ZMP-Geschäftsführer Pirmin Furrer durfte an der Käsereitagung spannende Referenten begrüssen, die ihre Sicht zum zukünftigen Käse-Konsumverhalten darlegten. «Ich mache mir über die zukünftig konsumierten Mengen von Käse in der Schweiz nicht allzu grosse Sorgen», erklärte Leonhard Wey, der Geschäftsführer der Inter Cheese AG. Die grossen Herausforderungen sieht er in anderen Bereichen: Einerseits, dass auch in Zukunft von den Milchbauern noch ausreichend Käsereimilch produziert wird und anderseits, dass zukünftig genügend junge Leute den Käserberuf erlernen, damit die Produktion in gewerblichen Käsereien gewährleistet bleibt. «Es lag in der Vergangenheit nicht immer an der fehlenden Wirtschaftlichkeit, dass in der Zentralschweiz Käsereien aufgaben. Es wurden auch Betriebe geschlossen, die zwar rentiert hätten, die aber niemand weiterführen wollte», so Leonhard Wey. [IMG 3]
Bevölkerung aufklären
Über 100 Personen diskutierten unter der Leitung von Roland Wyss, Chefredaktor von «Foodaktuell», wie die Käsewelt zukünftig aussehen könnte. Das veränderte Konsumverhalten sei auch ein Abbild der Bevölkerung. Diese entferne sich immer mehr von der Landwirtschaft, erklärte Leonhard Wey in seinen Ausführungen. «Ich wünsche mir für die Zukunft eine Gesellschaft, die wieder versteht, warum wir in der Schweiz Milch produzieren. Der Bevölkerung muss wieder bewusst werden, dass 80 Prozent der Schweizer Agrarflächen nur über das Rindvieh veredelt werden können.» Es sei unumstritten, dass pflanzliche Milchalternativen zukünftig an Bedeutung gewinnen würden. Deren Herstellung sei aber heute noch sehr energieintensiv und alles andere als regional und nachhaltig.
Herkunft der Konsumenten prägt das Essverhalten
Das diverse Kaufverhalten beim Käse entspreche der vielfältigen Bevölkerung in der Schweiz. 25 Prozent kämen aus dem Ausland und seien in ihrem Essverhalten von ihrer Heimat geprägt. Die Italienerinnen und Italiener seien nach wie vor die grösste ausländische Bevölkerungsgruppe. «Es kommt daher nicht von ungefähr, dass die Schweiz ausserhalb von Italien den höchsten Pro-Kopf-Konsum von Parmigiano Reggiano hat. Dieser wird in der Schweiz gezielt und mittlerweile sogar in Mundart beworben», so Leonhard Wey.
Selbstkritischer Käsermeister
Angesichts dieser grossen Zahl von in der Schweiz wohnhaften Menschen mit ausländischen Wurzeln könneer sich als Urner fast schon bei Pro Specie Rara anmelden, erklärte der Seelisberger Käsermeister Hans Aschwanden. «Die Chance, in der Schweiz eine Person mit kosovo-albanischer oder albanischer Abstammung zu treffen, ist sechsmal grösser, als auf einen Urner zu stossen», so der Fromarte-Präsident. Diese Entwicklung habe naturgemäss Auswirkungen auf das Essverhalten. Weltweit liege der Pro-Kopf-Konsum beim Käse bei nur 810 Gramm, in Europa befinde sich der Schnitt bei 25 Kilogramm. Auch die steigenden Temperaturen könnten den Käsekonsum beeinflussen. «Bei heissem Wetter ist die Nachfrage nach Mozzarella sicher höher als nach einem Gruyère», so Hans Aschwanden.[IMG 4]
Er zeigte sich auch selbstkritisch und stellte dabei mehrere Thesen auf. «Die Käser-Ausbildung wurde in der Vergangenheit zu einseitig auf Hartkäse fokussiert und der Herstellung von weissem Käse wie Mozzarella oder Feta zu wenig Rechnung getragen.» Dazu komme, dass Investitionen in Einrichtungen für Produkte wie Mozzarella sehr hoch seien. Die immer noch verbreiteten traditionellen Strukturen bei Käsereigenossenschaften führten zu schwerfälligen Entscheidungsprozessen. «Ich würde mir auch nie zutrauen, als Käser bei Investitionen in einen Kuhstall mitzuentscheiden», so Aschwanden. Die Zukunft gehöre denjenigen Betrieben, die sich voll auf den Markt fokussierten.
