Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli sah die grosse Anzahl anwesender Delegierten an der DV in Olten als Zeichen dafür, wie sehr die traktandierten Themen beschäftigen. Er hatte denn auch Mühe, sich zu Beginn Gehör zu verschaffen. Mehrmals war er im Verlauf des Vormittags sprachlos, was allerdings der Technik geschuldet war – die Mikrofone stiegen wiederholt aus. Als wirklich umstritten stellte sich in den Abstimmungen aber keines der Geschäfte heraus.
Weitergehende Regeln beim Auslauf
Dass mit den neuen RAUS-Bestimmungen des Bundes pro GVE neu vier Aren Weideflächen zur Verfügung stehen sollen, soll nicht automatisch auch für Bio-Tiere gelten. Mit der Ergänzung eines «mindestens» in den Grundsätzen der Richtlinien haben die Delegierten zugestimmt, dass die Anforderungen der Knospe über RAUS hinausgehen können. Was genau das heisst, wird in den Weisungen noch ausgearbeitet werden müssen. Nach dem Votum von Sepp Sennhauser, Bio Ostschweiz, hielt Urs Brändli allerdings fest, was nicht kontrollierbar oder umsetzbar sei, mache definitiv keinen Sinn. Sennhauser hatte argumentiert, mit der Vorgabe, 25 Prozent des TS-Tagesbedarfs an Weidetagen durch Weidefutter zu decken, stehe man «mit einem Bein in den Sanktionen», da dies kaum zu kontrollieren sei – anders als die vier Aren des Bundes.
Kein Verbot für Mähaufbereiter
Die Kontrollierbarkeit war auch Thema beim Antrag der Bergheimat, den Mähaufbereiter für Bio-Betriebe ab 2025 zu verbieten. Der Vorstand sprach sich dagegen aus mit der Begründung, das Gerät könne zur Ausnutzung kurzer Schönwetterperioden nützlich sein – insbesondere angesichts der Herausforderung, für Wiederkäuer genügend Raufutter von hoher Qualität bereitzustellen. Man empfehle aber, den Einsatz von Aufbereitern auf ein Minimum zu reduzieren.
«Empfehlungen reichen nicht aus und ihre Einhaltung ist nicht zu kontrollieren», gaben die Antragssteller zu bedenken. Daher brauche es ein Verbot. Doch die Delegierten lehnten es aber mit grosser Mehrheit ab, wonach Urs Brändi versicherte, das Thema sei für den Vorstand nicht vom Tisch: «wir wollen überlegen, wie wir noch besser werden können». Hier verwies er auf die Kampagne «Schlaumäher» des Schweizer Bauernverbands.
«Das ist kein Hüst und Hott»
Mit dem Thema Mähaufbereiter war die Diskussion zum Thema Biodiversität schon lanciert. Urs Brändli reagierte auf Vorwürfe in der Agrarpresse, Bio Suisse verhalte sich bei der Vorgabe von 3,5 Prozent Acker-BFF ab 2024 inkonsequent. Der Verband hat sich für eine Verschiebung dieser Massnahme auf 2025 ausgesprochen und will ausserdem den Massnahmenkatalog erweitern. «Das ist kein Hüst und Hott», betonte der Präsident, «viele der Massnahmen, z. B. Getreide in weiten Reihen, sind für Bio-Betriebe je nach Boden kaum umsetzbar», argumentierte der er. Im Übrigen würde bei einer Pflicht für 25 m2 Solar auf jedem Dach auch niemand einem Hausbesitzer mit deren 50 m2 weitere 25 m2 Zubau vorschreiben, erklärte Brändli seinen Standpunkt an einem Beispiel: «Warum sollten noch mehr BFF ausgeschieden werden, wenn bereits mehr als 3,5 % BFF auf Ackerflächen vorhanden sind?». Alles über einen Leist zu schlagen, das sei inkonsequent, daher werde sich Bio Suisse auch bei der Laka des Schweizer Bauernverbands für Änderungen einsetzen.
«Diese Einsicht des Vorstands hätte uns etwas früher mehr genützt», bemerkte Sepp Sennhauser. Vor einigen Wochen habe Brändli sich dazu noch ganz anders geäussert, «aber das nur unter uns». In der Laka werde Bio Suisse damit auf offene Ohren stossen, ist sich der Co-Präsident von Bio Ostschweiz sicher.
