Kaum etwas prägt das Landschaftsbild so, wie es Hochstammbäume tun. In den letzten 50 Jahren sind in der Schweiz aber über 80 Prozent dieser Bäume verschwunden – ein Verlust auch für die Biodiversität, wie Fachleute betonen. Durch die vermehrt trockenen Sommer kommen Hochstämmer in jüngster Zeit aber wieder in Mode: Als Teil von Agroforstsystemen sollen sie sich positiv auf den Wasserhaushalt im Boden auswirken. Das bestätigen neuere Forschungsresultate, wie an der 13. Schweizer Hochstammtagung online erläutert wurde.

Schutz vor Austrocknung

Vor allem kombiniert mit Ackerbau könnten Bäume die Böden vor Austrocknung durch Wind und Sonneneinstrahlung und vor Abschwemmungen bei Starkniederschlägen schützen, betonte der deutsche Forstwirt Philipp Gerhardt. Lange habe die Meinung vorgeherrscht, auf dem freien Feld sei die Grundwasserbildung höher als unter Baumkronen.

Die Forschung habe nun aber gezeigt, dass in halboffenen Landschaften wie beispielsweise beim Agroforstsystem die Wasserversickerung am besten sei und damit auch die Wasserversorgung der Pflanzen und die Kühlung der Landschaft am besten gewährleistet werde. Den Grund dafür sieht man darin, dass dieses System die Vorzüge eines geschlossenen Baumkronendaches (Schutz vor Austrocknung) und die der Freifläche (wenig Wasserverdunstung, da dieses schnell versickert) kombiniere. Zudem seien Böden mit Bäumen gesünder und könnten mehr Wasser speichern.

Vorzüge des Obstgartens

Bio-Obst-Bauer Hans Oppikofer aus Steinebrunn TG bestätigt den verbesserten Wasserhaushalt in seinem eigenen Agroforst und sieht ausserdem einen tieferen Schädlingsdurck als grossen Vorteil des Systems. Wirklich neu sei diese Form der Landnutzung in der Schweiz allerdings nicht: «Unsere in der Schweiz verbreitete traditionelle Feldmostobstproduktion, wo mit Hochstammbäumen Früchte produziert und die Fläche mit Wiederkäuern genutzt wird, ist auch eine Variante des Agroforstsystems», erklärt der Biobauer. Und auch in früheren Zeiten seien schon Ackerbau und Obstbau kombiniert worden: Vielfach hätten Landwirte zwischen ihren Feldobstbäumen einen «Pflanzblätz» gehabt.

Maschinelle Ernte für die Wirtschaftlichkeit ein Muss

Mit 500 Hochstammbäumen produziert Hans Oppikofer Früchte. Seit rund vier Jahren nutzt er die Flächen zwischen den Baumreihen vermehrt für den Anbau von verschiedenen Ackerfrüchten. Geplant ist, dieses Agroforstsystem auf rund vier Hektaren anzuwenden. Die Herausforderung sei aber, die Ernte weiterhin maschinell durchzuführen, denn nur so sei eine wirtschaftliche Mostobstproduktion möglich.

In Sachen Erntemengen hält es der Thurgauer für entscheidend, wie viel Platz man dem Obstbau und wie viel dem Unternutzen gibt. Er selber belässt unter seinen Bäumen einen Graslandstreifen von acht Metern Breite. «Mit geeigneten Sorten wie Bohnapfel oder Schneiderapfel rechne ich im Vollertragsalter mit durchschnittlich 250 kg Früchten pro Baum und Jahr», so der Biobauer. Eine professionelle und auf Ertrag ausgerichtete Baumpflege und der Pflanzenschutz seien dafür aber unabdingbar.

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Pflanzenschutz beim Agroforst vielfach erschwert

Abo Hochstammbäume Ramseier Suisse bevorzugt Schweizer Hochstammobst Monday, 13. March 2023 Da bei ihm der Obstbau im Vordergrund steht, nimmt Hans Oppikofer bei den Ackerkulturen etwas tiefere Erträge in Kauf. Der unabdingbare Pflanzenschutz bei den Bäumen sei im Frühjahr auch neben Ackerkulturen problemlos möglich, auf die Sommerbehandlungen verzichte er hingegen wegen der Unternutzung mehrheitlich. Die Marssonina-Blattfall-krankheit hat Oppikofer nach eigenen Angaben bisher dennoch mehrheitlich im Griff. Wichtig sei, mit robusten Sorten zu arbeiten und mit nicht zu grossen Sortenblöcken. Die Baumabstände müssten so angelegt sein, dass eine gute Durchlüftung gewährleistet sei.

