waren Pflanzkartoffeln rar, Importe daher schwierig. «Wir verkaufen pro Jahr etwa 6600 t Pflanzkartoffeln, wobei der Anteil Importware zunimmt.» Das liege an zu geringer Inlandproduktion und an der steigenden Nachfrage nach jungen Sorten, die in der Schweiz noch nicht vermehrt werden. Dass Landwirt(innen) nach guten Erfahrungen mit einer Sorte ungern eine andere anbauen, gelte im Übrigen auch für Pflanzgutproduzenten.
Die Produktion im Norden Europas, etwa Dänemark und Finnland, gewinne an Bedeutung: «Der Anbau dort profitiert vom Klimawandel und die Schädlinge und Krankheiten, mit denen wir zu kämpfen haben, treten dort Stand heute weniger auf», erklärt Stefan Hager.
Zwar gibt es hierzulande eine Vermehrung von Pflanzkartoffeln, aber keine Kartoffelzucht im grösseren Massstab. «Kartoffeln werden vor allem in Frankreich, Holland und Deutschland gezüchtet», sagt Stefan Hager. «Die Entwicklung einer Sorte dauert 10–15 Jahre und sie ist anschliessend nur in sehr kleinen Mengen verfügbar», ergänzt Carmen Bögli. Für internationale Züchter sei der Schweizer Markt schlicht irrelevant, der Anbau hierzulande trage gerade mal 0,06 Prozent zur weltweiten Kartoffelfläche bei. Entsprechend gibt es kaum eine massgeschneiderte Kartoffelsorte für Schweizer Bedingungen, und es kann passieren, dass eine hierzulande aussichtsreiche neue Sorte plötzlich aus dem Zuchtprogramm fällt – so geschehen bei Acoustic, die relativ widerstandsfähig gegen Krautfäule ist.
Kartoffeln «cool machen»
«Agroscope testet jedes Jahr neue Sorten. Sofern von einer neuen, noch jungen Sorte genügend Pflanzgut vorhanden ist, testen wir diese in unserem Anbau ebenfalls», erläutert die Produktmanagerin Bögli. Die Eigenschaften, die eine neue Sorte aus Sicht von Terralog mitbringen sollte, widerspiegeln die Anforderungen des Unternehmens: Sie muss auf Schweizer Feldern gut funktionieren, aber auch die innere und äussere Qualität, Lagerbarkeit, Koch- und Verarbeitungseigenschaften müssen stimmen.
Hinzu kommen Überlegungen zu Verlusten bzw. Abschnitten. «Die Gastronomie wünscht sich grosse Kartoffeln, weil sie schneller in grosser Menge geschält sind», verdeutlicht Carmen Bögli. Muster neuer Sorten gehen zur Beurteilung ebenso an die Industriekunden von Terralog. «Wenn es Verarbeitungskartoffeln sind, müssen wir zuerst abklären, ob sich eine im Anbau geeignete Sorte auch verkaufen lässt.» Man versuche daher, eine ausreichend grosse Testcharge aus dem Ausland zu organisieren, die Referenzmuster für die Verarbeiter zulässt.
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Bei Speisekartoffeln geht der Trend eher zu kleinen Knollen, die rasch gar sind. Die Sorte sei für den Detailhandel zweitrangig, bestellt werde nach Kochtyp (mehlig- oder festkochend) sowie nach Label. Mit dem Ziel, Speisekartoffeln «cool zu machen» hat Terralog vor einigen Jahren u.a. «So Potatoh!» auf den Markt gebracht. Dabei handelt es sich um kleine Kartoffeln, die in einer Kartonschale mit einem Beutel Marinade in zwei möglichen Varianten verkauft werden und durch einfache, schnelle Zubereitung punkten sollen. «Es wird nur noch gekocht, was schnell geht – wenn man noch etwas schälen muss, ist der Zug schon abgefahren», so Stefan Hager.
Die Konkurrenz für Speisekartoffeln sind Teigwaren und Reis. Der Pro-Kopf-Konsum ging in den letzten Jahren kontinuierlich um 1–2 Prozent zurück. Da es für die Knollen etwas mehr Zeit in der Küche braucht, sei die Qualität umso wichtiger. Sonst gebe es kaum ein Argument mehr, dass sie gegenüber einfachen und billigeren Teigwaren attraktiv halte. Leider werde der Wert der Kartoffel oftmals im privaten Haushalt nicht mehr bewusst wahrgenommen. So sind die Knollen zum Beispiel auch für Konsument(innen) mit Intoleranzen problemlos geniessbar.
Frage um Einzelkulturbeitrag
Für Terralog sind sowohl Menge als auch Qualität wichtig, um ihre Kundschaft bedienen zu können. Das setzt eine ausreichende Anbaubereitschaft voraus. «Der Kartoffelanbau ist professioneller geworden und ist attraktiv», findet Stefan Hager, «aber wir müssen einiges dazu tun, damit er attraktiv bleibt.» Er spielt damit auf die Beratungstätigkeit von Terralog an, die auch Veranstaltungen durchführt, um potenziellen Neuproduzenten Anbau und Markt zu erklären. Es geht aber auch um die Politik. «Für Kosumkartoffeln gibt es keinen Einzelkulturbeitrag», konstatiert er. Da stelle sich vor allem bei Betrieben, die nicht selbst für den Kartoffelanbau mechanisiert sind, die Frage, ob man sich die hohen Investitionen überhaupt antun will. Wo doch etwa bei Zuckerrüben 2 100 Fr./ha an Einnahmen via Einzelkulturbeitrag quasi staatlich garantiert sind.
Fände Hager einen Einzelkulturbeitrag für Kartoffeln wünschenswert? «Aus Sicht der Anbaubereitschaft eher ja, damit wäre die Wirtschaftlichkeit der Kultur nicht ausschliesslich vom Ertrag abhängig.» Das Anbaurisiko könnte zusätzlich minimiert werden. «Aus Sicht der Qualität sage ich aber Nein», fährt Hager fort. Er befürchtet, dass darunter die Qualität der Knollen leiden könnte, da sie für den Erlös nicht mehr ein so wichtiger Faktor wäre. Und ein Qualitätsverlust wäre aus Sicht des Bereichsleiters fatal, «dann würden Alternativen zu Kartoffeln bevorzugt.»
In Zahlen
65 000 Tonnen Kartoffeln vermarktet Terralog pro Jahr.
16 000t können am Standort Rüdtligen BE gelagert werden.
80 % der Speisekartoffeln gehen an die Migros.
80 % der Industriekartoffeln verarbeitet die Kadi AG.
67 Sorten wurden 2024 für Terralog angebaut, was 203 verschiedene Kombinationen mit Labels wie «Aus der Region», IP-Suisse usw. ergibt.
51 % des Handelsvolumens der Terralog entfallen auf Frites-Sorten,
12 % auf Chipssorten und
37 % sind Speisekartoffeln, deren pro-Kopf-Konsum in der Schweiz in den letzten Jahren 1–2 % jährlich gesunken ist.