Welche Gründe und Überlegungen stecken hinter dem Zusammenschluss?
Christian Rathgeb: Martin Kellermann hat eine passende, nachhaltige Nachfolge für die Geschäftsführung seiner Firma gesucht. Für den Anbaubetrieb, der Bio Suisse Knospe-zertifiziert ist, lag die Zusammenarbeit mit Rathgeb Bio auf der Hand.
Durch den Zusammenschluss mit der Tomatenproduktion «purnatur» und der Herstellung von küchenfertigen Gemüseprodukten können wir das Sortiment und die Dienstleistungen erweitern.
«Wir wollen die Welt der Bioproduktion mit der ressourcenschonenden, energieeffizienten Produktion von Kellermann Gemüsekulturen verbinden.»
Christian Rathgeb zu den gemeinsamen Zielen
Unser Ziel ist, durch Nutzung von Synergien unseren Kunden das Beste zu bieten.
Wo wird der künftige Firmensitz sein?
Alle bisherigen Firmensitze, Betriebsstätten und Rechtskörperschaften bleiben erhalten. Rathgeb Bio bleibt ein reiner Biobetrieb. Alle bestehenden Geschäftsleitungen und Kaderteams bleiben in der bisherigen Zusammensetzung erhalten. Für die Mitarbeitenden der verschiedenen Standorte ist keine Veränderung vorgesehen. Das Fachwissen der Belegschaft wird neu in allen Anbau- und Verarbeitungsgebieten für beide Firmen optimal genutzt werden.
Zwei Firmen, eine Zukunft
Rathgeb Bio: Das Familienunternehmen wird in dritter Generation von Christian Rathgeb geleitet und ist in Unterstammheim ZH zuhause. Seit 1994 produziert der Betrieb biologisch mit Spezialisierung auf Gemüse und Kartoffeln.
Gemüsekulturen Kellermann: Das 1925 gegründete Familienunternehmen hat seinen Standort in Ellikon an der Thur ZH und baut dort Bio-Freilandgemüse und Tomaten in Gewächshäusern aus nachhaltiger Produktion an. Zur Gruppe gehören der Convenience-Frischprodukteverarbeiter Kellermann.ch AG, der Tomaten-Anbaubetrieb Purnatur AG und der Bio-Anbaubetrieb Thurtaler Gemüse AG.
Wie viele Fläche haben die beiden Betriebe zusammen und wie hoch waren die Umsätze im vergangenen Jahr?
Über Flächendaten und Umsatzzahlen äussern wir uns aus Diskretionsgründen nicht.
Was ändert sich für die Partnerbetriebe von Rathgeb Bio?
Wir arbeiten im Anbau mit rund 60 Partnerbetrieben bewährt zusammen. Da es für den Anbaubetrieb von Kellermann Gemüsekulturen einen bewährten Verkaufskanal gibt, bleibt bei Rathgeb Bio der Flächen- bzw. Produktbedarf seitens Partnerbetriebe vollumfänglich erhalten.
Bei welchen Kulturen suchen Sie noch Produzenten?
Das kann ich nicht pauschal sagen. Aufgrund des breiten Sortiments und Produktinnovationen ist der Bedarf ständig leichten Veränderungen unterworfen.
«Unsere Partnerbetriebe sind sich gewohnt, mit Anpassungen im Sortiment und der Fläche umzugehen.»
Christian Rathgeb zur weiteren Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben
Engagierten, motivierten und professionellen Bioproduzenten gegenüber sind wir jederzeit offen zur Prüfung einer Zusammenarbeit.
Beteiligen Sie sich an den Bundesprogrammen und Produktionssystembeiträgen?
Wir prüfen die Möglichkeiten der Bundesprogramme gründlich und wägen Vor- und Nachteile ab. Bei den jüngsten Bundesprogrammen wie Verzicht auf Pflanzenschutzmittel oder Verzicht auf Insektizide und Akarizide beteiligen wir uns nicht. Die Produktion von qualitativ hochwertigen Produkten für unsere Kunden erfordert höchste Flexibilität im Anbau. Mit der Grösse unseres Sortiments würden wir uns diesbezüglich zu sehr einschränken.
Der Bund fördert Körnerleguminosen. Steigen Sie da ein?
Körnerleguminosen sind interessante und zeitgemässe Kulturen. Es läuft diesbezüglich ein Versuch am Standort in Ellikon. Unser Betrieb konzentriert sich aber auf das Kerngeschäft der Produktion von Kartoffeln, Frisch- und Lagergemüse.
Wie gehen Sie mit den immer strengeren Auflagen punkto Nachhaltigkeit um?