Kritisch gegenüber Agroforstprojekten

Abo Obstgärten Hochstamm Suisse ist überzeugt: «Jetzt ist die Zeit, zu pflanzen» Monday, 13. March 2023 Gleich viele Hochstammbäume wie Hans Oppikofer pflegt auch Markus Müller aus Muolen SG. 250 kg Mostäpfel müssten von einem zehnjährigen Apfelbaum maschinell geerntet werden können, ansonsten sei eine wirtschaftliche Mostobstproduktion nicht möglich, betont der St. Galler Obstbauer. Dafür benötige es eine gute Jungbaumentwicklung mit der entsprechenden Düngung. Müller, der auch Präsident des St. Galler Obstverbandes ist, zeigt sich gegenüber der Mostobstproduktion in Agroforstsystemen skeptisch. Beispielsweise steige beim Getreide die Gefahr durch Mykotoxine, da durch die Beschattung der Bäume eine höhere Luftfeuchtigkeit entstehe.

Dass der Aufbau von Agroforst-Projekten teilweise finanziell stark unterstützt wird, hält er für eine gefährliche Entwicklung. «Ich kann in meiner Region mehrere Projekte beobachten, die mehrheitlich auf die Direktzahlungsoptimierung ausgerichtet sind, anstatt dass die Nahrungsmittelproduktion im Mittelpunkt steht», betont Müller. So könnten der Erhalt von Hochstämmern und die zukünftige Rohstoffsicherung beim Mostobst nicht gewährleistet werden. 

Wichtige Jugendentwicklung der Hochstammbäume

Es sei ein Wunschdenken, dass mit sehr extensiven Systemen die geforderte Baumentwicklung zu erreichen sei. Die Mäusebekämpfung sei zwar auch bei ihm eine Daueraufgabe, so Markus Müller: «Werden die Flächen zwischen den Bäumen ackerbaulich genutzt, wandern die Mäuse unter die Bäume ab. Sind dort noch Strukturelemente zu finden, wird der Schutz vor Mäusen enorm schwierig.» In Systemen, wo Bäume zusammen mit BFF-Elementen wie Hecken oder Feldgehölzen stehen, sei auch kein Pflanzenschutzmitteleinsatz möglich. Dadurch könnten Mehltau oder Marssonina nicht bekämpft werden, was bedeutende Auswirkungen auf die Baumentwicklung und Fruchtqualität habe, warnt Müller.

Beim Erreichen der von den Verarbeitern geforderten Qualität sieht der St. Galler noch weitere Schwierigkeiten. Insbesondere die Frische und Sauberkeit sei in Anbausystemen mit vielen Strukturelementen kaum zur erreichen, da eine effiziente und saubere Erntearbeit erschwert sei. Markus Müller nutzt die Flächen unter seinen Bäumen für den Futterbau seiner Milchkühe. Mit seinen Hofdüngern kann er somit die Nährstoffversorgung der Hochstammbäume und der Wiesen sicherstellen. Die anrechenbare BFF befindet sich angrenzend an die Obstgärten, was für ihn eine effiziente Bewirtschaftung möglich macht. In der Ostschweiz seien die Strukturen der Mostobstproduktion professionell und die Wege zu den Verarbeitern kurz, hält Müller fest. Aber auch in seiner Region würde sich die Mostobstproduktion ohne Direktzahlungen nicht lohnen – fielen sie weg, würde Mostobst in Anlagen produziert.

13. Schweizer Hochstammtagung
Direktzahlungen seien wichtig für Hochstämmer, davon ist auch Beat Felder überzeugt, der die 13. Schweizer Hochstammtagung leitete. Der Kursleiter vom BBZN Hohenrain weist weiter darauf hin, dass für den wirtschaftlichen Erfolg von Agroforstsystemen mit Obstbäumen deren Grösse und Professionalität entscheidend seien. «Der Pflanzenschutz – und zwar nicht nur im Zusammenhang mit Marsonnia, sondern auch mit den Auswirkungen von Schädlingen – muss genau beobachtet werden», so Felder. Dieses Thema werde wohl bei der nächsten Ausgabe der Hochstammtagung im Fokus stehen.