Bio-Lebensmittel sind gefragt, entsprechend entwickelt sich der Schweizer Bio-Markt in den vergangenen Jahren sehr dynamisch. Gerade während des Lockdowns hat der Umsatz mit Bioprodukten bei den Schweizer Detailhändlern um bis zu einem Drittel zugelegt. Dabei sind die Vorgaben für die meisten Schweizer Produzenten streng, wie ein Vergleich mit dem EU-Raum zeigt.
Ähnliche Bio-Verordnungen
Die Schweiz regelt die Grundlagen des Anbaus und der Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln in der Verordnung über die biologische Landwirtschaft und die Kennzeichnung biologisch produzierter Erzeugnisse und Lebensmittel, die meist kurz einfach «Bio-Verordnung» genannt wird. Auch die EU kennt eine solche Verordnung. Die beiden Verordnungen unterscheiden sich kaum von einander, denn die Schweiz ist aufgrund des Äquivalenzabkommens dazu verpflichtet, ihre Vorgaben regelmässig an diejenigen der EU anzugleichen, wenn sie ihre Bioprodukte in den EU-Raum exportieren will. Viele Schweizer Bio-Labels, allen voran Bio Suisse und Demeter, setzen jedoch auf strengere Richtlinien, als sie die Bio-Verordnung vorgeben (Beispiele siehe Kasten).
Gesamtbetrieblichkeit in der Schweiz
Für viele Bio-Produzenten ist das Arbeiten und Produzieren nach Bio-Richtlinien nach wie vor auch eine ideelle Angelegenheit, die sie aus Prinzip gewählt haben. Trotzdem gibt das Konzept der Gesamtbetrieblichkeit immer wieder Anlass zu Diskussionen. So schreiben die Schweizer Regelwerke grundsätzlich vor, dass Biobetriebe in allen Produktionszweigen nach den entsprechenden Vorgaben arbeiten müssen. Ausnahmen gewährt die Zertifizierungsstelle nur unter bestimmten Bedingungen, etwa zu Forschungszwecken, oder wenn eine Produktionsstätte innerhalb eines konventionell produzierenden Betriebs eigenständig und ganzjährig nach den Bio-Richtlinien geführt werden kann. Auch bei der Umstellung von konventioneller auf Bioproduktion, die normalerweise zwei Jahre dauert, besteht ein gewisser Spielraum. Kann die Umstellung beispielsweise nicht innert zweier Jahre abgeschlossen werden, kann sie schrittweise und über einen maximalen Zeitraum von fünf Jahren vollzogen werden.
Gesamtbetrieblichkeit in der EU
Die EU-Bioverordnung handhabt die Gesamtbetrieblichkeit lockerer als ihr Schweizer Pendant: das Prinzip wird nicht vorgeschrieben. Ein EU-Bio-Produzent kann somit seinen Betrieb in konventionelle und Bio-Produktionseinheiten unterteilen. Während eine Kultur nach ökologischen Richtlinien anbaut und verarbeitet wird, kann auf demselben Betrieb alles andere konventionell produziert werden. Damit die Bioprodukte aber das entsprechende Label erhalten, muss die Kultur insgesamt, also die ganze Produktionseinheit, nach den Bio-Richtlinien produziert werden.
