«Nachhaltig ist es, wenn es viele Sterne darauf hat.» Das ist der Slogan, mit dem Detailhändlerin Migros aktuell die Nachhaltigkeit ihrer Produkte erklärt. Denn, warum schwierig, wenn es auch einfach geht? «Nachhaltig einkaufen leicht gemacht: die M-Check Nachhaltigkeitsskala.»

Die Konsumentin kann also schon auf der Verpackung einsehen, wie nachhaltig der Inhalt produziert wurde. Produkte wie die Wiesenmilch stehen gut da. Sie holt im M-Check sowohl beim Tierwohl als auch bei der Klimaverträglichkeit vier von möglichen fünf Sternen. Damit ist sie übrigens analog diversen Trinkmilchprodukten aus dem Bio-Kanal eingestuft. Ein gutes Zeugnis also.

Ein IP-Suisse-Wiesenmilchproduzent muss dafür auch mehrere Anforderungen erfüllen, nämlich:

  • die gesamtbetrieblichen Anforderungen IP-Suisse
  • die allgemeinen Anforderungen an die Labelproduktion (Bsp. Biodiversität)
  • und spezifische Anforderungen in der Wiesenmilchproduktion

Weiter ganz wichtig und im Leitfaden vom September 2018 für die IP-Suisse-Produzenten fett geschrieben: Kein Soja in der Fütterung und die Teilnahme am RAUS-Programm.

Möglichst keine Konkurrenz

Die Kuh als Wiederkäuer biete optimalste Voraussetzungen zur Verwertung von der für den Menschen unverdaulichen Cellulose. Eben diese Eigenschaft solle mit der Wiesenmilchproduktion gefördert werden, heisst es bei IP-Suisse. Der Einsatz von protein- und energiehaltigen Ergänzungsfuttermitteln, die zum Teil direkt die menschliche Ernährung konkurrenzieren würden, sollen daher möglichst gering gehalten werden. Als Kraftfutter werden sämtliche Futterkomponenten auf Basis von Getreide und Eiweissträgern berücksichtigt. Und obschon der Einsatz von einheimischen Futtermittelkomponenten gefördert werden soll, gilt das absolute Soja-Verbot auch für inländische Ware.

Soja ist mit 48 % ein hochkonzentriertes Eiweissträger. Wie Hansueli Rüegsegger von der UFA AG in Herzogenbuchsee BE sagt, gibt es in diesem Bereich einzig Maiskleber, der sich für den Milchviehbereich eignet und mit 58 % gar noch mehr Rohprotein aufweist als Soja. Die restlichen Eiweissträger wie beispielsweise Rapsextraktionsschrot würden mit max. 34 % deutlich tiefere Eiweissgehalte aufweisen.

Herkunft der Eiweissträger ändert sich

Im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsversprechen der Migros dürfte die Frage nach der Herkunft dieser Futterkomponenten interessieren. «Soja stammt unterdessen zu deutlich mehr als 80 % aus Europa. Der Rest stammt aus GVO-freiem und nachhaltigem Anbau aus Übersee», weiss Hansueli Rüegsegger. Maiskleber hingegen stamme grösstenteils aus China und nur eine geringe Menge komme aus Europa, führt Rüegsegger weiter aus. «Entsprechend ist es äusserst bedenklich, dass der Einsatz von Soja bei den Wiesenmilchproduzenten verboten ist und alternativ auf Maiskleber ausgewichen wird», moniert er. Soja sei die Königin bei den Eiweissträgern. Der Anbau sei nachhaltig. «Als Leguminose besorgt sich Soja den Stickstoffdünger aus der Luft. Für die Milchkuh hat Soja zudem ein ideales Aminosäureverhältnis. Bereits mit einer geringen Menge können Rationen effizient ausgeglichen werden», erklärt Rüegsegger.

Komplett neue Situation

Für die Landwirte sei der Einsatz von Soja interessant und weise ein sehr gutes Preis-LeistungsVerhältnis auf. «Vor 10 oder 15 Jahren hatte das Sojaverbot durchaus seine Begründung, da der grösste Teil aus Brasilien importiert wurde – obschon bereits damals zum grössten Teil aus nachhaltigem Anbau. Mit der Förderung des Anbaus in Europa hat sich die Situation komplett verändert. Entsprechend sollten sich auch die Labels weiterentwickeln», ist Hansueli Rüegsegger sicher.

Auch preislich scheint Soja die Nase vorn zu haben. «Beinahe sämtliche Rohwaren sind im letzten Jahr deutlich teurer geworden, insbesondere die Eiweisshaltigen. Bei Maiskleber steigt der Preis weiterhin an, während sich Soja stabilisiert. Ein Soja-Verbot verteuert die Produktion somit zusätzlich», ist Rüegsegger sicher.

Die Preise steigen weiter

Die Rohwarenverfügbarkeit für die Schweizer Nutztierhaltung ist indes gewährleistet. Wohin sich die Preise entwickeln, sei jedoch sehr schwierig zu sagen, erklärt Hansueli Rüegsegger auf die Frage, wie sich Angebot und Preis, aber auch Verfügbarkeit entwickeln dürften. «Bei einigen Rohwaren, z. B. beim Maiskleber oder auch bei faserreichen Produkten, steigen die Preise weiterhin an. Bei anderen, wie Fetten, Ölen und auch Soja, ist eine leichte Preisentspannung in Sicht», erklärt er. Der Schweizer Markt sei bei vielen Rohwaren, wie zum Beispiel den Proteinträgern, vom Weltmarkt abhängig.

