Der Biolandbau stand in der letzten Zeit öfter in der Kritik. Seine grosse Herausforderung ist, dass er trotz wertvollen Lösungsansätzen am Markt kaum vom Fleck kommt. Der «Bio-Boom» existiert – leider – nicht. Das Gros der Konsumenten kauft ab und zu spezifische Bioprodukte, wie kürzlich in einer Schweizer Umfrage 80 % zu Protokoll gaben.
Geringe Umsatzsteigerungen
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass der Bio-Boom herbeigeschrieben ist. Die jährlichen Umsatzsteigerungen sind niedrig und es gibt wenig Grund zur Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Im Gegenteil: Aktuell trübt sich die Zuversicht eher ein. Dies, obwohl Biobauern sehr hohe Produktionsstandards erfüllen. Sie, ihre Organisationen und die Verkäufer von Bioprodukten arbeiten hart und motiviert. Aber ihr Weg ist seit Jahrzehnten ein extrem steiniger. Die aktuellen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen geben wenig Anlass für eine optimistische Sicht. Bio ist europaweit und erst recht weltweit gesehen grösstmehrheitlich immer noch ein Nischenprodukt.
Bioprodukte sind aus nachvollziehbaren Gründen teurer als Produkte konventioneller Herkunft. Dabei spielt es allerdings eine Rolle, um welche Produkte es sich handelt, wie stark der Verarbeitungsgrad ist und welche Marge der Detailhandel ansetzt. Grundnahrungsmittel wie Biobrot, -gemüse, -salate, -kartoffeln und -obst belasten das Haushaltsbudget nur wenig zusätzlich, Milch und Eier schon mehr und vergleichsweise teuer wird es bei Fleisch, Milchprodukten und anderen Verarbeitungsprodukten. Ob konventionell oder Bio: Wer selber mit Grundnahrungsmitteln kocht, fährt in jedem Fall ausgaben- und oft auch qualitätsmässig besser.
Überhöhte Margen der Grossverteiler erschweren die Lage
Dass aktuell in Deutschland der Biofleischabsatz, etwa beim Rind, stagniert, ist nicht verwunderlich. Die starke Inflation, sinkende Löhne, ein hoher Anteil an Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen sowie Steuerbelastung und Energiekosten sind für einen immer grösseren Teil des Mittelstandes nicht einfach zu verkraften. So wird versucht, dort zu sparen, wo es noch geht, bei den Lebensmitteln.
In der Schweiz kommen stark erschwerend die überhöhten Margen der Grossverteiler dazu, welche Bioprodukte unnötig teuer machen. Dabei werden die Konsumenten getäuscht. Denn viele Biokonsumenten zahlen mehr, weil sie wissen, dass Biobauern mehr Arbeit haben und strengere Vorgaben erfüllen müssen – und weil sie Bioprodukte für gesünder halten. Kein Biokonsument möchte hingegen aus seinem Haushaltsbudget die Grossverteiler mästen.
Den Bauern nicht immer mehr aufsatteln
Bio-Organisationen wären indessen schlecht beraten, auf ein «Bio light» zu setzen, um billigere Produkte zu erzeugen. Das würde ihre lang aufgebaute Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen. Der Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft würde geringer, da auch diese sich heute um gewisse Verbesserungen bei Umwelt-, Natur- und Tierschutz bemüht.
Fatal wäre es aber in der heutigen Zeit auch, den Biobauern viele weitere «Herausforderungen» aufzusatteln. Das hiesse, dass weniger Bauern umstellen könnten, die Produkte nochmals teurer würden und die Bauern zunehmend weniger Zeit für ihre Kernaufgaben hätten, worunter unter Umständen Böden, Tiere und Produkte leiden könnten; ganz abgesehen von menschlichen Überforderungen, wie sie leider in der Landwirtschaft zunehmend häufiger auftreten.
Zur Person
Hansuli Huber war von 1998 bis 2019 Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes (STS).