Stephan Hagenbuch, Emmi-Chef Urs Riedener sieht die Butterimporte als Zeichen für einen gesunden Milchmarkt, wie beurteilen Sie das?
Stephan Hagenbuch: Für uns ist klar, wir haben lieber eine etwas knappere Butterversorgung, als das Gegenteil, wo wir tausende Tonnen auf den Weltmarkt exportieren müssen. Die Situation ist in dieser Hinsicht deshalb sicher besser als vor Jahren. Der kritische Punkt ist aber einfach, dass wir einerseits importieren und andererseits exportieren via Rohstoffverbilligung. Hier haben wir Optimierungspotenzial, weil die Abschöpfung der Importe in die Bundeskasse geht und die Exportförderung durch die Produzenten finanziert wird. Zusammenfassend gesagt: Der Trend stimmt, aber das Niveau beim Milchpreis nicht.
Aber der Milchpreis ist ja gut 2 Rp. höher als vor Jahresfrist.
Das ist so, gemessen an dem, was ein Molkereimilch-Produzent braucht, um zu investieren, ist das aber einfach zu wenig. Der Preisdruck ist heute zudem permanent, ob nun viel oder wenig Milch auf dem Markt ist und das ist für die Produzenten teilweise sehr frustrierend.
Und was müsste man dagegen unternehmen?
Wir müssen uns bewusst sein, dass wir in einem offenen Markt sind und das unterscheidet uns von anderen Sektoren wie Fleisch oder Gemüse. In Corona-Zeiten sind die EU-Preise stark gefallen, was sofort zu höheren Käseimporten führte. Die Bündelung des Angebotes und die Steigerung der Wertschöpfung bleiben so unveränderte Stossrichtungen.
Das zeigt doch, dass der Markt recht gesund ist.
Die Situation ist besser als auch schon, aber was bei den Bauern grosses Unbehagen auslöst, ist dass die Gesetze von Angebot und Nachfrage bei knapperem Angebot nicht wirklich funktionieren.
Was halten Sie vom Vorgehen von Branchenorganisation Milch (BOM) und Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) in Sachen Butterimporten?
Grundsätzlich war es angepasst, dass der Bundesrat die «Importkompetenz» an das BLW delegiert hat. Dass das BLW dann alle an einem Tisch haben wollte für eine Beurteilung, ist nachvollziehbar. In der BO Milch diskutieren wir immer auf hohem Niveau, inhaltlich und emotional, aber das gehört zum Geschäft. Für uns war klar, dass wir Butterimporte aufgrund der Marktentwicklung nicht freigeben wollen, ohne dass etwas rausschaut für die Produzenten. Der Vorteil ist, dass wir so Schritt für Schritt vorgehen können, ähnlich wie in der Proviande, da werden auch immer wieder kleine Tranchen bewilligt, so können wir ständig den Markt beobachten und entsprechend reagieren.
Weiter verlangen wir von unseren Partnern, dass sie die in der Branche getroffenen Entscheide einhalten. So wurde unter anderem im April 2020 beschlossen, dass die Marken «Floralp» und «Die Butter» nicht für Importbutter zur Verfügung stehen sollen. Nun stellen wir aber fest, dass das eine Worthülse war und nicht gelebt wird. So geht das natürlich nicht für die Zukunft! Hier braucht es Remedur.
Es wird also weiterhin Butterimporte brauchen?
Ich gehe davon aus, dass wir auch im nächsten Jahr Fragen zu Butterimporten beantworten müssen; je nach Marktentwicklung.
Der Hauptgrund für die Butterproblematik ist ja die Attraktivität der Verkäsung, da mischen auch viele Ihrer Mitglieder mit, die stark investiert haben in diesem Sektor. Die Butterknappheit ist also selbst verschuldet, oder?
Noch vor drei Jahren wurde offiziell geklagt, dass die «Lokomotive Käse» keinen Dampf im Kessel habe, jetzt hat sie ein bisschen Dampf im Kessel und es ist auch wieder nicht recht……
Aber es gibt ja Käse und Käse…
Genau, es gibt verschiedenen Käse. Die Frage ist immer, wie gross die Wertschöpfung für die Milchproduzenten dabei ist. Die schlechteste Netto-Wertschöpfung für die Milchproduzenten haben wir – auch ohne Verkäsungszulage – aktuell nicht beim «schlechten» Käse. Wichtig ist dabei auch, dass man Gleiches mit Gleichem vergleicht. Ein Viertelfett-Export-Käse muss preislich eher mit Magermilchpulver als mit Gruyère AOP verglichen werden.
Bei den Rahmenbedingungen hat heute Käse gewisse Vorteile. Wenn bspw. in Käsereien investiert wird, gehe ich davon aus, dass sich die Leute auch solche Überlegungen gemacht haben. Zudem sind wir nicht mehr in der Planwirtschaft und es gibt einen Wettbewerb.
Besteht nicht die Gefahr der Kannibalisierung?
