Peter Pfeilschifter ist seit Anfang 2020 CEO der Hochdorf-Gruppe und hat am Donnerstag (19. März 2020) zusammen mit Verwaltungsratspräsident Bernhard Merki und Finanzchef Jürgen Brandt eines der schlechtesten Ergebnisse der Firmengeschichte präsentiert. Im Gespräch am Donnerstagnachmittag sagt er, dass praktisch alles schwieriger war, als erwartet. 

Sind Sie mit dem vergangenen Jahr zufrieden?

Peter Pfeilschifter: Mit dem Geschäftsgang insbesondere bei Baby Care und dem operativen Ergebnis können wir nicht zufrieden sein. Jedoch konnten wir die zwei wichtigsten Massnahmen zur Existenzsicherung des Unternehmens, nämlich die langfristige Verlängerung des Konsortialkredits und den Verkauf der Pharmalys-Beteiligungen, erfolgreich abschliessen.

Was war schwieriger als erwartet?

Es war nahezu alles schwieriger, als erwartet. Als wir Ende 2018 ins Jahr 2019 blickten, war die grösste Herausforderung die Nachfolgeregelung des Schoggigesetzes. Im Laufe der ersten Monate 2019 hat sich dann insbesondere der Aufbau offener Forderungen massiv erhöht. Damit kamen automatisch Liquiditäts- und Finanzierungsfragen ins Spiel. Wir mussten plötzlich die Finanzierung sicherstellen und den Konsortialkredit neu verhandeln. Gott sei Dank haben wir das gemeistert.

Was war einfacher als erwartet?

Das ist natürlich relativ zu sehen. Wir konnten die finanziellen Auswirkungen der Nachfolgelösung des Schogiggesetzes auf ein überschaubares Mass reduzieren. Dies ging jedoch zulasten eines niedrigeren Milchpreises und damit unserer Wettbewerbsfähigkeit in der Milchbeschaffung. Wenn ich ehrlich bin, dann war im letzten Jahr nichts einfach. Es war sicherlich das herausforderndste Jahr in meiner beruflichen Laufbahn.

Wie konnte es so weit kommen?

Verursacht wurde die Situation durch die Akquisitionen der letzten Jahre, die sich nicht wie erhofft entwickelten. Dabei hat sich die Hochdorf-Gruppe übernommen und verzettelt. Zudem wurde die Strategie nicht konsequent umgesetzt. Auch war die Hochdorf nicht richtig aufgestellt, um die vielfältigen Herausforderungen bezüglich Integration, Führung und Weiterentwicklung der zugekauften Tochtergesellschaften umzusetzen.

Sie sind seit Anfang Jahr CEO, waren davor seit März 2019 Interims-CEO. Was haben Sie persönlich aus der Krise gelernt?

Es ist zwar nicht etwas, was ich erst letztes Jahr gelernt habe: Es hat sich aber wieder einmal mehr bewahrheitet, dass qualitatives und nachhaltiges Wachstum wichtiger ist als schnell und unkontrolliert zu expandieren. Die ersten entscheidenden Schritte für die Stabilisierung und die Neuausrichtung der Hochdorf-Gruppe sind getan. Weitere Schritte müssen folgen. Dies wird grosse Anstrengungen und Ausdauer erfordern.

Betrachtet man den Aktienkurs, dann war der schnelle Erfolg aber durchaus interessant. Hat man sich in der Vergangenheit zu stark von Aktionärsinteressen leiten lassen?

Die verfolgte Strategie des schnellen Wachstums hat den Aktienkurs sicherlich beflügelt. Die Aktionärsinteressen spielten dabei keine wesentliche Rolle. Zudem ist der Anteil der an der Börse frei handelbaren Aktien der Hochdorf-Gruppe relativ überschaubar.

Was wird Hochdorf in Zukunft sicher nicht mehr machen?

Wir werden schnelles, unkontrolliertes Wachstum sicher nicht mehr vor Nachhaltigkeit und Substanz stellen. Gerade das Geschäft, in dem wir mit Baby Care und Dairy Ingredients tätig sind, ist von Zuverlässigkeit, Qualität und Präzision geprägt. Wenn Sie so wollen, von echten Schweizer Werten.

Hochdorf ist vergangenes Jahr beim Thur Milch Ring eingestiegen. Wie geht es dort weiter?

Die Thur Milch ist für uns ein strategisches Investment. Einerseits können wir damit die teilweise Versorgung des Werks in Sulgen mit qualitativ hochwertiger Milch sicherstellen. Andererseits wollen wir in Zukunft insbesondere im Bereich Baby Care den Milchursprung aktiver vermarkten. Ich sehe, dass die Konsumentinnen und Konsumenten in punkto Nachhaltigkeit immer sensibler werden.

Ob das zur Folge hat, dass Ihre Produzenten höhere Standards als jene des Grünen Teppichs erfüllen müssen, können Sie aber noch nicht sagen?

Ja, dafür ist es noch zu früh. Swissmilk Green stellt schon Anforderungen, die weiter gehen, als der gesetzliche Standard. Und in der Kommunikation können wir noch aktiver zeigen, wie gut die Schweizer Milch ist, die wir verarbeiten.

Sie haben heute Morgen an der Bilanzmedienkonferenz angetönt, dass die Nachfolgelösung des Schoggigesetzes angepasst werden soll. Was heisst das konkret?

Wir sind bezüglich Schoggigesetz das exponierteste Unternehmen – sowohl über die eigenen Exporte als auch über unsere Kunden in der Schokoladenindustrie. Dadurch waren wir von den Veränderungen von Anfang an am stärksten betroffen. Aus unserer Sicht werden heute nicht alle Mittel dem ursprünglichen Zweck entsprechend eingesetzt. Deshalb führen wir in der Branchenorganisation Milch konstruktive Gespräche.

Wie gross ist das Problem mit der Deckungslücke für Hochdorf tatsächlich?

Als wir 2018 für das Jahr 2019 geplant haben, war die Deckungslücke substanziell. In 2019 haben wir grosse Anstrengungen unternommen, um die finanziellen Auswirkungen zu reduzieren. Dies gelang uns in gewissem Masse, jedoch zulasten des Milchpreises und damit unserer Wettbewerbsfähigkeit in der Milchbeschaffung. Hochdorf verarbeitet 250 bis 300 Mio kg. Milch und trägt substanziell dazu bei, dass die Unternehmen in der zweiten Verarbeitungsstufe Schweizer Milch einsetzen und ihre Produkte erfolgreich exportieren können.

Letzte Frage: Hochdorf ist erstaunlich gut darin, Krisen zu meistern. Wie schaffen Sie es immer wieder, das schlimmste abzuwenden?

Wir verstehen uns nicht als Meister der Krisenbewältigung. Grundsätzlich verfügt die Hochdorf Swiss Nutrition über qualitativ hochwertige Produkte, qualifizierte Mitarbeitende und mit Schweizer Milch über einen ausgezeichneten Rohstoff. Nach vorne blickend gilt es, die Bereiche Baby Care und Dairy Ingrediens umsichtig und nachhaltig weiterzuentwickeln. Dazu haben wir ein umfassendes Massnahmenpaket aufgelegt, welches unsere Marktposition und Innovationskraft stärkt, sowie die operative Leistungsfähigkeit verbessert. Hochdorf steht sozusagen vor einem Neuanfang.