5500 Tonnen Kunststoffpartikel aus Reifenabrieb, 2700 Tonnen Kunststoffabfälle (Littering), 900 Tonnen Baukunststoffe, 175 Tonnen illegal deponierte Kunststoffabfälle, 210 Tonnen Kunststoffe aus der Herstellung und Entsorgung, 100 Tonnen Kunststoffe in Grünabfällen und 30 bis 1000 Tonnen Kunststoffe aus der Landwirtschaft gelangen in der Schweiz jährlich in den Boden.

Diese Zahlen stammen von der Fachtagung von Biomasse Suisse, einem branchenübergreifenden Verband, der sich gemäss eigenen Angaben für eine sinnvolle Nutzung von Biomasse einsetzt. Gabriel Gerner von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) erinnerte an der Tagung daran, dass bei der Plastikverschmutzung die Einträge in die Böden am wichtigsten sind. Auch führten Zusatzstoffe in Pflanzenschutzmitteln oder Düngemitteln zu einer Plastikverschmutzung, so Gerner.

Die Katastrophe aufhalten

Um diese fortschreitende Katastrophe zu bremsen, zeichnet sich die Verwendung von Biokunststoffen als Lösung ab. Aber was ist ein Biokunststoff, ist er biologisch abbaubar, biobasiert (ganz oder teilweise aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt) oder beides? Welche Parameter müssen erfüllt sein, damit die verschiedenen Materialien in der Umwelt tatsächlich abgebaut werden, und wie wirken sich Biokunststoffe auf Pflanzen und lebende Organismen aus? Für die Landwirtschaft sind diese Fragen von zentraler Bedeutung.

Gabriel Gerner hat an der Tagung in Murten auf einige negative Auswirkungen der Verwendung von Mulchfolien aus biologisch abbaubarem Polymilchsäureester (PLA) hingewiesen. Beobachtungen zufolge könnte die Verwendung dieser Folien die Oxidationsprozesse, die von Bakterien durchgeführt werden, verändern.

Die Geschwindigkeit, mit der organisches Material abgebaut wird, sowie die Fruchtbarkeit des Bodens und die Verfügbarkeit von Nährstoffen könnten dadurch beeinträchtigt werden, so der Experte. Darüber hinaus wurden in Bodenproben, die PLA enthielten, weniger Regenwürmer gezählt und es wurde ein Einfluss auf die Zusammensetzung der Arbuskulären Mykorrhizapilze festgestellt, die eine Symbiose mit den Wurzeln vieler Pflanzen bilden.

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Mikro- und Nanopartikel beeinträchtigen das Pflanzenwachstum negativ

Was die Mulchfolien auf der Basis von Polybutylenterephthalat (PBAT) betrifft, so haben Untersuchungen gezeigt, dass die Mikro- und Nanopartikel von PBAT das Pflanzenwachstum negativ beeinflussen und toxisch wirken können. Auch eine Verringerung bestimmter Biomassen und eine Zunahme des Pflanzenstresses wurden festgestellt.

«Plastikpartikel erhöhen Stress auf Pflanzen.»

Gabriel Gerner, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Diese Effekte variieren in ihrer Intensität je nach verwendetem Material. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die Endprodukte von biologisch abbaubaren Kunststoffen tendenziell stärkere toxische Effekte erzeugen als die Rohstoffe, aus denen sie gewonnen werden. Insofern könnten ihre Zusatzstoffe als mögliche Ursache angeführt werden.

Biokunstoff nicht gleich Bio

Der Begriff Biokunststoff bedeutet also nicht zwangsläufig, dass er umweltfreundlich ist. Darüber hinaus kann eine falsche Vorstellung von der Kompostierbarkeit eines Biokunststoffs auf allen Ebenen zu einer unsachgemässen Entsorgung führen, die den Boden beeinträchtigen und die Recycling- und Verwertungsprozesse stören kann. Einige Materialien benötigen beispielsweise mehrere Monate unter hohen Temperaturen, um vollständig abgebaut zu werden. In landwirtschaftlich genutzten Böden können Rückstände in Kompost oder Gärresten Monate oder sogar Jahre brauchen, um sich zu zersetzen. Andererseits ist der Nährstoffgehalt von Biokunststoffen in der Regel gering oder gar nicht vorhanden, und bei der Verwendung von organischem Dünger aus Biokunststoffen findet keine Humusbildung statt.