Es ist klar, der Käse ist erfunden. Gruyère und Appenzeller könnten auch als Konkurrenten angesehen werden. Am Schluss ist die Frage, wo haben wir in der Schweiz das beste Knowhow und der Käsemarkt ist nicht nur in der Schweiz immer noch leicht am Steigen. Der Sog in den Käse wird eher noch weitergehen, weil ein Marktpotenzial besteht und die Rahmenbedingungen dank der Verkäsungszulage Vorteile bieten.
Braucht es aus Ihrer Sicht Veränderungen bei der Verkäsungszulage?
Die Verkäsungszulage ist gut, sehr gut. Sie beträgt 15 Rappen und sie soll auf diesem Niveau bleiben. Wir diskutieren seit langer Zeit darüber, ob wir eine fettabgestufte Treppe einführen sollten. Wir haben ja rund 10'000 t Viertelfettkäse, der vor allem «dank» der Zulage produziert wird.
Ursprünglich wurde die Verkäsungszulage eingeführt, um den Rohstoff für den Käse zu fördern, nicht Viertelfettkäse…
Der Staat sollte möglichst neutrale Anreize geben und keine Verwertungslenkung betreiben. Deshalb waren wir auch gegen ein gegenseitiges Ausspielen von Verkäsungs- gegen Siloverzichtszulage, weil das zudem einen Konflikt zwischen den Milchproduzenten gegeben hätte. Jetzt nimmt die Käseproduktion zu und es kann deshalb bei knappen Mitteln durchaus zu Budgetkonflikten kommen. Wenn die Mittel knapp werden, sind wir für eine Abstufung, aber für uns sind die 15 Rp. für normalen Käse, also drei Viertel fett und aufwärts «heilig».
Mit Butter und Pulver werden wir uns auf dem Weltmarkt nie profilieren können, deshalb ist es besser, davon möglichst wenig herzustellen, einverstanden?
Wie gesagt, wir müssen in der Schweiz eine hohe Wertschöpfung erzielen. Wenn ein Milchpulver überdurchschnittliche Wertschöpfung erlaubt, dann sollten wir das tun. Aber mit einem weltweiten Massenprodukt werden wir hier wohl eher nicht rentabel arbeiten können.
Ist der Umbau der Fonds, wie sie der BOM-Vorstand beschlossen hat, sinnvoll?
Wir haben dem zugestimmt und gehen davon aus, dass der Entscheid dazu führt, dass die Stützung beim Eiweiss etwas höher wird und beim Fett etwas tiefer, mit dem Effekt, dass weniger Fett exportiert wird. Es wird nicht mehr Butter produziert, aber sie bleibt vermehrt im Inland, das heisst wir müssen viel weniger importieren, so haben wir das Ziel auch erreicht und für die Milchproduzenten bleibt gleichzeitig mehr.
Dafür müssen die Bauern jetzt wieder 0,9 Rp. mehr bezahlen pro kg in den Regulierfonds.
Natürlich machen wir nicht einfach eine Umverteilungsübung, sondern fordern einen Preiseffekt, der höher ist als 0,9 Rp. Das ist unsere Forderung. Wir haben beschlossen, das «Experiment» mitzutragen und das Ergebnis jährlich zu überprüfen. Wenn wir das unterste Preisniveau bei denjenigen mit den tiefsten Preisen im Molkereimilchmarkt erhöhen können, dann haben wir etwas erreicht für alle.
Die Preise sind über zwei Rappen besser als vor Jahresfrist, ist das eine Einjahresfliege oder sehen Sie eine nachhaltige Erholung des Marktes?
Die Mengenentwicklung ist rückläufig, diese Tendenz wird anhalten. Die Agrarpolitik ist zudem wirklich kein Förderprogramm für die Milch. Was macht ein Landwirt, der eventuell mit Mühe den Absenkpfad Nährstoffe einhalten muss? Schweine haben derzeit attraktive Preise, beim Geflügel ist Vertragsproduktion, da ist der Ausstieg aus der Milch nicht weit weg, wenn die nächste Generation zudem nicht 365 Tage eingespannt sein will.
Macht Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Ein knapper Markt ist für uns grundsätzlich besser. Aber was uns Sorgen macht ist das sehr zurückhaltende Investitionsverhalten. Es hören auch «grosse» Produzenten auf, Betriebe mit 300'000 kg jährlich. Milch ist arbeits- und kapitalintensiv, man ist angebunden und sollte ständig verfügbar sein. Deshalb wird die Menge weiter unter Druck kommen.
Werden dazu in der BOM Diskussionen geführt?
Die Produzentengruppen sehen das längstens. Anders als früher sind freiwerdende Produktionsrechte nicht mehr so begehrt, die Leute stehen nicht mehr an, wie das lange der Fall war. Dort spürt man es auch.
Was unternehmen Sie dagegen?
