IP-Suisse-Präsident Andreas Stalder befürchtet, dass sich die Gesellschaft vom Anliegen, einen Einsatz zugunsten der Biodiversität zu leisten, mehr und mehr abwendet. Anlässlich der Delegiertenversammlung der Produzentenorganisation, am 16. November 2023, im emmentalischen Langnau sagte Stalder mit Blick auf Konsum und Handel: «Der Weg der Nachhaltigkeit wird verlassen.»
Die Natur «verliert Marktanteile»
Die steigenden Kosten für alles andere würden die Nachfrage nach billigen Lebensmitteln deutlich vorantreiben, beobachtet Andreas Stalder. Mit der negativen Konsequenz, dass Lebensmittel, die mit mehr Rücksicht auf die Natur produziert werden, Marktanteile verlieren – wie eben IP-Suisse. Stalder will den Detailhandel daher noch mehr in die Pflicht nehmen. Ein Credo, das er schon lange vertritt. «Es geht nur miteinander», ist er überzeugt.
Mehr Zeit nötig
IP-Suisse fühle sich seit 35 Jahren einer nachhaltigen Produktion auf allen Stufen verbunden. «Umso erstaunlicher ist es, dass es uns anscheinend nicht gelungen ist, aufzuzeigen, dass eine nachhaltige Landwirtschaft nicht einfach die Sache eines Jahres ist.» Dafür sei naturgegeben einfach mehr Zeit nötig. «Es muss einen Weg geben, dass wir Bauern einen Preis realisieren, mit dem wir überleben können, und doch einigermassen erschwingliche Preise für den Konsumenten realisiert werden können», sagt Stalder.
«Wenn wir keinen Weg finden, auf dem es nicht nur Gewinner und Verlierer gibt, dann verlieren alle: Bauern, Konsumenten, der Detailhandel und auch die Natur», bilanziert Andreas Stalder.
«Es bleibt nur noch der Winter»
[IMG 3]Auch IP-Suisse-CEO Christophe Eggenschwiler schlug in seinem ausführlichen Jahresbericht zum Auftakt in die gleiche Kerbe. «Es gab keinen normalen Frühling, keinen normalen Sommer, keinen normalen Herbst. Jetzt bleibt uns nur doch der Winter», sagt er.
Dass wieder mehr für Lebensmittel ausgegeben werde, die nachhaltig produziert würden, sei die ganz grosse Herausforderung, ist Eggenschwiler sicher, insbesondere für Organisationen wie IP-Suisse. «Was sollen wir erwarten von Leuten, die zu wenig für ihr Leben verdienen?», fragte Eggenschwiler etwas provokativ – und entlarvte eine eben solche Haltung aber auch gleich als Ausrede. Von solchen Ausreden gebe es zahlreiche. «Wir denken bei IP-Suisse anders», sagt Eggenschwiler kampfbereit. Die Verantwortung einer nachhalötigen Produktion alleine den Bauernfamilien aufzubürden sei indes falsch. «Die Klimaproblematik steht in der Verantwortung der ganzen Wertschöpfungskette – nicht nur in jener der Landwirtschaft», mahnte er an.
Der Käfer wächst weiter
Eggenschwiler informierte in der Folge im Detail über die Marktlage der verschiedenen Produkte im Bereich des Pflanzenbaus und der Tierproduktion.
Dass IP-Suisse trotz Herausforderungen am Markt weiter enorm wächst, zeigt ein Beispiel im Bereich der Weinproduktion: Eines der jüngsten «Kinder» der Produzentenorganisation hat bereits 40 Winzer im Boot, die auf rund 400 ha nach IP-Suisse-Normen produzieren. Der ganz grosse Teil der Käfer-Weine wird über den Discounter Denner vertrieben.
[IMG 2] IP-Suisse wächst aber nicht nur in die Breite, sondern auch in die Tiefe, wie beispielsweise ein Blick auf die Vermarktung der Wiesenmilch zeigt.
Marktentwicklung Wiesenmilch:
• 350 Mio. kg im Jahr 2022
• 35 Verarbeiter, ungefähr 1900 Produzenten (2022-2023: +450)
• Neue Partner: Mifroma (Raccard), Urnäsch, versch. Molkereien
• Projekte zur Erweiterung des Sortiments
• Weiterer Anstieg im Jahr 2023
Christophe Eggenschwiler konnte trotz herausfordernder Umstände von vielen erfreulichen Entwicklungen auf dem Markt berichten. Schwierig bleibt es beispielsweise bei den Schweinen. Schweinefleisch stehe weiterhin unter Druck. Eggenschwieler berichtet von einer hohen Preisempfindlichkeit. IP-Suisse sei aktuell im Bereich der IPS-Prämie gefordert. Die Situation mache eine Suche nach alternativen Programmen (wie Kräuterschweine und Wiesenschweine) nötig.
Wahlen und Verabschiedung
Neben der Verabschiedung von Vizepräsident Christian Schürch standen Wahlen an. Zum einen wurde Bergbäuerin Theresia Stucki-Sauter, die bereits als Präsidentin der IP-Suisse Sektion Bern amtet, in den Vorstand gewählt. Als Nachfolger von Schürch wählten die Delegierten Michael Sutter (Landwirt und Agronom) inm den Vorstand. Sutter bewirtschaftet das Hofgut Hinterberg in Bretzwil (BL), in einer Generationengemeinschaft mit Vater Ruedi Sutter.