Grosse Käsevielfalt bei Coop
Selbstkritisch zeigte sich auch Urs Schlüchter, Direktor von Emmentaler Switzerland: «Der Abwärtstrend muss gestoppt werden.» Damit das gelinge, müssten aber alle in der Wertschöpfungskette genug verdienen. Das strenge Pflichtenheft vom Emmentaler AOP garantiere zwar höchste Qualität, so Schlüchter weiter. Zeitgemässe Anpassungen müssten aber diskutiert werden. «Ich stelle nicht das Pflichtenheft infrage. Aber bei einzelnen Passagen muss man sich die Frage stellen, ob diese noch zeitgemäss sind.»[IMG 2]
Eine Herausforderung sei auch das Marketing. Dass Emmentaler AOP in 90 unterschiedlichen Verpackungen angeboten werde, vereinfache dieses sicher nicht. Vielfältig ist das Käseangebot bei Coop. Gemäss Christian Vögtlin werden in rund 1000 Verkaufsstellen über 250 Käseprodukte angeboten. Der Anteil an Schweizer Käse liege bei 70 Prozent. Er prognostizierte eine Zunahme bei den Milchersatzprodukten, denn diese würden dank Forschung und grossen Investitionen in Geschmack und Biss immer besser. «Das Kundenbedürfnis nach Käse wird aber bestehen bleiben. Wir brauchen also in der Schweiz auch zukünftig professionelle Milchbauern und Käsereien.»
Grosse Veränderungen in der Schweizer Käseproduktion:
In der Schweiz werden jährlich rund vier Milliarden Franken für Milchprodukte ausgegeben (Fleisch 5,4 Milliarden Franken, Früchte 1,8 Milliarden Franken). Der durchschnittliche Schweizer isst pro Jahr 23 kg Käse, wovon 15 kg aus dem Inland stammen. 2023 wurde erstmals mehr Käse importiert (74 266 Tonnen) als exportiert (73 494 Tonnen). Besonders gelitten haben in den letzten Jahren die Sortenkäse, zu denen Emmentaler AOP, Gruyère AOP, Sbrinz AOP, Appenzeller und Tilsiter gehören. Lag der Anteil der Sortenkäse an der Käsegesamtproduktion im Jahr 2000 noch bei 54 Prozent, sank dieser Wert bis 2023 auf gut 27 Prozent. Stark verloren hat dabei der Emmentaler AOP. Im Jahr 2000 waren 27 Prozent der in der Schweiz hergestellten Käsemenge Emmentaler, 2023 nur noch sieben Prozent. Auch die Sbrinz-Menge hat in diesem Zeitraum um 53 Prozent abgenommen. Somit büssten die beiden in der Zentralschweiz bedeutendsten Sortenkäse enorm ein. Diese Mengenverluste hatten grosse Auswirkungen auf die Käsereien in der Zentralschweiz. Wurde 2005 noch in 70 Betrieben gekäst, waren es 2023 nur noch 43. Im gleichen Zeitraum hat sich alleine die Anzahl Emmentaler Käsereien von 40 auf noch 19 mehr als halbiert. Dennoch sind die gewerblichen Käsereien insbesondere im ländlichen Raum bedeutend. Sie produzieren rund 80 Prozent des exportierten Schweizer Käses. Zudem bieten sie schweizweit rund 2400 Arbeitsplätze an und bilden 400 Lernende aus.
Wie gesund ist Käse?
Eine Tagungsteilnehmerin aus der Gesundheitsbranche fragte in der Podiumsdiskussion nach dem Stellenwert von Gesundheitsaspekten in der Branche. Immer mehr Menschen litten an Erkrankungen wie Diabetes und Fettleibigkeit. «Bei grossen Teilen der älteren Bevölkerung herrscht eine bedeutende Unterversorgung beim Protein. Fettreduzierter Käse wäre für Betroffene ein ideales Lebensmittel, dieses Manko auszugleichen», so Leonhard Wey. Allerdings seien fettarme Käseprodukte nicht wirklich genussvoll. Das zeige auch die wachsende Verkaufsmenge von Käse mit hohem Fettgehalt. Wey betonte: «Es ist nicht die Aufgabe der Käsebranche, die Konsumenten zu erziehen, sondern diese aufzuklären.» Hans Aschwanden sieht neben dem hohen Proteingehalt noch weitere Pluspunkte beim Käse. «Studien haben gezeigt, dass Berg- und Alpkäse ein sehr günstiges Fettsäuremuster haben, welches sich positiv auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkt. Und zudem punktet traditioneller Käse damit, dass er wenig verarbeitet ist.»