Unterschiede beim Pflanzenschutz
Der Biolandbau sieht grundsätzlich ein mechanisch-maschinelles Vorgehen gegen Unkräuter vor. Sowohl die Richtlinien der EU als auch der Schweiz erlauben keinerlei chemisch-synthetische Mittel. Die Bio-Verordnungen erlauben jedoch eine Reihe von Pflanzenschutzmitteln auf biologischer oder mineralischer Basis, wie etwa Kupfer oder Schwefel. Dabei gelten Höchstmengen, die pro Jahr und Hektare ausgebracht werden dürfen. Beide Bio-Verordnungen lassen auch hier einen gewissen Spielraum offen: Angesichts einer starken Vermehrung des Kartoffelkäfers im Sommer 2018 wurde neben dem im Biolandbau freigegebenen Mittel Novodor auch die Verwendung der Wirkstoffe Azadirachtin und Spinosad erlaubt. Beide Wirkstoffe sind in der EU gemäss der EU-Bio-Verordnung auch im biologischen Landbau erlaubt. Bio Suisse gibt auch in Sachen Pflanzenschutz strengere Regeln vor als die Bio-Verordnung. So sind etwa die erlaubten Kupfermengen kleiner und auf biologische Unkrautvertilgungsmittel muss verzichtet werden. Neben dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln setzen Biolandwirte auch auf Sorten, die gegen diverse Krankheiten resistent sind.
Verwirrend für die meisten
Die Orientierung im «Bio-Label-Dschungel» ist nicht nur für Konsumentinnen und Konsumenten schwierig. Auch Produzenten müssen eine Vielzahl von Listen, Verordnungen und Reglementen kennen. Dafür ist Fachwissen vonnöten, das regelmässig aufgefrischt werden sollte.
Unterschiede EU-Bio, CH-Bio, Bio Suisse
Die Richtlinien von Bio Suisse sind teilweise weit strenger, als diejenigen der Bio-Verordnungen, wie die folgenden drei Beispiele zeigen.
Förderung der Biodiversität
Die EU-Bio-Verordnung enthält keine Vorgaben zur Förderung der biologischen Vielfalt. Anders die Schweizer Verordnung: Sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche (3,5 % bei Spezialkulturen) müssen Biodiversitätsförderflächen sein. Auch die Richtlinien von Bio Suisse geben die 7 % vor, zusätzlich müssen aber auch zwölf Massnahmen aus dem Katalog zur Förderung der Biodiversität erfüllt sein. Diese Liste mit 60 möglichen Massnahmen umfasst beispielsweise die Erhöhung der Strukturvielfalt (Hecken, Bächlein, Tümpel, Trockensteinmauern usw.), den Anbau gefährdeter oder alter Sorten, eineErhöhung der Sortenvielfalt, den Verzicht auf bestimmte Mähgeräte und vieles mehr.
Vorschriften zur Verarbeitung
Die Schweiz und die EU regeln in ihren Bio-Verordnungen auch die Verarbeitung der Produkte. So herrscht beispielsweise ein Bestrahlungs- und Gentechnikverbot. Darüber hinaus müssen Bioprodukte sorgfältig verarbeitet werden. Dabei sollen vor allem biologische, mechanische und physikalische Methoden zum Einsatz kommen. Die Vorschriften von Bio Suisse gehen über diese Mindestanforderungen hinaus. Produkte mit Knospe-Label dürfen keine chemische Veränderung erfahren, auch die Mikrowelle ist tabu. Bio Suisse erlaubt auch keinen Saft aus Konzentrat (ausser bei Apfelschorle), keine sterilisierte Milch, keine Fettstandardisierung bei Vollmilch und keine Mehrfachpasteurisierung der Milch.
Einsatz von Zusatzstoffen
Die Bio-Verordnungen der EU und der Schweiz regeln beispielsweise auch die Verwendung von Zusatzstoffen, landläufig als «E-Nummern» bekannt, in den Bioprodukten. Sie erlauben den Einsatz von 47 Zusatzstoffen wie etwa Milch- oder Zitronensäure, Agar Agar oder Pektin. Bio Suisse regelt den Einsatz von Zusatzstoffen strenger: Erlaubt sind produktspezifisch 34 zusätzliche Ingredienzien, sofern sie technologisch notwendig sind, wie etwa Backpulver. Zusätzliche Aromen dürfen nicht verwendet werden, auch wenn es sich um natürliche Aromastoffe handelt. Ebenso verboten ist die Zugabe von Farbstoffen. So darf etwa ein Erdbeerjoghurt nicht mit Randensaft gefärbt werden.