Es war eine Schlammschlacht. «Das hat viel Spass gemacht», erinnert sich Lukas Neuhaus mit einem Schmunzeln zurück. Im Mai hat er mit seiner Frau Nathalie und 25 Helfer(innen) das Reisfeld angepflanzt. Mit Freunden und Verwandten warfen sie die selbst angezogenen Setzlinge in den Schlamm. Bislang wächst der Exot in der Wildenau bei Stetten im Kanton Aargau sehr schön. Einmal pro Tag wird während ein bis zwei Stunden Wasser aus der nur wenigen Meter entfernten Reuss ins Feld gepumpt.

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Zweiter Versuch

Dieses wird nicht nur von Libellen und Fröschen besucht, sondern lockt auch neugierige Zweibeiner an. «Wir haben viele Reistouristen, die von weit her kommen», sagt Lukas Neuhaus. Den Reisanbau kannte er aus Bali und dem Piemont (Italien). Er ist ab und zu als Carchauffeur für einen Anbieter von Landwirtschaftsreisen unterwegs.

«Wir sind zuversichtlich, dass wir diesmal im Oktober etwas ernten können», sagt Natalie Neuhaus. Ein erster Versuch mit Reis im Trockenanbau – wie im Tessin – vor einem Jahr ging schief. Sie setzten die selbstangezogenen Setzlinge in 4-cm-Töpfchen, hielten das Feld mit Hackgerät und Striegel sauber und bewässerten es mit Dachwasser vom Betrieb. «Wir waren damals noch nicht eingerichtet, um das Feld zu fluten. Und brachten deshalb zu wenig Wärme zu den Pflänzchen», erinnert sich Lukas Neuhaus.

Raupen-Drescher aus China

Heuer sieht es aber gut aus. Im Herbst werden sich Lukas und Natalie Neuhaus voraussichtlich einen Reisdrescher von einem Bekannten aus dem Welschland ausleihen können. Das Gerät stammt aus China. Ein normaler Drescher ohne Raupen würde zu viel Landschaden anrichten. Der Bekannte hat vor dem Setzen das Feld für sie ausgeebnet – «auf den Zentimeter genau».

Reis in Glasflaschen verkaufen

Aus China stammt auch die Reisschleifmaschine, die sich das Ehepaar extra angeschafft hat. Erst wenn der Reis geschliffen ist, ist er haltbar. Der Plan ist, den Reis auf einem Nachbarbetrieb zu trocknen und anschliessend in Halbliter-Glasflaschen direkt zu vermarkten.

«Unsere Kundinnen und Kunden können die Flasche bei uns dann immer wieder auffüllen», erklärt Lukas Neuhaus. Das Ehepaar sieht viel Potenzial im Reis-Anbau. Sie haben deshalb mit fünf anderen die IG Aargauer Reis gegründet.

 

IG Aargauer Reis

Mit fünf anderen Reisproduzenten aus der Region, darunter Nassreis-Pionier Toni Suter, haben Lukas und Nathalie Neuhaus kürzlich die Interessengemeinschaft (IG) Aargauer Reis gegründet. Sie sind bisher die Einzigen, die Bio produzieren. Neben dem Wissensaustausch wollen die Produzenten Dienstleistungen gemeinsam beziehen (etwa Gebinde bestellen) und vor allem eine gemeinsame Vermarktung und einen Auftritt gegen aussen aufbauen.  

Weitere Informationen: www.aargauerreis.ch

 

Bei «Buur on Tour» dabei

Ihr Bio-Gemüse vermarkten Lukas und Natalie Neuhaus direkt. Sie haben «Buur on Tour» für ihre Region gegründet und liefern pro Woche 30 bis 40 Taschen aus. Die Produkte stammen vom eigenen Betrieb und von anderen Produzenten aus der Region. Einmal pro Woche werden die Taschen auf dem Betrieb abgepackt und dann durch die Post ausgeliefert.

Anders als anderen Regionen nutzt Familie Neuhaus «Buur on Tour» nicht als Abo, sondern als Online-Shop. Im Schnitt bestellen die Kund(innen) alle zwei Wochen nach und füllen ihre Tasche randvoll. Ausserdem geht Gemüse an einen Bioladen in Brugg. Auch der Selbstbedienungskühlschrank am gut frequentierten Wander- und Veloweg direkt an der Reuss funktioniert gut.

Betrieb 2020 gekauft

Zum ihrem Betrieb «Wildenau» sind der Landwirt/Arbeitsagoge und die Kindergartenlehrerin/Sozialpädagogin mit viel Glück gekommen. «Wir haben gefragt, ob wir hier arbeiten dürfen. Zufällig waren die Vorbesitzer altershalber auf der Suche nach einer Anschlusslösung. Ausgeschrieben warder Betrieb aber nirgends.» Per Anfang 2020 haben sie die Betriebsleitung übernommen und den Betrieb im letzten Augustgekauft. Mittlerweile arbeiten beide 100 Prozent auf dem Betrieb.

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Begegnungszone schaffen

Früher wurde in der Wildenau konventionelles Gemüse für Grosshändler produziert. Lukas und Natalie Neuhaus haben einen anderen Ansatz und deshalb schon einige der Gewächshäuser zurückgebaut. «Wir wollen sicher einen Teil behalten, wo wir intensiv Gemüse produzieren, aber wir wollen hier auch eine Begegnungszone mit Tieren, Gemüse und Obstbäumen schaffen.» Das lokale Ökosystem habe sich, unter anderem durch das Reisfeld, schon verändert.

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Zurück ins Arbeitsleben

Das zweite Standbein des Betriebs ist die Arbeitsagogik. Sie bieten Aufbautrainings für die IV an. Menschen, die nach einem Burnout oder Depression aus der Klinik kommen, arbeiten drei bis sechs Monate auf dem Betrieb mit und sollen so schrittweise zurück ins Arbeitsleben finden.

«Egal welche Krankheit es war, man kann nicht nach einem Schema vorgehen», sagt Lukas Neuhaus. «Jede Person ist anders. Einige arbeiten gerne selbstständig, andere möchten, dass wir immer dabei sind.»

Neuer Mitarbeiter

Ab kommendem Oktober – pünktlich zur ersten Reisernte – wird ein Gemüsegärtner die beiden beim Anbau unterstützen, damit sie mehr Zeit für die Arbeitsagogik und das Marketing haben. «Ich bringe zwar aus meiner letzten Stelle im Murimoos schon viel Erfahrung im Biogemüsebau mit, aber im gedeckten Anbau ist doch noch einiges neu für mich», sagt Lukas Neuhaus.

Neben den Optimierungen auf dem Betrieb steht auch noch der Wohnhaus-Umbau an. Langweilig dürfte es dem Paar in den nächsten Jahren nicht werden.

 

Betriebsspiegel Wildenau

Name: Lukas und Natalie Neuhaus

Ort: Stetten AG

Fläche: aktuell 4,7 Hektaren

Produktionsart: Bio in Umstellung

Betriebszweige: Gemüsebau, Arbeitsagogik, Direktvermarktung

Gemüsebau: Reis, Spargeln, Tomaten, Zucchetti, Auberginen, Gurken, Honigmelonen, Salat, Kohlrabi, Fenchel usw.

Weitere Informationen zum Betrieb: www.wildenau.ch