Seit dem 1. März 2024 ist Reto Burkhardt neuer Geschäftsführer der Aarmemilch AG. Vorher war er acht Jahre lang als Leiter Kommunikation bei den Schweizer Milchproduzenten tätig. Die BauernZeitung fragte ihn, wie er sich eingelebt hat, wie es aktuell auf dem Milchmarkt läuft und wie die Zukunftsaussichten der Milchbauern sind.
Sie leiten seit dem 1. März 2024 die Aaremilch AG. Wie haben Sie sich in diese Rolle eingelebt?
Reto Burkhardt: Ich habe dank der guten Vorbereitung seitens der Aaremilch-Geschäftsstelle und des Verwaltungsrates einen super Einstand gehabt. Die grosse Routine der kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat dabei natürlich sehr geholfen. Wir sind ein kleines, aber sehr innovatives Team, das extrem flexibel auf alle Situationen reagieren kann – auch auf einen neuen Geschäftsführer.
Was waren dabei die grössten Herausforderungen?
Meine langjährige Tätigkeit in der Land- und der Milchwirtschaft hat mir den Einstieg stark vereinfacht. Ich kenne die politischen Rahmenbedingungen und das wirtschaftliche Umfeld mit all ihren Akteuren bereits gut. Das hat mir dabei geholfen, die für mich neuen Tätigkeiten anzugehen und mich einzuarbeiten. Um ehrlich zu sein, braucht es aber sicher einen vollen bis zwei Jahreszyklen, um alle Aspekte dieser Tätigkeit einmal erlebt zu haben.
Was sind die Pläne der Aaremilch AG?
Ich erlebe die Aaremilch AG als eine kerngesunde und äusserst innovative Produzentenorganisation. Das hat mich stark beeindruckt. Sowohl die Geschäftsstelle als auch der Verwaltungsrat sind ständig auf der Suche nach Optimierungen und Synergien, um die Bedingungen für unsere Lieferanten zu verbessern. Ein Steckenpferd – und darauf sind wir stolz – ist das Projekt Klimastar: Hier war die Aaremilch von allem Anfang an federführend dabei. Ohne anzugeben: Das Projekt wäre ohne uns wahrscheinlich nicht dort, wo es heute ist. Jeden Tag liefern unsere Betriebe «Klimamilch» an unseren Projektpartner Nestlé. Eine entscheidende Rolle spielt dabei unser Mitarbeiter, der «Klimaexperte» Andreas Stämpfli. Als praktizierender Landwirt verfügt er wahrscheinlich über das umfassendste Wissen rund um die Nachhaltigkeit der Milchproduktion in der Schweiz. Stets ist es ihm ein Anliegen, die Umsetzbarkeit in der Praxis nicht zu vergessen. Bei so viel beteiligter Wissenschaft keine leichte Aufgabe.[IMG 2]
Wie geht es weiter mit dem Projekt Klimastar?
Als Weiterführung des Projekts versucht die Branchenorganisation Milch ja aktuell, einen alltagstauglichen Klimarechner zu entwickeln und in der Praxis einzuführen. Auch hier ist die Aaremilch mit Andreas Stämpfli an vorderster Front mit Rat und Tat aktiv, mit dem Ziel, das Projekt Klimastar nun auch in der breiten Praxis zu einem Erfolg zu machen. Ein weiteres Beispiel für unsere Innovationsfreudigkeit ist unsere Pionierrolle bei der Produktion von A2-Milch. Bereits heute ist sie in zwei Migrosgenossenschaften im Laden erhältlich.
Bei uns in der Schweiz ist A2-Milch noch eine langsam, aber stetig wachsende Nische. In ganz vielen Ländern auf der Welt ist das aber bereits ein grosses Thema und ein grosser Markt. Es zeigt sich, dass Konsumenten dem Thema der ursprünglichen Milch sehr offen gegenüberstehen. Unsere Aaremilch-Produzentinnen und -Produzenten werden bereit sein, wenn die Nachfrage da ist. Auf diese Art bleibt die Aaremilch gemeinsam mit unseren Partnern immer offen für neue Projekte, die unseren Milchlieferanten und der gesamten Branche einen Mehrwert bringen.
