Am vergangenen Samstag, 20. September, fand auf dem Leimbihof der Stadt Zürich der Hauptevent des diesjährigen «Lokal + fair»-Tages des Vereins Faire Märkte Schweiz (FMS) statt. Mit «Lokal + fair» will der Verein direkte Absatzwege und faire Handelsbeziehungen stärken – und damit der Bevölkerung gesunde, nachhaltige Produkte nahebringen.

Stadtrat für Direktvermarktung

Das ist auch das Anliegen von Stadtrat Andreas Hauri, der dem Stadt-Zürcher Gesundheits- und Umweltdepartement vorsteht. «Lokal und fair liegt auch mir am Herzen», sagte der grünliberale Politiker in seiner Festansprache. Dabei erwähnte er die Ernährungsstrategie der Stadt Zürich. Vorgesehen ist, dass die 165 städtischen Verpflegungsbetriebe sich neu mit mindestens 50 % Labelprodukten (z. B. Bio, Demeter, IP Suisse, Fair Trade) eindecken müssen. Auch würden insbesondere in Schulen, Kitas oder Altersheimen allen Bevölkerungskreisen eine nachhaltige Ernährung nähergebracht.

Konkreter wurde – was die Landwirtschaft betraf – Bernhard Koch, Fachbereichsleiter Landwirtschaft. 10 % der Stadtzürcher Fläche würden landwirtschaftlich genutzt. Der Stadt gehörten 14 Landwirtschaftsbetriebe – eben auch der Leimbihof, wo der Faire-Märkte-Schweiz-Event stattfand. Er erinnerte die Besucher(innen) des Aktionstages daran, dass der Konsum lokaler Produkte dazu beitrage, dass die landwirtschaftlichen Flächen in der Stadt Zürich attraktiv und vielfältig bewirtschaftet werden.

Für faire Preise

Faire Märkte Schweiz setzt sich für fairere Marktbedingungen ein. Vorstandspräsident Stefan Flückiger und Co-Geschäftsführerin Stéphanie Lichtsteiner kritisieren, dass die Bauernfamilien aufgrund der schwierigen Preissituation einen zu geringen Anteil der Wertschöpfung erhalten. Ursache dafür sei oftmals das Marktungleichgewicht. Die Fachhochschule Nordwestschweiz untersucht in ihrem Auftrag die Preisrelationen von Bio-, IP-Suisse- und konventionellen Produkten. Die neuesten Ergebnisse erscheinen nächstens.

«Es liegt auf der Hand, dass die Nahrungsmittel, die hier vor Ort produziert werden, möglichst auch vor Ort verarbeitet, verkauft und konsumiert werden sollen», sagte er. Grün Stadt Zürich, verantwortlich für die Pflege und den Unterhalt sämtlicher städtischer Grünräume, statte deshalb alle städtischen Landwirtschaftsbetriebe mit Verarbeitungs- und Verkaufsräumlichkeiten aus.

Er wies darauf hin, dass die städtischen Betriebe wie alle Landwirtschaftsbetriebe Milch, Fleisch, Getreide, Gemüse, Beeren und noch viel mehr produzieren. «Aber in der Stadt sind noch andere Leistungen der Landwirtschaft gefragt», betonte er. Weiden und Äcker würden zusammen mit Pärken und Wäldern Erholungsraum bieten, um der Hektik des Alltags zu entfliehen. «Auch lassen unsere Betriebe die Bevölkerung an der Nahrungsmittelproduktion teilnehmen», fuhr er fort. Das schaffe Verständnis für Anbaurisiken und die Saisonalität der Produktion.

[IMG 2-3]

Mosten mit Elena und Jann

An der Nahrungsmittelproduktion teilnehmen konnten auch die Familien und Kinder, als Pächter Jann Deflorin zusammen mit seiner Angestellten Eliana Josty am Aktionstag die Mostpresse bediente. Derweil führte Deflorins Partnerin Aline Tüfer durch den Hühnerstall und den Hofladen, wo man Eier kaufen konnte. Auch der kulinarische Genuss kam mit hofeigenen Produkten nicht zu kurz.

Wer übrigens Jann Deflorin und Aline Tüfer kennenlernen will, hat die Gelegenheit dazu am Martinimarkt, der am 8. November in der Stadtgärtnerei Zürich stattfindet. Zusammen mit Mitarbeitenden des Gutsbetriebs Juchhof und den Pächterfamilien von Waidhof und Riedenholzhof präsentieren sie an einem Stand ihre Produkte «Frisch vom Stadtpur».

«Neue Pächter und neue Bewirtschaftungsformen stossen nicht überall auf Verständnis»

Nachgefragt bei Bernhard Koch

Zurzeit finden schweizweit viele Hofübergaben statt. Ist das auch ein Thema bei den städtischen Pachtbetrieben?

