«Die Gelegenheit für diesen Job wollte ich nicht verpassen», sagt Erika von Euw. So viele Stellen wie erwartet für Absolventen der Fachhochschule für Landwirtschaft (Hafl) gebe es zeitlich passend in der Zentralschweiz schliesslich nicht. So sei ein Arbeitsplatz nicht zu weit weg vom Wohnort eher ein Glücksfall. Als Anfang Jahr die Stelle für die Geschäftsführung des Zuger Bauernverbandes ausgeschrieben wurde, habe sie das sofort interessiert. Und bedauerte gleichzeitig den Zeitpunkt, zumal sie ja noch mitten im Studium steckt.
Start mit Teilpensum
Es liess sie aber nicht mehr los und sie erkundigte sich beim Präsidenten Thomas Rickenbacher, ob sich das vielleicht gleichwohl zeitlich verbinden liesse. Der ermunterte sie zu einer Bewerbung, sie bekam den Job und startete Anfang Juli vorerst in einem 50-Prozent-Pensum, das später nach Studienabschluss bis auf 80 Prozent ansteigen soll. Sie sei froh um die Einarbeitung durch die bisherigen Nadine Iten und Simon Iten, und auch den Präsidenten.
Erfolg bedingt Leistung
Die Zuger Landwirtschaft beurteilt sie als sehr innovativ und kreativ, viele Landwirte würden mit Herzblut und Freude bauern. Die Strukturen seien aber auch sehr heterogen, mit Tal- und Bergbetrieben und verschiedenen Betriebszweigen. Ausgeprägt sei der Druck auf die Grünflächen und der Stellenwert der Naherholungsgebiete. Herausforderungen seien auch die laufenden Ortsplanungsrevisionen mit Gewässerraumausscheidungen, oder die Projekte beim Zugersee wegen der Nährstoffthematik. Sicher sei die hohe Kaufkraft der Bevölkerung eine Chance, so für Direktvermarkter. Aber die Wertschöpfung komme nicht ins Haus geflogen, da brauche es Engagement und Hingabe, beispielsweise für schöne Hofläden.
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Wertschöpfung vom Markt
Ihr sei es ein Anliegen, dass landwirtschaftliche Produkte einen Wert haben und die Bauern davon leben können. Das aktuelle Ausmass und die grosse Abhängigkeit von den Direktzahlungen sei kritisch zu hinterfragen. Anderseits sei die Schweizer Landwirtschaft seit Nachkriegszeiten nie ohne staatliche Unterstützung ausgekommen, und wer Leistungen von ihr verlange, solle auch bereit sein, dafür zu zahlen. Sei es als Konsument oder Steuerzahler. «Aber die Marktleistung sollte wieder einen höheren Stellenwert bekommen», findet von Euw. Auf dem elterlichen Hof mit viel Direktvermarktung sei es noch möglich, den Preis aufgrund der Kosten zu bestimmen, bei Milch und Fleisch seien die Bauern vom Goodwill der Abnehmer abhängig, was die Preise anbelange.
Verständnis fördern
Der Stadt-Land-Graben, fehlendes Wissen und Verständnis der Bevölkerung gegenüber der Landwirtschaft seien ein grosses Thema. Das sei ja auch verständlich, weil immer mehr Leute ausserhalb der Landwirtschaft aufwachsen. Dem versuche die Branche aber zu begegnen, von Euw nennt die Programme Programm Agro Image, Schule auf dem Bauernhof, Tage der offenen Tür, Abstimmungskampagnen oder auch die vielen aktiven Bauern, welche in den sozialen Medien ihren Alltag zeigen und so für ein besseres Image werben. «Wir sollten alle offener sein und den Dialog mit Leuten ausserhalb unserer Branche suchen.» Anderseits sei es schon erstaunlich, wie stark sich ein Landwirt für seine Tätigkeit rechtfertigen und verteidigen müsse, das gebe es kaum in einem anderen Beruf. Etwas mehr Vertrauen der Gesellschaft wäre wünschenswert. «Wir haben schliesslich beim Tierschutz und Umweltschutz in der Schweiz weltweit einen Spitzenplatz.»
Bürokratie überbordet
Die ständig steigenden Auflagen und die wachsende Bürokratie beschäftigen die Bauern sehr, die älteren noch mehr als die Jungen, welche noch eher gelernt hätten, mit den administrativen Herausforderungen und der Digitalisierung pragmatisch umzugehen. Sie verstehe aber sehr wohl die Bauern, welche ob dieser Komplexität und Flut den Verleider bekämen. Dem will sie begegnen: «Ich möchte mithelfen für gute Rahmenbedingungen für die Zuger Landwirtschaft.»
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Fünf Fragen
Welches ist Ihre Lieblingsmusik?