Wie stark hat die Aaremilch AG von der Partnerschaft mit dem Milchverarbeiter Elsa profitiert?
Unsere Partnerschaft ist eine Win-win-Situation. Die Aaremilch ist und bleibt sehr nah an der Praxis. Sämtliche Mitarbeitenden sind oder waren aktive Milchproduzenten. Aus diesem Grund verstehen wir die Bedürfnisse der Schweizer Milchproduzentinnen und Milchproduzenten aus eigener Erfahrung. Das ist auch für unsere Partnerin Elsa ein grosser Vorteil. Wir sind eher in der Lage, den Milchbetrieben Beratung anzubieten und machen das auch sehr gerne. Auf der anderen Seite ist das Joint Venture mit der Elsa für unsere Betriebe ebenfalls ein grosser Vorteil, indem wir einen starken, stabilen und gesunden Verarbeiter an der Seite haben.
Das Engagement der Elsa bei der Simmental Switzerland AG verstärkt diesen Effekt noch. Unsere Käserei im Diemtigtal ist eine Käserei mit Top-Produkten und die Aaremilch ist priorisierter Milchlieferant – ein grosser Vorteil. Zusammen mit den vielfältigen Verarbeitungsmöglichkeiten der Elsa, auch am Standort Estavayer, ergibt sich eine grosse Flexibilität für die Verarbeitung der Milch. Diese Partnerschaft ist also gerade in schwierigen Marktverhältnissen, wie wir sie zum Teil diesen Frühling angetroffen haben, eine grosse Hilfe und bringt unseren Milchproduzentinnen und Milchproduzenten auch Planungssicherheit.
«Wir werden sicher auch in Zukunft eine aktive Rolle einnehmen.»
Reto Burkhardt, Geschäftsführer Aaremilch AG.
Immer wie mehr Milchproduzenten geben die Milchproduktion auf. Wie nehmen Sie diese Entwicklung bei der Aaremilch wahr?
Den Strukturwandel spüren wir auch bei der Aaremilch. Aber es gilt zu sagen, dass wir in den letzten Jahren keine einzige Kündigung aufgrund der Milchkaufbedingungen in Kauf nehmen mussten. Wenn wir Milch verloren haben, so aufgrund von Einstellung der Milchproduktion oder aufgrund von Betriebsaufgaben. Wir haben momentan keine Mühe, wegfallende Milchmengen zu ersetzen. Perspektiven für unsere Lieferantinnen und Lieferanten sind uns ein grosses Anliegen. Wir wollen ein Partner sein, der jungen Menschen diese Perspektive und vor allem eine nachhaltige Planungssicherheit bieten kann, sodass diese den Mut haben, den schönen Beruf des Milchproduzenten mit Überzeugung zu wählen.
Für den gesamten Milchhandel war die Platzierung von Milch diesen Frühling eine Herausforderung. Wie sieht die aktuelle Lage diesbezüglich aus?
Auch die Aaremilch hatte diesen Frühsommer viel Milch und hat die Situation mit den Turbulenzen in der Wertschöpfungskette Milch gespürt. Aber genau aus diesem Grund sind wir froh um unsere starken Partnerschaften mit Nestlé, mit Elsa und den weiteren Milchverarbeitern, die wir beliefern dürfen.
Es herrscht weiterhin eine eingeschränkte Käseproduktion und auch der Käseexport kommt nicht auf Touren. Wie stark belastet dies den Milchmarkt?
