Am Mittwoch hat Emmi ein gutes Halbjahresergebnis präsentiert. Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahr um 2 Prozent auf 1,77 Mrd Fr., der Gewinn (EBIT) um gut 6 Prozent auf 112 Mio Fr. Wir haben CEO Urs Riedener aus diesem Anlass ein paar Fragen gestellt. 

Herr Riedener, können Sie kurz zusammenfassen, was die Auswirkungen von Corona auf Emmi und das Halbjahresergebnis waren?
Urs Riedener: Auf der Oberfläche betrachtet können wir sagen, dass wir in der Summe unbeeindruckt von der Corona-Krise gute Zahlen liefern konnten. Wenn man dann unter der Oberfläche schaut, gab es teilweise grössere Bewegungen: Nachfragen, die explodiert bzw. zusammengebrochen sind, Leute, die anderswo arbeiten mussten, Betriebe, die plötzlich ohne Aufträge dastanden. So mussten wir zum Beispiel im UHT-Bereich riesige Verpackungsmengen weltweit auftreiben, während bei den Kaffeerähmchen gar nichts mehr lief. Teilweise konnten wir auch Leute aus dem reduzierten Aussendienst intern einsetzen, das war super, wie die Leute mitgemacht haben.

Laut einem Konzernvideo sind aufgrund von Corona mehr billige Produkte nachgefragt worden, können Sie das ein bisschen ausführen?
In der Schweiz hat sich Trinkmilch sehr gut verkauft, auch haltbare Produkte wie Fondue liefen gut. Dann verkauften wir viel Mozzarella, weil die Leute häufiger zuhause einen Salatteller gemacht haben. Vom Reibkäse hatten wir zeitweise gar zu wenig. Käse lief aber nicht nur als Zutat, sondern auch eigenständig gut.

Beim Käse und Frischkäse hat der Umsatz in der Schweiz kräftig zugelegt, welche Produkte waren da die wichtigsten Treiber?
Was wahnsinnig zugelegt hat, sind die Importe aus Italien, das ist für uns ein wenig störend. Aber auch die Schweizer Ware hat sich gut gehalten. Kaltbach ist zweistellig gewachsen. Insgesamt hat uns das zuhause essen geholfen, wenn der Konsument frei wählt, kauft er das wertigere Produkt, während er in der Gastronomie eher das billigere Produkt untergejubelt erhält.

Die Exporte blieben auch recht stabil.
Da bin ich sehr zufrieden, da haben wir aus der Schweiz heraus gut gearbeitet.

Die einheimische Butter ist ja sehr knapp, macht Ihnen das Sorgen oder ist das eine Auswirkung der Entwicklung am Markt?
Man muss sehen, dass wir nicht in einer Planwirtschaft leben, sondern eine Nachfrage bedienen. Die Milch fliesst dorthin, wo es Wertschöpfung gibt. Dass wir jetzt Butter importieren müssen, ist ein Zeichen für den gesunden Milchmarkt. Erstens gibt es keine C-Milch mehr, früher haben wir darüber gestritten, das haben wir schon wieder vergessen. Zweitens wird der Durchschnittspreis für die Produzenten höher und die etwas knappere Milch, die auch unsere Konsumenten spüren, heisst auch, dass es einen gesunden Markt gibt. Das bedeutet, dass die,  welche zu wenig zahlen, im Milcheinkauf haben etwas mehr Mühe haben. Und da Emmi überdurchschnittlich bezahlt, ist für uns ein positiver Effekt. Deshalb haben wir im ersten Halbjahr auch mehr Milch verarbeitet als im Vorjahr.

Diesen kleinen Werbespot gönnen wir Ihnen. Sie gehen also davon aus, dass wir weiterhin knapp Butter haben?
Wenn sich die Märkte gut bewegen, werden wir auch in den nächsten Jahren eher knapp Butter haben. Ich verstehe nicht, was daran negativ sein soll.

Es ist wohl symbolisch, die Produzenten verstehen nicht, dass sie noch Fettexporte subventionieren, während man in der Schweiz Aktionen für Butter gibt…
Da habe ich auch eine klare Meinung. Ich halte es für falsch, dem Detailhandel vorschreiben zu wollen, was seine Aktionspolitik ist, das ist nicht unsere Sache. Die Alternative für den Detailhandel sind Margarine-Aktionen. Was er eigentlich macht, ist die Nachfrage für Butter aufrechterhalten. Das ist eine gute Sache, weil vielleicht haben wir dereinst wieder zu viel Butter. Beim Thema Preis kann man dann aber wieder auf die Hinterbeine gehen, wenn es Preissignale braucht.

Dann können wir davon ausgehen, dass Emmi demnächst wieder mit einer Preiserhöhung kommt?
Jetzt haben wir ja grad eine gemacht, und jetzt schauen wir zunächst, diese zu verdauen.