Die Parolenfassung ist vertagt
Bio Ostschweiz war es zu verdanken, dass die Delegierten über die Parolenfassung zur Biodiversitäts-Initiative abzustimmen hatten. Im Januar hat der Vorstand von Bio Suisse die Ja-Parole zur Initiative und deren Gegenvorschlag beschlossen, «das sorgte aber für Diskussionen», erläuterte Martin Bossard, Leiter Politik. Die Initiative verspreche mehr Sicherheit sowie schnellere und konsistentere Entscheide in Sachen Biodiversität und das Parlament habe mit der Streichung des konkreten Flächenziels und mehr Mitbestimmung der Kantone den Gegenvorschlag entschärft. Der Teil über die Baukultur werde überdies ausgelagert.
Eine Mogelpackung nannte Sepp Sennhauser die Initiative und warnte vor weiteren Vorschriften zum Bauen, das in der Landwirtschaftszone bereits jetzt allzu schwer sei. «Wir haben langsam genug», meinte er zu der stetig steigenden Anzahl Vorschriften von Behördenseiten. Die Mitglieder von Bio Ostschweiz hätten die Initiative in der Mehrheit abgelehnt. Im Übrigen sei beim Gegenvorschlag die definitive Fassung noch unbekannt und der Zeitpunkt für eine Parolenfassung daher zu früh.
«Wir wissen noch nicht, was zur Abstimmung kommt», bestätigte Urs Brändli. Der Vorstand beantragte, an der Versammlung keine Parolen zu fassen und eine vorläufige Ja-Position einzunehmen, was keiner Parole gleich komme. Vielmehr wolle Bio Suisse die Leistungen der Bio-Betriebe im Bereich der Biodiversität betonen (wie schon bei der Massentierhaltungs-Initiative in der Tierhaltung) und den Gegenvorschlag nur unterstützen, wenn folgende Eckpunkte eingehalten werden:
- Starker Einbezug der Kantone
- Keine Prozentzahl für die Schutzgebiete
- Streichung aller Baukultur-Elemente
- Angemessene Vergütung zusätzlicher Aufwände
Nach kurzer Beratung zog Bio Ostschweiz ihren Antrag zurück, somit ist die Parolenfassung für die Biodiversitäts-Initiative vertagt. Sepp Sennhauser gab aber zu bedenken, es gebe eben einen wichtigen Unterschied zwischen einer Parole und einer Position, den es in Zukunft besser zu beachten gelte.
[IMG 3]
«Gesamtbetriebliche Fachrichtung wäre nicht mehrheitsfähig»
Demeter hatte beantragt, bei der Revision der landwirtschaftlichen Grundbildung das Modell «3+1» in zwei Dingen nachzubessern: Es sollte eine gesamtbetriebliche Bio-Fachrichtung geben, die sowohl Pflanzenbau als auch Tierhaltung nach den Bio-Vorschriften in einem Jahr vermittelt. Ausserdem müsse der bio-organische dem bio-dynamischen Landbau in den vorgeschlagenen Reglementen gleichgestellt werden, damit wie bisher die Demeter-Lernenden von der erkämpften Mobilität und Zuweisungspraxis der Kantone profitieren können. «Eine gesamtbetriebliche Bio-Fachrichtung wäre in der OdA nicht mehrheitsfähig», entgegnete Urs Brändli dem Antrag. Ausserdem ginge damit eine deutlich kleinere Lektionenzahl einher, als in zwei entsprechenden konventionellen Fachrichtungen.
Zwar lehnten die Delegierten den Antrag von Demeter klar ab, Bio Suisse wird sich aber weiter an der Vernehmlassung zur Revision der Grundbildung beteiligen. Da sei man stark engagiert, versicherte Brändli.