Pauschal gesehen sind die marktseitig nicht nachlassenden Erwartungen an eine kostengünstige Produktion und die Mehraufwendungen im Bereich Nachhaltigkeit ein Spagat für unsere Produktion. Die Erwartung unserer Kunden bleibt weiterhin ein attraktiver Preis.
«Zusätzliche Erwartungen der Gesellschaft an uns sind z. B. ein Beitrag zur Klimaschonung oder Effizienzsteigerungen im Energiebereich, wo wir sukzessive Alternativen zu fossilen Energieträgern ausbauen.»
Christian Rathgeb zu den Erwartungen der Gesellschaft
Punkto Klimaschonung investieren wir in unser wichtigstes Gut, den Boden. Diesbezüglich praktizieren wir regenerative Anbaumethoden auf grösseren Versuchsflächen.
Sie haben die Produktpreise angesprochen. Spüren Sie den Rückgang des Bioabsatzes durch die Teuerung?
Der gesamte Bio-Gemüsemarkt hat einen leichten Dämpfer aufgrund der Teuerung erlebt. Der Markt ist aber zu komplex, um jegliche Veränderung der Teuerung zuzuschreiben.
Welches sehen Sie als grösste Herausforderungen für die beiden Betriebe?
Kontinuität in der Produktion der gewohnten Qualität und Dienstleistung zu erzielen und die Synergien mit dem angestammten Personal zu nutzen.
Das sind die Reaktionen zur Fusion zwischen Rathgeb und Kellermann
Heinz Höneisen, Co-Präsident Bio ZH & SH: «Kein Einfluss auf das Marktgeschehen»
[IMG 3] Wir arbeiten seit einigen Jahren mit der Firma Rathgeb zusammen. Auf Rathgebs Initiative hin haben wir den Betrieb auf Bio umgestellt. Aufgrund unserer Lage können wir früh in der Saison Frühkartoffeln und Frühkarotten liefern. Klar, habe ich mir Gedanken darüber gemacht. Aber auf den Biomarkt wird der Zusammenschluss zurzeit keinen Einfluss haben.
Die Grossverteiler beziehen ihr Gemüse in der Ostschweiz zu grossen Teilen bei der Firma Rathgeb. Auch ist sie wahrscheinlich die Einzige, die genug Finanzkraft aufbringen konnte, um mit Kellermann eine Zusammenarbeit zu realisieren. So ein Betrieb lässt sich nicht mehr gemäss BGBB zum Ertragswert übernehmen. Dazu verfügt Kellermann heute schon über eine CO2-neutrale Heizung zur Produktion in den Gewächshäusern, was von den Grossverteilern immer mehr gewünscht wird.
Peter Schweizer, Co-Präsident Bio Ostschweiz: «Fördert Biolandbau in der Ostschweiz»
[IMG 4] Ich finde, es ist immer bedauerlich, wenn ein Akteur aus dem Markt verschwindet. Sowohl die Rathgeb Bio AG und die Kellermann Gemüsekulturen AG sind und waren für uns Produzenten immer verlässliche Partner. Wir selbst beziehen von Rathgeb Futterrüben und Futterkartoffeln für unsere Milchviehhaltung. Firmenchef Christian Rathgeb und seinem Unternehmen kann man zugute halten, dass sie seit Jahren die Biolandwirtschaft in der Ostschweiz pushen. Das finde ich gut und ich denke auch, dass das beibehalten wird.
Auch hoffe ich, dass das Familienunternehmen weiterhin ein fairer Partner für die Ostschweizer Bauernbetriebe sein wird. Mit der grossen Marktmacht, die sich nun in dem fusionierten Unternehmen vereint, steigt die Abhängigkeit. Aber es ist der Lauf der Zeit, dass Firmen sich weiterentwickeln und wachsen.
Urs Brändli, Präsident Bio Suisse: «Für mehr Effizienz im Warenfluss»
[IMG 2] Bio Suisse freut sich, dass zwei Familienunternehmen in der Ostschweiz ihre Bio-Zukunft gemeinsam gestalten wollen. Mit dem Zusammenschluss von Rathgeb Bio und Kellermann Gemüsekulturen zeigt sich auch bei Bio eine Entwicklung hin zu grösseren Betrieben. Mit vereinten Kräften lassen sich insbesondere grosse Handelskanäle effizient beliefern. Aber kleinere Bio-Gemüsebaubetriebe werden attraktiv bleiben. Ihre Stärken sind die Nähe und der direkte Kontakt zur Kundschaft.
Innovationen vorantreiben und den Biolandbau weiterentwickeln oder die eigene Existenz sichern, hängen nur bedingt mit der Grösse eines Betriebes zusammen. Wer seine Stärken kennt und pflegt und auf die Wünsche seiner Kundschaft eingeht, wird in grossen wie kleineren Strukturen sein beziehungsweise ihr Bio-Glück finden.