Beim Käse sorgt die Verkäsungszulage für die Herstellung von billigen Produkten, sehen Sie kein Problem bezüglich Kannibalisierung?
Hier fliesst viel B-Milch in die Verkäsung und man darf nicht vergessen, dass die Milchproduzenten selbst in den letzten Jahren viel investiert haben, um Verarbeitungskapazität in diesem Segment zu schaffen. Wenn dieses Segment durch etwas knappere Milch etwas ausgetrocknet würde, hätte das dann wieder positive Auswirkungen auf den Durchschnittspreis.

Braucht es dafür Veränderungen in der Anreizstruktur?
Der Schrei nach Veränderungen kommt immer sehr schnell in dieser Branche. Aber es bewährt sich selten, die Spielregeln während dem Spiel zu verändern. Das grundsätzliche Setup sollte man so lassen, weil Änderungen nur zu Verteilkämpfen, Verwirrung und auch wieder zu neuen Profiteuren führen. Ich tendiere eher dazu, den Markt das regeln zu lassen, wobei man natürlich immer wieder die langfristigen Auswirkungen überprüfen muss.

Sie wollen also mehr Stabilität?
Ja. Im Grundsatz sage ich immer: Wir haben den besten Milchmarkt seit vier Jahren, aber irgendwie vergessen das im Moment alle und suchen stattdessen nach dem Haar in der Suppe. Dafür habe ich wenig Verständnis.

Machen Sie sich Sorgen über die Lieferbereitschaft der Schweizer Bauern oder wird auch das der Markt regeln?
Natürlich ist der Strukturwandel in der Milchbranche ein Thema. Wichtig ist vor allem, dass wir leistungsfähige Betriebe haben und was wir manchmal sehen ist, dass sich nicht unbedingt die Leistungsfähigsten durchsetzen, sondern dass diese zum Teil selbst aufgeben. Wenn wir aber die Milchmenge sehen, ist es weniger der Strukturwandel, der uns beschäftigt, sondern es sind die drohenden Veränderungen durch Volksabstimmungen, das ist das grössere Damoklesschwert.

Agrarpolitisch müsste man also mehr Änderungen zulassen oder eher Stabilität suchen?
Was wir sehen müssen: Die Ansprüche der Konsumenten ändern sich, dem kann sich niemand verschliessen, auch die Produzenten nicht. Da haben wir ja Antworten wie etwa Swissmilk Green. Und es ist wichtig, dass wir vermehrt an diesen Antworten arbeiten. Dort würde ich mir manchmal etwas mehr Geschwindigkeit wünschen. So müssten wir weniger denen nachrennen, die den Bauern sagen möchten, was sie zu tun haben. Wenn die Produzentenseite etwas aktiver wäre, könnte sie vermehrt den Lead übernehmen, auch kommunikativ. Wir stehen als Branche etwas zu stark in der Defensive.

Thema Swissmilk Green: Sie verarbeiten 87 Prozent nachhaltige Milch in der Schweiz. Müsste die Anforderungen noch weiter verschärft werden?
Unser prioritäres Ziel ist es, näher Richtung 100 Prozent zu kommen. Dass es Anpassungen geben wird, ist ja klar, das muss man partnerschaftlich diskutieren, aber es braucht einen Plan. Wenn man aktiv einen Plan ausgestaltet, hat man gute Chancen, dass er umgesetzt werden kann und wenn man wartet, dass einem irgendjemand einen Plan diktiert, wo immer in der Wertschöpfungskette, dann wird es etwas unangenehm. Die Produzenten müssen schauen, dass sie sich weiterentwickeln, ohne in Hyperaktivität zu verfallen.

Sehen Sie noch weitere Bereiche, wo es ähnliche Aktivitäten braucht, wie bei Swissmilk Green?
Ich glaube grundsätzlich gibt es sehr viele Einzelproduzenten, die einen hervorragenden Job machen. Was ich mir wünschen würde ist, dass die Produzentenseite etwas geeinter wäre und gemeinsame Ziele verfolgen könnte. Im Moment hat's aus meiner Sicht zu viele Einzelstimmen und es wird zu viel in den Details herumgearbeitet. Das ist nicht das, was die Branche weiterbringt und ich glaube es ist auch nicht das, was den Bauern begeistert. Der Bauer sollte ja begeistert sein von seinen Zukunftsaussichten und sagen können: ich arbeite in der richtigen Branche. Das haben wir übrigens in der Krise gesehen, dass die Bauern in der richtigen Branche arbeiten. Das muss man jetzt nützen und dem Bauern zu vermitteln versuchen, dass er auch in Zukunft in der richtigen Branche arbeitet. Und ich glaube, wenn es gelingt, das dezidiert anzugehen, werden wir optimistisch in die Zukunft schauen können.

Zusammengefasst: Aus Ihrer Sicht sollte man etwas mehr ergebnisorientiert arbeiten und weniger Details vorschreiben?
Genau, am Schluss ist ja die grosse Frage, wie die Milchproduktion 2030 aussieht, die grosse Frage ist nicht, ob wir 50 Tonnen Butter mehr oder weniger importieren. Die Diskussion läuft zur Zeit zu sehr auf Nebenschauplätzen.