Zähneknirschen war nach der ausserordentlichen Delegiertenversammlung der Branchenorganisation Milch (BOM) auf beiden Seiten zu hören. Somit scheint das neue Stützungsmodell ein echter Kompromiss zu sein. Es sei in vielerlei Hinsicht ein ausserordentliches Jahr, begrüsste der Präsident Peter Hegglin: «Trotz Corona sind die Preise für die Produzenten stabil. Dafür sind die Instrumente der BOM mitverantwortlich».
Mehr Sensibilität der Verarbeiter wäre wünschenswert
Doch als die BOM 2009 gegründet wurde, dachte niemand, dass das Milchfett knapp würde. So sind ihre Instrumente darauf ausgelegt, den Export von Milchfett zu stützen. Und das taten sie auch dann, als es im Inland zu wenig Butter hatte. Und doch mochte die Produzentenseite nicht nur der BOM die Schuld geben, dass nun Importbutter in den Regalen steht. Die Delegierten der Produzenten wandten sich mit eindringlichen Appellen an die Verarbeiter. So betonte Martin Hübscher von der Milchvermarktungsorganisation Mooh: «Ich vermisse von den Verarbeitern Sensibilität am Markt. Von Produzentenseite begreifen wir es kaum, wenn mit unserem Geld Butter exportiert wird, während es im Inland zuwenig hat». Im Hinblick auf das neue Stützungsmodell betonte er: «Wir würden nicht verstehen, wenn wir nun vom Buttermangel direkt in den Überschuss rutschen». Er wünschte sich ausserdem volatilere Märkte, damit auch Preiserhöhungen bei den Produzenten ankommen und nicht nur Senkungen.
Lieber zu wenig Butter, denn das ist auch gesund
Jacques Gygax, Direktor der Fromarte betonte, man werde das neue Modell unterstützen. Es brauche jedoch gleichlange Spiesse für alle und der Markt müsse im Gleichgewicht bleiben: «Das neue System darf sich nicht zu Ungunsten des Käses auswirken», warnte er. Auch Peter Hegglin warnte davor, die gut laufende Käselokomotive zu bremsen. In dieselbe Kerbe schlug BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler: «Aus Sicht der Produzenten haben wir lieber etwas zuwenig Butter als zuviel». Und unter dem Strich sei es ein gutes Geschäft, hochpreisigen Käse zu exportieren und dafür Butter zu importieren. Jedoch sei es schwer verständlich, dass ausländische Butter für den Markt gesund sei.
Wann die Butter knapp ist, bestimmt der Vorstand
Das Reglement der BOM wurde so angepasst, dass nun auch der Fall der Butterknappheit darin abgedeckt ist. Die Definition, wann Butterknappheit herrscht und wann Überschuss, obliegt dem Vorstand. Eine Begleitgruppe soll quartalsweise die Lage auf dem Buttermarkt überprüfen und die Verwertung der Fondsgelder überwachen.
Ziel sei es einen verantwortungsvollen Weg zu gehen, betonte Peter Hegglin. In Kraft tritt das Reglement, das die Delegierten ohne Gegenstimme absegneten, am ersten Januar und ist befristet bis zum 30. Juni 2022. Ab dann wird jeweils über die Verlängerung um ein Jahr befunden. Neu wird bei Butterknappheit das Geld aus dem Fonds Regulierung je hälftig in die neu geschaffene MCP-Box und die Hauptbox umgeleitet. Somit fällt dann die Butterexportstützung weg, stattdessen werden Milcheiweisskonzentrate für die Humanernährung beitragsberechtigt. Die Reserve im Fonds reicht für rund sechs Monate, erst dann muss er gespiesen werden. Andreas Hitz, der bei der BOM die Zentralschweizer Milchproduzenten und die Milchproduzenten Mittelland vertritt, betonte: «Wir sind überzeugt, es bringt Ruhe in den Markt, und unterstützen daher dieses Modell». Er erwarte aber, dass die stützungsbedingt besseren Preise vollumfänglich bei den Produzenten ankämen.
Hinterberger wurde gewählt
Neben dem Buttergeschäft hatte die BOM auch Wahlen auf dem Programm. Auf den zurücktretenden Christian Oberli, ein Gründungsmitglied der BOM, der die Ostschweizer Milchverarbeiter vertrat, folgt Andreas Hinterberger aus Gais AR. Dessen Posten als Supleant übernimmt Benoît Kohli aus Praroman FR.
Die Position von Elsa
Nicht direkt bei der BOM mitreden konnte die Migros–tochter Elsa, die 2017 aus der BOM austrat. Ein Wiedereintritt sei kein Thema, gibt Lukas Barth, Leiter Agrarpolitik M-Industrie und Milchbeschaffung bei Elsa, bekannt.
Durch VMI vertreten
Man habe sich im Rahmen der Vereinigung Schweizerischer Milchindustrie (VMI) mit den Entwürfen auseinandergesetzt und die Sichtweise eingebracht. Die Haltung der VMI in der BOM sei ein Kompromiss auf Stufe industrieller Milchverarbeiter. Zur Frage wie sich Elsa zum neuen System stelle, meint Lukas Barth: «Wir begrüssen es sehr, dass in Phasen von Milchfett-Knappheit die Gewichtung zwischen Fett und Protein bei der Festlegung der Stützungshöhe angepasst werden kann. Milchfett soll in solchen Phasen prioritär im Inland abgesetzt und nicht mit Steuergeldern exportiert werden».
Verwerfungen am Markt
Aus ordnungspolitischen Gründen und als einer der grössten Nettozahler des Systems beurteile Elsa die Schaffung von neuen Fördertatbeständen als äusserst kritisch. Die Energie solle in die Entwicklung der Produkte und Absatzkanäle investiert werden und nicht in die Verfeinerung von bereits komplexen Systemen, die zu Verwerfungen auf den Märkten führten. Die Frage nach der Butterstrategie von Elsa beantwortet Lukas Barth nicht. Ebenfalls nichts sagen möchte er zur Frage, wie die Konsumenten auf die Importbutter reagieren.