Bernhard Koch: Das ist so. Wir haben viele Neuverpachtungen. Den Leimbihof haben auf den 1. Januar 2025 Aline Tüfer und Jann Deflorin gepachtet. Einen Generationenwechsel gibt es auch beim Döltschihof am Friesenberg und beim Schipferhof in Wollishofen. Der Döltschihof wechselt 2027 von der Familie Obrist auf Silja Graf und Jonas Jakob und ebenfalls 2027 übernehmen Annalena Tinner, Jeannine Saegesser und Lea Losinger den Schipferhof von der Familie Sierts-Braun. Die nächste Pachtausschreibung betrifft den Rishof, den wir in den nächsten Jahren neu aufbauen wollen.[IMG 4]

Welche Vorgaben muss man erfüllen, wenn man einen Betrieb von Grün Stadt Zürich pachten will?

Die Bewirtschaftung nach den Richtlinien von Bio Suisse ist Pflicht. Dann müssen uns die Bewerber(innen) ein Konzept präsentieren, das unsere Rahmenbedingungen erfüllt. Dazu zählen beispielsweise lokale Vermarktung und Gewährleistung der Zugänglichkeit für die Bevölkerung. Da die Pächter auf eigene Rechnung und Gefahr wirtschaften, muss auch die Wirtschaftlichkeit gegeben sein.

Welche Rahmenbedingungen sind konkret für die Pacht des Rishofs vorgesehen?

Der Rishof liegt in direkter Nachbarschaft zum Leimbihof und umfasst ca. 10 ha. Dazu gehören ca. 1,5 ha Ackerfläche gegenüber dem Bahnhof Leimbach. Geplant ist dort, mit einem sogenannten landschaftlichen Park Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bevölkerung zu schaffen, beispielsweise durch ein Agroforstsystem mit Gemeinschaftsgärten. Zum Betrieb gehören zudem eine 4,5-Zimmer- und eine 2,5-Zimmer-Wohnung, die man z. B. für soziale Integrationsaufgaben nutzen könnte. Zurzeit befassen sich ZHAW-Studenten im Modul «Produzierende Stadt» mit dem Betrieb. Sie erstellen selbst auch Konzepte und prüfen dabei die Wirtschaftlichkeit. Vorgesehen ist die Pachtausschreibung auf den Sommer 2026.

Wie reagiert die Bevölkerung auf die vielen Pächterwechsel?

Die Anwohnerschaft schaut sehr genau hin. Neue Verpächter und neue Bewirtschaftungsformen stossen nicht überall auf Verständnis. Dabei übernehmen wir eine Vermittlungsrolle. Beim Leimbihof störten beispielsweise die Kuhglocken und dass plötzlich Mais angebaut und der Kinderspielplatz umgebaut wurde. Sobald die Kuhglocken vom Tisch waren, kehrte der Frieden aber ein. Beim Adlisberghof, den seit April 2024 das Team Slow-Grow/Hof-Labor regenerativ bewirtschaftet, gab es Rückmeldungen über die Mosaiklandwirtschaft, die sich halt anders präsentiert als die vorherigen grossen Getreideäcker. Auch wurde die Wirtschaftlichkeit in Zweifel gezogen.

Herrscht denn bei der Bevölkerung die Stimmung «Wir bezahlen schliesslich Steuern, die Bauernbetriebe gehören quasi auch uns – also wollen wir mitreden und mitbestimmen»?

Es gibt unterschiedliche Stimmen. Die Anwohnerschaft ist an die bisherige Bewirtschaftung gewöhnt. Man kann die Bevölkerung aber auch auf Veränderungen vorbereiten. Beispielsweise kamen mit der Ankündigung des Pächterwechsels beim Schipferhof Ängste auf, dass der Betrieb verschwinden könnte. Da der Schipferhof in Wollishofen stark verankert ist, starteten wir einen Mitwirkungsprozess. Das begann mit einem Startevent, an dem rund 100 Personen teilnahmen, ging weiter mit einer Begleitgruppe, bestehend aus Anwohnern und Vertretern der im Quartier ansässigen Vereine, und endete mit einer Grossveranstaltung. Klar merkten wir, dass sich nicht nur direkt betroffene Anwohner mitmachten, sondern auch andere, mit «verrückten» Ideen, diese Plattform nutzen wollten. Aber die Anlässe waren sehr gut strukturiert und moderiert, sodass eine ausgewogene Meinungsbildung über die zukünftige Ausrichtung möglich war.

Die Stadt Zürich will das Netto-Null-Ziel für Treibhausgasemissionen bis 2035 erreichen. Was bedeutet das für die Betriebe?

Langfristig heisst es sicherlich, die Tierzahl zu reduzieren. Gleichwohl braucht es aber auch Dünger für die Ackerkulturen. Eigentlich fällt in den Siedlungen durch die Fäkalien auch Dünger an. Deshalb starten wir einen Versuch mit Komposttoiletten, wo die Ausscheidungen zu Dünger aufbereitet werden. Zurzeit darf man diesen in der Landwirtschaft nicht nutzen. Aber für unseren Versuch haben wir die Zusage vom Bund, Kanton, Bio Suisse und dem FiBL, sodass wir so einen Versuch zusammen mit der Firma Valoo starten können. Das ist aber nur eine der Massnahmen, die wir im Rahmen der Klimastrategie umsetzen. Andere laufen bereits, beispielsweise Agroforstsysteme, wie es auch mit dem Rishof geplant ist.