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An der Tagung sprach man auch über den Mangel eindeutiger Markierungen zur Identifizierung, über ein manchmal zweifelhaftes Marketing, fehlende Informationen für Abfallbehandlungsanlagen, eine potenzielle Forderung nach einer Kreislaufwirtschaft durch das Unternehmen, das den Stoff auf den Markt bringt, oder die Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion.

Biomasse Suisse sagt «Ja, aber ...»

Aus Sicht von Biomasse Suisse bewegt sich die Haltung gegenüber Biokunststoffen also in die Richtung von «Ja, aber ...». Insgesamt kann die Analyse ihrer Lebenszyklen noch keine ökologischen Vorteile im Vergleich zu fossilen Kunststoffen nachweisen. Ihre Herstellung kann sich sogar als sehr energieintensiv erweisen. Unter bestimmten Bedingungen, z. B. wenn Rückstände und Nebenprodukte als Rohstoffe verwendet werden, können die Ökobilanzen jedoch positiv ausfallen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite von Biomasse Suisse.

«Das Marketing führt in die Irre»

Die Kompostieranlage Seeland AG, nur einen Steinwurf von Bellechasse FR entfernt, verwertet jährlich 40 000 Tonnen Grünabfälle (Garten, Haushalt, Landwirtschaft) und vermarktet diese in verschiedenen Formen: Frischkompost, Kompost- und Rasenerde, Universalerde und Holzschnitzel. Anlässlich der Fachtagung von Biomasse Schweiz fand eine Besichtigung der Anlage mit Christian Haldimann, dem Geschäftsführer, statt. Dabei bot sich die Gelegenheit, die Herausforderungen einer Anlage zu begreifen, die zwischen Industrie und Landwirtschaft angesiedelt ist.

Keine gesetzliche Grundlage
Wie alle ist auch der Kompostierer heute mehr denn je mit der Problematik der Plastikverschmutzung konfrontiert. «Es ist schwierig, Biokunststoffe zu sortieren und sie angemessen zu behandeln», erklärt Christian Haldimann und prangert einige Marketingmissbräuche an, wie z. B. Tannenbäume, die mit einer «biologisch abbaubaren Tüte» vermarktet werden, die gar keine ist. «Heutzutage möchte jeder kompostierbares Geschirr verwenden, ohne zu verstehen, welche Katastrophe das verursachen kann. Wir sind am Ende der Kette, das Abfallmanagement sollte bereits bei der Herstellung beginnen», schlägt der Geschäftsführer vor, der sich auch wünscht, dass seine Branche in den Diskussionen zu diesem Thema besser vertreten ist. Er ruft auch zu einem klaren Rahmen und einem gewissen Pragmatismus auf und fordert eine stärkere Verbindung zu den Realitäten an der Basis.
In der Schweiz gelten zwei Gesetzestexte auch für biologisch abbaubare Kunststoffe, nämlich die Verordnung über die Begrenzung und Entsorgung von Abfällen und die Verordnung über die Reduktion von Risiken beim Umgang mit besonders gefährlichen Stoffen und Gegenständen. Es gibt auch verschiedene Normen, die die Abbaubarkeit regeln, aber keine formelle gesetzliche Grundlage.

Mit Kameras überwacht
Die 1991 in Betrieb genommene und 2000 und 2004 erweiterte Kompostieranlage Seeland AG erstreckt sich derzeit über eine Fläche von 17 000 m2 mit einer widerstandsfähigen Asphaltdecke. Sobald der Abfall angeliefert wird, wird er gewogen und identifiziert. Die Fahrer arbeiten selbstständig unter Überwachungskameras. Anschliessend werden die Haufen für den Kompostierungsprozess geformt. Seit 2015 gibt es eine Biogasanlage, die in einem 150-kW-Blockheizkraftwerk Strom und Wärme liefert. Die Gebäude sind ausserdem mit Photovoltaikmodulen bedeckt.