«Auf landwirtschaft­lichen Betrieben kommt immer häufiger Alternativmedizin zum Einsatz», stellte Arenenberg-Berater Bruno Ottiger am 28. Juni 2024 im thurgauischen Tuttwil fest. Dieser Trend war an der Regionaltagung Mutterkuh Mittelland Ost Anlass, über die Verwendung pflanz­licher Arzneimittel zu informieren. «Eine Vielzahl von gängigen Medikamenten hat ­einen pflanzlichen Ursprung», sagte Werner Brunner von der Solothurner Firma Animalmed, die sich auf natürliche Produkte für Nutztiere spezialisiert hat. Als Beispiel nannte er Aspirin, dessen Wirkstoff von der Weiderinde stammt. 

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Gut kombinierbare Mittel

Die Phytotherapie, welche ausschliesslich auf die Wirkung von Pflanzen setzt, eignet sich gemäss Werner Brunner nicht nur zur Heilung und Linderung von Krankheiten, sondern auch zur Vorbeugung. Einer ihrer Vorteile ist, dass sich damit auch bakteriell-virale Mischinfektionen behandeln lassen. Gerade bei ­Erkrankungen der Atemwege kommt es häufig zu einem Zusammenspiel von Viren und Bakterien. Antibiotika dagegen wirken einzig gegen Bakterien, ihre Verwendung fördert zudem Resistenzen. 

Ausserdem müssen bei pflanzlichen Arzneien keine Absetzfristen eingehalten werden, und sie sind gut kombinierbar mit der Schulmedizin. «Es liegen heute zahlreiche Studien vor, welche die Wirksamkeit der Phytotherapie belegen», so der Landwirt und Agrotechniker.

Gegen Durchfall und Atemwegserkrankungen

Ein häufiges Anwendungsgebiet für pflanzliche Arzneimittel im Kuhstall sind Erkrankungen der Atemwege. «Dabei kann es sich etwa um Schnupfen, Grippe, Lungenentzündung, Bronchitis oder Lungenödem handeln», sagte Werner Brunner. Zur Behandlung der Atemwege sind laut dem Phytotherapie-Berater ätherische Öle besonders ge­eignet. Sie gelangen über die Schleimhäute ins Blut und in die feinsten Verzweigungen der Bronchien. Phytotherapie kommt auch bei Durchfall zum Einsatz, der häufigsten Erkrankung bei Kälbern in den ersten Lebenswochen und für zahlreiche Verluste verantwortlich. Bei jungen Tieren spielt zudem die Prävention eine wichtige Rolle: «Das Immunsystem von Kälbern ist noch nicht ausgereift, daher braucht es Unterstützung», so Brunner. Er nannte Beispiele für Pflanzen, die im Stall häufig zum Einsatz kommen: 

  • Thymian: Seine Hauptwirkstoffe Thymol und Carvacrol hemmen das Wachstum von Bakterien, Pilzen und Viren. Indem sie die Schleimhäute reizen, erhöhen sie den Wassergehalt des Schleims und fördern den Auswurf bei Husten. Thymian kann den Tieren beispielsweise in Form von Tee oder mit Torf vermischt ad libitum angeboten werden. 
  • Eichenrinde: Die enthaltenen Gerbstoffe lassen die Darmschleimhaut zusammenziehen, was es Erregern erschwert, sich auszubreiten. Eichenrinde wirkt zudem gegen Durchfall und kann auch zur Ausleitung von Giftstoffen verwendet werden.
  • Tormentill: Die Pflanze ist auch unter dem Namen Blutwurz bekannt, weil beim Aufschneiden der Wurzel roter Saft austritt. Tormentill enthält ebenfalls Gerbstoffe, die zusammenziehend, durchfallhemmend und antimikrobiell wirken. Da Blutwurz milder ist als Eichenrinde, empfiehlt sich ihr Einsatz vor ­allem bei jüngeren Kälbern. ­Tormentill wird zudem eine appetitanregende Wirkung zugeschrieben. 

Mehrerlös pro Kalb erzielt

Abo Tiergesundheit Tannenäste und Thymian: Ein natürlicher Kick für das Immunsystem Monday, 23. January 2023 Ätherische Öle lassen sich auch mischen, wobei sich die einzelnen gegenseitig verstärken können. Eine Studie bei Mastkälbern zeigte, dass eine Torfmischung mit Eichenrinde, Thymian und Bockshornklee zu einer um 110 Gramm höheren Tageszunahme sowie einem gesünderen Atemtrakt führte. Dabei konnte pro Kalb ein Mehrerlös von rund 180 Franken erzielt werden.

Eine bunt gemischte Kuhherde

Gastgeber der Regionaltagung waren Bruno Graf und Jeannette Fornara. Das Paar bewirtschaftet in Tuttwil auf rund 30 Hektaren einen Betrieb mit 34 Mutterkühen. Als Bruno Graf den Hof 1990 von seinem Vater übernahm, handelte es sich noch um einen Milchwirtschaftsbetrieb. 2012 stellten Graf und Fornara auf Mutterkuhhaltung um. «Wir bauten den Stall in wenigen Monaten um und fingen mit acht Kühen an», erzählte Graf. Sie seien schnell begeistert gewesen, auch wenn es zunächst viel Neues dazuzulernen gab. Die Herde zählt heute 34 Mutterkühe und ist bunt zusammengewürfelt: Sie besteht vorwiegend aus F1-Tieren, dazu kommen Rassen wie Limousin, Angus, Simmental, Vogeser und Pinzgauer. Die Kühe kalben saisonal, hauptsächlich zwischen Dezember und Februar. Für Nachwuchs sorgt ein Stier, der während vier Monaten pro Jahr geleast wird. «Zwei bis drei Rinder behalten wir jeweils für die Nachzucht», so Graf. Der Betrieb ist IP-­Suisse-zertifiziert und nimmt am Weideprogramm teil. Graf und Fornara betreiben zudem ein wenig Ackerbau mit je einer Hektare Silomais, Gerste, Weizen und Buntbrache. Dazu kommen 120 Obstbäume. Auch gehören 20 Mutterschafe dazu, welche hauptsächlich steile Wiesen beweiden.