Ist der Markt für landwirtschaftliche Produkte in der Schweiz fair? Und was heisst fair überhaupt? Die Volkshochschule Thurgau lud am 14. Januar Stefan Flückiger, Präsident Faire Märkte Schweiz (FMS), ans Berufsbildungszentrum (BBZ) Weinfelden, als Referent zu diesem Thema ein.

«Fair» statt «gerecht»

Laut Stefan Flückiger ging es beim Begriff «fairer Handel» früher darum, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kleinbauern und Arbeitern in der dritten Welt zu verbessern. Man habe sich gezielt auf den Begriff «fair» und nicht etwa «gerecht» geeinigt, weil die Gerechtigkeit eben ein relatives Mass sei. Beim Begriff «Gerechtigkeit» gebe immer jemanden gebe, der ungerecht behandelt werde, darum spricht man lieber von «Fair». Unter einem fairen Markt versteht FMS einen Markt mit einem förderlichen Wettbewerb, der insbesondere die Interessen der schwächeren Vertragspartie sicherstellt und dadurch den Markt in eine «nachhaltige» Richtung entwickelt.

Unfaire Marktstrukturen

Das Problem sei jedoch laut Stefan Flückiger, dass die Märkte hierzulande nicht fair seien.

Ein Hinweis auf eine potenzielle «Unfairness» sei durch die Marktstruktur gegeben. In dieser stehen viele Produzenten wenigen Verarbeitern resp. Detailhändlern gegenüber. Solche Marktstrukturen bezeichnet die Wirtschaftstheorie als einen oligopsonistischen Markt.

In diesem Markttyp sitzen die Nachfrager (Verarbeiter) am längeren Hebel. Als Resultat kaufen sie günstig ein und profitieren, gerade bei Nischen- oder Markenprodukten, von hohen Verkaufsmargen. Das Besondere am Schweizer Markt sei, laut Stefan Flückiger, auch die sehr wirtschaftsfreundliche, liberale Gesetzgebung. In dieser werde der Staat von allein nicht aktiv, es brauche also einen Kläger, sprich jemanden, der mutig genug ist und den «Kopf hinausstrecke». Dazu seien nicht viele bereit, weil man eben aufgrund der Wirtschaftsstruktur von den Abnehmern abhängig sei. «So lange alle den Mund halten, geschieht nichts», sagt Flückiger.

Mit Dialog und Druck

Anders sehe es zum Beispiel in der EU aus. Hier können die Behörden von allein aktiv werden, wenn es Anzeichen für Unfairness oder Marktabsprachen gibt.

Ziel von FMS ist es darum, mehr Transparenz in das System zu bringen und benachteiligte Parteien im Kampf um ihr Recht zu unterstützen.

Dazu arbeitet der Verein mit den betroffenen Personen zusammen, gehe Hinweisen nach und informiere gegebenenfalls die Behörden.

Im Wesentlichen arbeite man, so Stefan Flückiger, «mit Dialog und Druck». Als erste Massnahme schreibe man Unternehmen an und bitte um eine Stellungnahme. Als weitere Massnahme arbeite man mit verschiedenen Anwälten zusammen, die sich auf «Kartellrecht» spezialisiert haben.

Bei «absolut krassen Fällen» gehe man schliesslich bis vor die Wettbewerbskommission.

«Margen bedeutend tiefer»

Was sagt der Detailhandel zu diesen Anschuldigungen? Peter Diethelm, CEO der Geschäftsleitung der Migros Supermarkt AG, der als Zuhörer an der Veranstaltung teilnahm, wies die Vorwürfe von Flückiger zurück.

Die Margen seien, so Diethelm, wegen der starken Konkurrenz im Detailhandel tiefer, als Faire Märkte Schweiz angebe. Die hohen Margen bei Bio-Fleisch-Edelstücken täuschten zudem auf den ersten Blick, weil mit dem verdientem Geld die sonstigen Bio-Fleisch-Stücke, die nicht unter dem Label verkauft werden können und darum deklassiert werden, querfinanziert werden müssten.

Tiefe Weltmarktpreise

Und wie reagiert der Schweizer Bauernverband (SBV)? Eine Antwort dazu lieferte Urs Schneider, ehemaliger Stv. SBV-Direktor und Kampagnenleiter, der ebenfalls als Zuhörer an der Veranstaltung teilnahm.

Laut Schneider seien die tiefen Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt das Hauptproblem. Als Folge würden günstige Lebensmittel nicht dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden, sondern dorthin, wo die grösste Kaufkraft herrsche.

Der einheimische Markt müsse darum via Grenzschutz primär vor Importen geschützt werden. Solange das nicht genügend geschieht, bleibe der Landwirt ein Restgeldbezieher.

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