Das eine sind die Rahmenbedingungen, für die wir täglich kämpfen. Wir gehen schon davon aus, dass wir den Preis angesichts der etwas knapperen Menge ausbauen können, aber wenn wieder ein Gewitter kommt aus der EU oder von anderswo, dann können wir immer wieder unter Druck kommen, das ist ein permanenter Kampf.
Die SMP haben nach der Entstaatlichung des Milchpreises Anfang 90er Jahre stark an Marktmacht verloren, worin sehen Sie heute die wichtigste Rolle des Verbands?
Sie reden von einem Zeitalter, an das ich mich dank fortgeschrittenem Alter noch ganz knapp aus der verlängerten Schulzeit erinnern mag. 1990 war der ZVSM, unsere Vorgängerorganisation bis 1999 z. T. eine parastaatliche Organisation. Das gibt es nicht mehr. Heute sind wir die Interessenvertretungs-Organisation der 19‘000 Schweizer Milchproduzenten.
Trotzdem ziehe Sie immer noch umfangreich Beiträge ein.
Wir erbringen Leistungen. Die Marketingbeiträge sind das eine, hier arbeiten wir auch beim Output auf hohem Niveau. Der Milchkonsum in der Schweiz ist sehr hoch. Und was die Mitgliederbeiträge für die Interessenvertretung angeht, sind diese durch Einsparungen um 10% gesunken 2017. Von den rund 5,5 Mio Fr. Einnahmen aus Mitgliederbeiträgen geben wir zudem knapp 40% für Mitgliedschaften bei anderen Verbänden und Institutionen etc. aus.
Oft sind Entscheide diffus, weil Sie zahlreiche Interessenvertreter aus der Molkereibranche im SMP-Vorstand haben, ist das ein Problem oder ein Vorteil für die Produzenten?
Wir haben 21 Vorstandsmitglieder und alle haben Milch-Kühe zuhause, kein einziger ist ein «Funktionär», wobei das seit 2000 so ist. All unsere Entscheidungsträger sind von der regionalen Basis für eine Amtsperiode gewählt und legitimiert. Es gibt wenige Personen, die weitere Funktionen wahrnehmen. Das alles ist bei den SMP über Internet transparent rund um die Uhr einsehbar. Gut vernetzte Personen sind im Weiteren kein Nachteil, das ist ein klarer Vorteil. Ich habe damit auch kein Problem, wenn die Rolle klar ist. Leute, die auch das andere Business verstehen und über die Stalltüre hinaus wissen wie ein Grossverteiler etc. tickt, müssen wir auch haben. Wir können jeden getroffenen Entscheid erklären. Und sagen Sie mir jetzt doch noch einen konkreten Entscheid, der für Sie diffus war?
Es geht ein wenig um den Gesamteindruck. Aber nehmen wir doch die ursprünglich im Agrarpaket 2020 vorgesehene Direktauszahlung der Zulagen, welche die SMP abgelehnt haben.
Wir haben in diesem Fall eine saubere Auslegeordnung gemacht und Vor- und Nachteile einander gegenübergestellt; in der Kommission Käsereimilch sowie im Vorstand zweimal unter Milchproduzenten diskutiert. Am Schluss haben nach kontroverser Diskussion die negativen Punkte aus Sicht der Milchproduzenten deutlich überwogen, die Kollateralschäden wie etwa Preisdruck schienen uns deutlich zu gross. Ich habe noch selten ein Geschäft erlebt, das nur positive oder nur negative Auswirkungen hatte. Am Schluss hat übrigens nach anfänglicher Skepsis auch der Schweizer Bauernverband unsere Argumentation übernommen. Haben Sie noch weitere «diffuse» Entscheide zur Klärung?
Nein, aber weitere Fragen: Seit einem Jahr gibt es Swissmilk Green, wie sieht Ihre Bilanz aus?
Ich glaube, die Schweizer Milchbranche hatte einen anständigen Start mit diesem Projekt. Die SMP stehen dahinter. Wir konnten das Profil für Schweizer Milch schärfen und auch die 3 Rp. werden auf 70 bis 80% der Menge ausbezahlt. Das muss uns zuerst jemand nachmachen. Als SMP allein hätten wir das aber nie geschafft, so etwas braucht Zusammenarbeit innerhalb einer Branche. Aber wir haben noch viel Arbeit vor uns. Nach dem Match ist vor dem Match. Namentlich bei der Fütterung wird es in den nächsten Jahren noch viele Diskussionen geben.
Noch ein Wort zur Agrarpolitik 2022+?
Die SMP haben beschlossen, dass wir den Schweizer Bauernverband unterstützen in seiner ablehnenden Haltung. Unser Problem mit dem Bundesratsvorschlag ist, dass das Rindvieh –obwohl 100% standortgerecht - wieder zum Verlierer gestempelt wird. Ich gehe davon aus, dass das letzte Kapitel noch nicht geschrieben ist, im Ständerat wird’s sicher noch heisse Diskussionen geben.