Kein Geld für die Ausbildung blockieren
Migros trägt zum Loch in der Kasse bei
Ausführlich erläuterte Nicole Strebel die Jahresrechnung, die mit einem Minus von 132'000 Franken für 2022 abschliesst. Schon früh hatte der Verband merken müssen, dass das ursprüngliche Budget nicht eingehalten werden kann und entsprechend Sparbemühungen in die Wege geleitet. Neben der Wirtschaftslage trugen Verzögerungen bei der Einführung der Bio-Knospe bei der Migros entscheidend zum Minus bei. Denn die Lizenzgebühren sind mit Abstand die grösste Einnahmequelle des Verbands. Für 2023 ist ein starker Ausbau des Knospe-Sortiments in den Migros-Regalen geplant, so Bio-Suisse-Geschäftsführer Balz Strasser. Er sprach von einer Vervierfachung der Anzahl Produkte.
Mit Matthias Wunderlin, Marketing-Leiter bei der Migros, war ein hoher Vertreter der Detailhändlerin als kurzfristig angekündigter Überraschungsgast an der DV von Bio Suisse. Bio müsse aus der Nische heraustreten, erklärte er, denn ohne einen deutlich höheren Anteil Bio im Sortiment könne die Migros ihre Klimaziele nicht erreichen. «Wir fühlen uns aber auch den Haushalten mit tiefem Einkommen verpflichtet», ergänzte Wunderlin. Daher agiere man im Spannungsfeld zwischen tiefen Konsumenten- und fairen Produzentenpreisen. «Das können wir nur zusammen ausbalancieren», meinte er.
«Bio Suisse sucht 500 neue Bio-Betriebe, aber warum setzt man so stark auf Umsteller?», fragte Stefan Wyss von der Schweizer Bergheimat. Nach Meinung dieser Organisation sollte Bio Suisse mehr finanzielle Mittel in die Aus- und Weiterbildung im Bio-Bereich investieren. Ein fixer Anteil von 0,5 Prozent bzw. später 1 Prozent der Jahresbeiträge aus den Taschen der Produzent(innen) sollten dafür fix zur Verfügung gestellt werden. Der Vorstand nahm eine ablehnende Haltung ein, denn es stünde bereits genügend Geld für die Bio-Bildung zur Verfügung bzw. würden die Mittel gar nicht ausgeschöpft. «Wenn mehr nötig ist, können dazu Anträge zum Budget gemacht werden», ergänzte der Präsident. Das Geld solle aber nicht zweckgebunden blockiert werden.
Diskussionslos schlossen sich die Delegierten in der Mehrheit dem Vorstand an und lehnten den Antrag ab.
Einigkeit beim Wolf und der Gentechnik
Keinen Diskussionsbedarf gab es an der Versammlung in Sachen Grossraubtiere und neue gentechnische Verfahren (NGV). Ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen stimmten die Anwesenden einer Resolution von Bio Suisse gegen NGV bzw. für deren Regulation als Gentechnik zu. Ausserdem wird der Vorstand eine generelle Haltung zur Grossraubtieren und Wolf ausarbeiten, die auch nach aussen kommuniziert werden soll. «Wir müssen den Konsumenten die Befindlichkeit in der Landwirtschaft näherbringen», ist Urs Brändli überzeugt. Es gehe darum, das Leid und die Belastung zu erklären, denn mit Schockbildern sei nichts zu erreichen. Bis im Juni soll die Kommunikation dazu stehen, die sich für eine Regulation der Wolfspopulation ausspricht.
Glarnerin neu im Vorstand
Per April 2023 tritt Claudio Gregori aus dem bündnerischen Bergün aus dem Vorstand von Bio Suisse zurück, um sich anderen Projekten zu widmen. An der DV wurde mit einem klaren Ja von 83 Prozent Rahel Beglinger-Urner aus Mollis GL zu seiner Nachfolgerin gewählt. Sie ist vierfache Mutter, Bäuerin und Älplerin. Für ihre neue Aufgabe im Bio-Suisse-Vorstand will sie ihre bisherige Tätigkeit als Ergotherapeutin, die sie jeweils im Winter ausgeführt hatte, aufgeben. Beglinger-Urner übernimmt das Ressort Qualität. «Ich habe grosse Motivation zum Mitgestalten, für den Austausch und finde den Markt spannend», erklärte die Glarnerin. Sie wisse aber auch um die damit verbundene Verantwortung und habe entsprechenden Respekt vor dem Amt.
[IMG 2]