Ich höre gerne Pop, Folk, aber auch Ländlermusik. Ich habe da keine besonderen Vorzüge.
Stichwort Schwingfeste?
Ja, die schaue ich gerne, sogar während des Lernens, an einem zweiten Bildschirm. Vermehrt besuche ich auch Schwingfeste, kürzlich das ISAF. Es packt mich schon immer mehr, schliesslich bin ich ja in einer Schwingerfamilie aufgewachsen.
Stichwort Vegetarier?
Ich esse gerne Fleisch …
Welche Region möchten Sie unbedingt noch bereisen?
Eigentlich bin ich am liebsten zu Hause. Die grosse weite Welt und lange Reisen sind nicht so mein Ding. Hier in meiner schönen Umgebung ist mir am wohlsten.
Was passt Ihnen gar nicht?
Weinbeeren sind gar nicht mein Ding.
Auf Umwegen zur landwirtschaftlichen Ausbildung
Die 23-jährige Erika von Euw wuchs auf dem elterlichen Betrieb Sand in Ingenbohl auf. Der wird heute noch von ihren Eltern Armin und Ursi geführt und umfasst 15 ha LN, wobei nur 5 ha Eigenland. Im Stall stehen 25 Milchkühe, «aller Farben, aber vermehrt Swiss Fleckvieh», sagt von Euw. In einem 300 m2 Mastpouletstall werden je nach Mastdauer 4000 bis 6000 Poulet für Micarna gemästet. 700 Legehennen liefern Freilandeier für die Direktvermarktung. Auch vom Obstbau (kleine Niederstammanlage und 90 Hochstämmer) werden Kirschen, Zwetschgen und Äpfel selbst vermarktet.
Der Hofladen, stark frequentiert dank der Lage an der Strasse Brunnen-Schwyz, umfasst ein sehr breites Sortiment, viele Produkte werden auch zugekauft, aus dem Schwyzerbiet und von Zuger Betrieben. Im videoüberwachten Laden mit Selbstbedienung kann per Automat, mit Twint, Karte oder bar gezahlt werden. Die Programmierung des Kassensystems hat Erika von Euw weitgehend selber vorgenommen, aber auch die Dekoration und Gestaltung des Ladens. «Ich bin vielseitig interessiert, auch für Technik und IT.»
Auf dem Betrieb hilft die ganze Familie mit, Hofnachfolger und Bruder Thomas, wie auch Bruder und Sportler Damian, der Profiringer. Auch Erika schätzt den Ausgleich zu Studium und neuem Job: «Ich bin überglücklich, wenn ich nach der Arbeit zu Hause noch melken oder mähen kann.»
Mit Maturaarbeit für Aufsehen gesorgt
Zum Studium an der Fachhochschule für Landwirtschaft (Hafl) ist sie auf Umwegen gekommen.Sie besuchte das Gymnasium in Schwyz und sorgte mit ihrer Maturaarbeit für Aufsehen, auch in der Fachpresse. Aufgrund einer Umfrage bei Schwyzer Bauern untersuchte sie das Tierwohl in Anbinde- und Laufställen. Und kam zum überraschenden Ergebnis, dass die Tiergesundheit in Anbindeställen bezüglich Tiergesundheit gar nicht so schlecht, sondern sogar eher besser abschneidet (die BauernZeitung berichtete 2022). Entscheidend sei, dass die Bauern gut zu den Tieren schauen, unabhängig vom Haltungssystem. Ihr sei es darum gegangen, den schlechten Ruf von Anbindeställen in der Gesellschaft zu hinterfragen. Zumal auch auf dem Elternbetrieb die Kühe angebunden sind, aber viel Weidegang haben, erklärt Erika von Euw.
Psychologiestudium abgebrochen
Nach der Matura startete sie ein Psychologiestudium an der Uni Zürich. Das war aber gar nicht ihr Ding, schon nach einem Quartal brach sie ab. Sie arbeitete dann auf Bauernbetrieben, und fand so auf Umwegen zu ihrer Leidenschaft Landwirtschaft, die sie eigentlich schon seit Kindheit faszinierte. Dank entsprechenden Praktika und Lehrgängen startete sie 2023 an der Hafl. Das Studium dauert offiziell noch bis 2027, weil sie die Bachelor-Arbeit später schreibt. Ein Agronomiestudium habe sie immer fasziniert. Dazu sei sie auch von ihrer Mutter ermuntert worden, welche lange bei der Agro Treuhand arbeitete und vor Jahren auch die Schwyzer Bäuerinnenvereinigung präsidierte. Die Ausbildung empfindet Erika von Euw als sehr vielseitig und praxisorientiert. «Da erhalten wir einen guten Rucksack, mit sehr breitem Wissen.»
