«Die Znünibox des Anstosses» lautete die Bildlegende. Auf dem Bild zu sehen: eine blaue Box mit der bekannten Swissmilk-Werbekuh Lovely und zwei Kindern darauf. Pünktlich zum Schulstart berichtete die «Berner Zeitung» darüber, dass Stadtberner Kindergartenkinder die beschriebene Box von der Stadt geschenkt bekommen, zusammen mit einer Broschüre mit Ideen für ein gesundes Zmorge und Znüni.

«Nicht in Ordnung»

«Vielen Eltern stösst das Geschenk sauer auf», schrieb die Zeitung. EVP-Stadträtin Bettina Jans-Troxler sagte im Artikel, sie habe nichts gegen die Milchwirtschaft, aber «es ist nicht in Ordnung, dass die Milchlobby beim Thema Ernährung einen so grossen Auftritt in den Schulen erhält».

Präventionsaktion der Stadt

Hinter dem Geschenk steht eine Präventionsaktion des Gesundheitsdiensts der Stadt Bern mit dem Namen Znünibox. Dieses läuft bereits seit 2008. «Damals haben wir festgestellt, dass wir bei vielen Kindern ein Problem mit Übergewicht hatten», erklärt Richard Jakob, Co-Leiter des Gesundheitsdienstes auf Anfrage der BauernZeitung.

Im letzten Jugendgesundheitsbericht der Direktion für Bildung, Soziales und Sport wurde untersucht, wie viele Jugendliche ein Zmorge oder Znüni zu sich nehmen. Dabei zeigten sich Unterschiede je nach Bildungsniveau der Eltern. Je höher dieses war, desto mehr Jugendliche assen morgens etwas.

Unkonzentrierte Schulkinder

«Es gibt Studien, die zeigen, dass ein fehlendes Frühstück oder Znüni mit Übergewicht korreliert», sagt Jakob. Grosse Auswirkungen habe das Fehlen einer morgendlichen Mahlzeit auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit in der Schule. «Das geht soweit, dass Lehrpersonen genau sagen können, welche Kinder gefrühstückt haben und welche nicht.»

Box kostet einen Franken

Das Projekt «Znüni-Box» will das Thema «gesundes Znüni» bereits im Kindergarten verankern, damit in den späteren Schuljahren darauf aufgebaut werden kann. Zudem wird versucht, die Eltern miteinbeziehen, damit die Ernährung auch in der Familie ein Thema wird. Die Znüniböxli bezieht die Stadt für einen Franken von Swissmilk. Der Originalpreis im Swissmilk-Shop beträgt vier Franken.

Motion gegen Sponsoring an Schulen

Zwei Drittel der Stadtberner Kinder vom Kindergarten bis in die zweite Klasse nehmen pro Jahr an der Aktion teil. Rund 800 Böxli werden jährlich verteilt, das Projekt erreicht insgesamt etwa 2500 Familien. «Vor dem Artikel hatten wir kaum negative Reaktionen auf die Box», sagt Richard Jakob.  Nach dem Artikel seien es etwa «zwei Mails und vier Anrufe» gewesen.

Nur ein Sturm im Wasserglas also? Vielleicht nicht. Stadträtin Eva Gammenthaler (Alternative Linke Bern) reichte nach der Lektüre des Artikels eine Motion mit dem Titel «Kein Sponsoring von Swissmilk an Berner Schulen» ein. Diese fordert ein Verbot von jeglichem  Sponsoring von Dritten an obligatorischen Schulen.

«Viele haben Freude daran»

Richard Jakob wartet nun den politischen Entscheid ab. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt weiterhin täglich drei Portionen Milch bzw. -produkte. «Solange die SGE nichts an ihren Empfehlungen ändert, sehen wir keinen Handlungsbedarf.»

Das Projekt Znünibox sei ein wichtiges Präventionsangebot auf Augenhöhe: «Viele Kinder, Eltern und Lehrpersonen haben Freude daran.» Der Gesundheitsdienst habe eine gute Kooperation mit Swissmilk, bei den der Box beiliegenden Informationen habe man zusammengearbeitet, sagt Jakob.

Vegan nicht entscheidend

«Überhaupt ist bei den Eltern bezüglich Milchkonsum nicht in erster Linie das Thema vegetarische oder vegane Ernährung entscheidend, sondern dass viele Kinder aus einem Kulturkreis kommen, in dem Milchprodukte keine grosse Rolle spielen.» Dieser Tatsache und auch den vielen fremdsprachigen Familien gelte es, gerecht zu werden. Nun ist es am Stadtrat zu entscheiden, ob Lovely weiter über die Znünibox spazieren darf. 

 

Das sagt Swissmilk: «Es gibt gelegentlich Kritik»

«Es gibt gelegentlich Kritik an unseren Massnahmen im Schulbereich», sagt Reto Burkhardt, Kommunikationsleiter der Schweizer Milchproduzenten (SMP), auf Anfrage. Den Vorwurf der Werbung lässt er dabei nicht gelten. «Wir haben keine Produkte wie Emmi oder andere Milchverarbeiter. Wir betreiben Basismarketing für das Nahrungsmittel Milch.» Es gehe dabei um gesunde Ernährung, die auch Teil des Lehrplans 21 sei. Kritik am Znüniböxli habe er vor dem Artikel in der «Berner Zeitung» nie gehört. «Mit dem Berner Gesundheitsdienst pflegen wir eine langjährige, gute und konstruktive Zusammenarbeit», so Burkhardt.