«Die vergangenen Monate haben uns gelehrt, dass es plötzlich sehr schnell gehen kann und sich einzelne Rohwaren innert kürzester Zeit rasch verteuern können. Es ist vergleichbar mit dem Blick in die Kristallkugel, auf welchem Niveau sich die Preise in einigen Monaten befinden», schliesst Rüegsegger.

Nachgefragt bei Christophe Eggenschwiler, Geschäftsführer IP-Suisse: «IP-Suisse ist sich der Thematik bewusst»

Was sind die Gründe für ein Fütterungsverbot von Soja bei der Wiesenmilch?
Christophe Eggenschwiler: Der Begriff «Wiesenmilch» deutet darauf hin, dass diese Milch glaubwürdig für eine Fütterung mit schweizerischem Raufutter sprechen soll. Soja ist kein Raufutter und dazu eine Ackerfrucht, die nicht in genügenden Mengen in der Schweiz angebaut werden kann. Dazu gibt es beim Sojaanbau immer die zum Teil legitime Befürchtung, dass die Produktion zulasten von natürlichen und intakten Ökosystemen geht. Als letzter Punkt darf sicher noch erwähnt werden, dass der Eiweissträger Soja ursprünglich für menschliche Ernährungszwecke angebaut worden ist.

Ist dieses Verbot noch zeitgemäss?
Sollte es mehr Gründe geben, die für als gegen eine Aufhebung des Verbots sprechen, dann sollte die Aufhebung umgesetzt werden.

Soja stammt zu mehr als 80 Prozent aus Europa. Der hoch konzentrierte Eiweissträger kann, will man die Qualität halten, einzig mit Maiskleber ersetzt werden. 80 Prozent des Maisklebers stammt aus China. Chinesischer Maiskleber im Wiesenmilchfutter – wie beurteilen Sie das?
Prioritär ist für uns der höchstmögliche Raufutteranteil bei der Produktion von Wiesenmilch. Muss die Fütterung mit einem Eiweissträger ergänzt werden, muss dieser wenn möglich aus der Schweiz stammen, GVO-frei sein und sollte kostenmässig keinen Nachteil verursachen. Als Nebenprodukt aus der Maisstärkegewinnung ist Maiskleber abgesehen von seiner Herkunft grundsätzlich ein passendes Alternativprodukt. Wir haben in der Schweiz mit dem Rapsextraktionschrot auch ein ausgezeichnetes Ersatzprodukt.

Sind hier Korrekturen angedacht, wenn ja, welche?
IP-Suisse ist sich der Thematik bewusst. Sobald ein Korrekturbedürfnis offensichtlich ist und gleichzeitig die IP-Suisse-Labelanforderungen nicht tangiert werden, wird IP-Suisse Anpassungen vornehmen.

Von welchem Zeithorizont sprechen wir hier?
So schnell wie möglich und so langsam wie nötig. Die Tragweite einer solchen Entscheidung ist nicht zu unterschätzen. Der Vorstand prüft die IP-Suisse-Richtlinien laufend.

Soja gilt als Königin der Eiweissträger. Der Soja-Anbau wäre auch hierzulande möglich. Sind vonseiten IP-Suisse Bemühungen in Gang, die Anbaumenge zu erhöhen?
Klar ist IP-Suisse sehr stark an einer einheimischen Eiweissproduktion interessiert. Nicht nur Soja, auch Erbsen und Bohnen. Letztere sind eher an unsere klimatischen Bedingungen angepasst. Wir haben gerade kürzlich Mitglieder angeschrieben und ihnen mitgeteilt, dass wir Produzentinnen und Produzenten für Erbsen und Ackerbohnen suchen. Vielleicht sollten wir dies auch für Soja tun.

Kommentar von Simone Barth: Soja-Verbot muss weichen
Nein, chinesische Eiweissträger passen nicht zu Schweizer Wiesenmilch. Darin dürften alle Beteiligten einig gehen. Klar ist: In die Wiesenmilch gehört in erster Linie Wiesenfutter. Zur Gesunderhaltung der Kühe und zur optimalen Nutzung der Fläche ergibt es aber auch Sinn, die Ration zu ergänzen. Wenn die Zuständigen bei IP-Suisse jetzt auf die Betriebe gehen und dabei einen Blick in die Milchviehställe werfen würden, dann könnten sie sehen, welchen Wert Herbstgras hat. Zu verlangen, dass Kühe, wie sie heute dastehen, einzig mit Wiesenfutter und zweitklassigem Protein gefüttert werden sollten, ist naiv.

Wir sprechen von Nachhaltigkeit. Und dazu gehört nun einmal, dass die nötigen Anpassungen auf dem Weg dahin verträglich gemacht werden. Unter anderem heisst dies, dass wir die Kühe, die im Stall stehen, optimal versorgen. So, dass sie gesund bleiben und jene Milch geben, die ihnen ihre Genetik auch vorgibt. Die Bauernfamilien wollen kein Futter aus China und sie wollen auch die Leistungen ihrer Kühe nicht mit Unterversorgung drosseln. Zudem rechnen auch die Konsumenten wohl nicht damit, dass Wiesenmilchkühe Futter aus China vorgesetzt bekommen. Der Ball ist bei IP-Suisse: Das Sojaverbot muss über Bord – und zwar rasch.