Ende November starten die Grundlagenkurse für Umsteller auf Biolandbau. Auch dieses Jahr haben sich wieder viele Bauern in der Region angemeldet. Sie werden in Luzern und Zug seit Mai von Bioberater André Liner vom BBZN Schüpfheim betreut.

Herr Liner, wie sind Ihre ersten Eindrücke als Bioberater?

André Liner: Durchwegs positiv, ich habe von den Luzerner Biobauern einen sehr guten Eindruck erhalten. Viele agieren ganz nach den Grundsätzen des Biolandbaus, sie sind initiativ und offen für Neues. Dies kann ich auch von den meisten Umstellern sagen, zumindest jene, die ich kennengelernt habe.

Wie stufen Sie die hiesigen Bauern und Ihre Betriebsstrukturen ein?

Es gibt bei der Denk- und Handlungsweise sehr grosse Unterschiede, wie auch in anderen Kantonen. Von sehr offenem Geist bis engstirnig findet man alles. Bei den potenziellen Umstellern bin ich aber von ihrer Offenheit überrascht worden.

Die tierlastigen respektive schweinelastigen Betriebsstrukturen bremsen die Betriebe, flexibel auf die Politik und den Mark zu reagieren. Speziell in der Biosphäre Entlebuch würde man, im Vergleich mit anderen Berggebieten, mehr Biobetriebe erwarten. Hier finde ich es schade, dass viele Betriebe nicht von den «guten Biojahren» profitieren konnten und können.

Die Betriebsstrukturen sind wohl mit ein Grund, dass Luzern unterdurchschnittlich ist beim Anteil Biobetriebe?

Das ist so. Der Kanton Luzern holt aber auf. Er ist mit aktuell 383 Biobetrieben immerhin an fünfter Stelle aller Kantone. 2019 sind 21 Neuumsteller-Betriebe dazugekommen und für nächstes Jahr haben sich weitere 23 Betriebe angemeldet. Wenn die Nachfrage nach Bioprodukten weiter steigt, werden weitere Betriebe den Schritt in die Umstellung wagen. Im Moment braucht es eher Strategien, um den Biomarkt anzukurbeln, als das Angebot zu erhöhen.

Welche Betriebe wollen ­derzeit umstellen?

Alle Betriebszweige sowie grosse und kleine Betriebe sind vertreten. Vielfach wollen sie gleichzeitig ihre Betriebsstruktur anpassen, beispielsweise die Schweinemast oder Milchproduktion aufgeben und/oder einen neuen Betriebszweig aufbauen.

Ihre Tipps an Umstellungs­willige?

Es darf nicht nur das Einkommen in Betracht gezogen werden. Der Biolandbau ist mehr als nur eine Produktionsart. Der Biobauer, die Biobäuerin muss sich mit den ganzheitlichen Grundsätzen des Biolandbaus identifizieren können. Ich empfehle den Biolandbau vor der Umstellung auszuprobieren, man sieht dann schnell, ob es passt oder nicht, und was man vorher noch anpassen muss. Es ist wichtig, sich nicht von guten Angeboten blenden zu lassen.

Ist also eine schrittweise ­Umstellung sinnvoll?

Für Betriebe mit Spezialkulturen, Geflügel und Schweinen kann mit der schrittweisen Umstellung das Betriebsrisiko verkleinert werden. Dafür braucht es aber eine Bewilligung sowie eine genaue schriftliche Planung der Umstellung, inklusive einem Beratungsbericht.

Wie schätzen Sie aktuell den Bio-Absatzmarkt ein?

Im Umstellungsmarkt kann man nur noch bei Futtergetreide und Futterleguminosen ein wenig höhere Preise erwarten. Bei den Knospeprodukten ist aktuell die Nachfrage nach Futtergetreide und vor allem Futterleguminosen, Körnermais, Weizen, Speisehafer, Zuckerrüben, Natura-Veal, Eier und teils Wein vorhanden.

In den tieferen Ackerbaugebieten sind in den nächsten Jahren vor allem Proteinträger für die Fütterung interessant, weil ab 2022 nur noch Knospenfutter aus der Schweiz zulässig ist.

Dann sind die Absatzchancen vor allem im pflanzlichen ­Bereich intakt?

Es ist wichtig, dass in jedem Fall vor der Produktion ein Abnehmer gefunden wird. Dies gilt selbstverständlich auch für alle anderen Produkte, wie auch Spezial- und Nischenkulturen. Nischen werden weiterhin für einzelne Produzenten interessant bleiben. Hierbei muss aber jeder Biobauer selber initiativ sein. Nach wie vor hat die Direktvermarktung Potenzial, auch wenn dabei der Arbeitsaufwand berücksichtigt werden muss.

«Bio sollte zuerst ausprobiert werden.»

André Liner empfiehlt eine schrittweise Umstellung.

 

Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit des Biolandbau?

Wie überall, ist der Biolandbau wirtschaftlich interessant, solange die Nachfrage höher ist als das Angebot. Die Erfahrung zeigt, zum Beispiel bei den Schweinen, dass das Angebot sehr schnell die Nachfrage «überholen» kann und der Produzent kaum mehr etwas verdient. Ebenso müssen Investitionen und der Arbeitsaufwand für neue Betriebszweige weitsichtig geplant werden, was nicht ganz einfach ist.

Haben die Biobauern den Markt im Griff?

Bis jetzt ist es den Biobauern und seinem Verband gut gelungen, den Markt mitzugestalten, wobei der wachsende Markt und Coop als Zugpferd stark mitgeholfen haben. Bei der Milch wird sich im nächsten Jahr zeigen, wie gross der Einfluss der Biobauern wirklich ist. Auch bei den Ackerkulturen, Eiern und Poulets müssen die Biobauern und ihre Abnehmer grosse Anstrengungen unternehmen, um den Markt einigermassen in Griff zu behalten, und nicht umgekehrt. Jeder Biobauer wird in den nächsten Jahren gefordert sein, seinen meist geringen Anteil zur Marktstützung zu leisten und dabei an die gesamte Branche zu denken. Drauflos produzieren geht nicht mehr.

Dennoch bin ich zuversichtlich, dass der Biomarkt weiterhin wachsen wird, auch wegen den neuen gesellschaftlichen Trends.

«Drauflos produzieren geht nicht mehr.»

Bioberater Liner rät, sich nach dem Absatz zu richten.

 

Welche Tipps geben Sie den Bauern, ob Bio oder nicht?

Es ist sicher empfehlenswert, offen für neue Märkte, Nischen, Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Entwicklungen zu sein. Was nicht heissen soll, in jedem Fall alles mitmachen zu müssen. Gerade in diesem Bereich haben die Biopioniere uns vorgelebt, was es bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen.

Der Kanton Luzern tut gut daran, seine Hausaufgaben betreffend Tierintensität zu machen, selbstverständlich aber unter Berücksichtigung der ­betroffenen Bauernfamilien. Schlussendlich bin ich überzeugt, dass nur eine Bewirtschaftung mit der Natur und für die Menschen langfristig Zukunft haben wird.