Wir müssen zu allen Absatzkanälen Sorge tragen. Mir ist es ein Anliegen, an dieser Stelle wieder einmal zu betonen, dass es für mich eine zentrale Tatsache gibt: Es gibt keinen starken Käsereimilchkanal ohne einen starken Industriemilchkanal! Und das gilt auch andersherum. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass der schwächelnde Käsemarkt auf die Milchpreise der gesamten Schweiz Druck ausgeübt hat und das zum Teil immer noch tut. Wir sind froh, dass nun einige Produktionszahlen wieder gegen oben zeigen. Aber es gilt, klar zu sagen, dass wir noch nicht am Ende des Tunnels angelangt sind. Wir sind froh um allen Käse, der hergestellt wird, aber uns wäre es lieber, wenn die wertschöpfungsstärkeren Käsesorten wieder nachhaltig zulegen würden.
Welche Zukunftsaussichten stellen Sie den Milchbauern für das 2025. Können sie auf einen höheren Milchpreis hoffen?
Als marktorientiertes Unternehmen stecken wir bezüglich Mengen und Preisen aktuell in der Planung des nächsten Jahres. Vieles ist noch unklar. Bereits heute ist klar, dass wir eine sehr grosse Nachfrage nach Biomilch haben werden. In meinen Augen lohnt es sich, auf den Betrieben zu prüfen, ob eine Umstellung machbar wäre. Um die richtigen Anreize zu setzen, haben wir seit dem letzten Juli extra unser Biomilchpreissystem attraktiv angepasst. Biomilchproduzenten sind also sehr willkommen. Die generellen Marktzeichen für das kommende Jahr sind aber, wie gesagt, so frühzeitig wie heute schwierig zu deuten. Wir gehen davon aus, dass es ein eher schwieriges 2025 werden wird. Wir werden wie in den letzten Jahren alles daransetzen, einen überdurchschnittlichen Milchpreis zu bezahlen.
Welche Zukunftsstrategie verfolgt die Aaremilch?
Wir sind die Grössten der Kleineren! Dank unserer Partnerschaft mit der Elsa sind wir in der Lage, stetig leicht und nachhaltig zu wachsen und Synergien zum Wohle unserer Kunden zu evaluieren und zu nutzen. Dabei werden wir auch in Zukunft immer sehr nahe an der Praxis sein. Wir werden auch in Zukunft eine aktive Rolle in der Milchbranche einnehmen. Bereits heute sind wir Treiber bei der Erarbeitung von Branchenlösungen und wollen das auch bleiben. Weiter ist es das erklärte Ziel, ständig offen zu sein um, wenn immer möglich, bei innovativen Projekten mitzumachen und diese zu unterstützen. Damit sind wir auch in der Lage, Brückenbauer zwischen Stadt und Land zu sein. Es ist in unserer DNA, einen Beitrag zum Dialog zwischen der Landwirtschaft und der Gesellschaft aus städtischer Umgebung zu leisten. Immer wieder sind unsere Betriebe in wichtige solche Anlässe involviert und stellen sich für Besuche auf dem Hof zur Verfügung.
Damit wir hier auch in Zukunft einen wertvollen Beitrag leisten können, sind wir daran, unsere Kommunikationskanäle zu modernisieren. Mit dieser Einstellung zeigt der Verwaltungsrat deutlich, dass wir uns mit Herzblut für die Interessen unserer Milchproduzentinnen und Milchproduzenten einsetzen.
Reto Burkhardt: Sein Werdegang
Ausbildungen: Lehrer; Lic. Phil. Nat. Diplomgeograf; Eidg. Dipl PR-Berater; EMBA in International Management
Beruflicher Werdegang
- 2008 Landwirtschaftliche Forschungsanstalten für Milchwirtschaft (Liebefeld) und für Nutztiere (Posieux), PR-Beauftragter und Leiter Public Relations
- 2013 Agroscope Liebefeld-Posieux und Nationalgestüt, Leiter Kommunikation und Marketing
- 2015 Agroscope, Kommunikationsberater und Leiter Kommunikation
- Bis Februar 2024 Schweizer Milchproduzenten, Verantwortlicher Kommunikation
- Seit März 2024 Aaremilch AG, Geschäftsführer