Wie machen es die anderen? Diese Frage kann den Horizont erweitern, sei es bei Betriebsbesuchen oder beim Lesen eines Zeitungsberichts. Wenn Bäuerinnen und Bauern im Scheinwerferlicht stehen, repräsentieren sie die Landwirtschaft gegenüber der breiten Bevölkerung und zeigen gleichzeitig ihren Berufskolleg(innen), wie sie wirtschaften.
Sieben Kategorien
Das gilt auch beim deutschen Ceres Award, der dieses Jahr zum elften Mal verliehen worden ist. In den sieben Kategorien Ackerbauer, Energielandwirt, Junglandwirt, Geflügelhalter, Rinderhalter, Schweinehalter und Unternehmerin ging je eine Auszeichnung an Gewinner(innen) aus Deutschland und mit dem Aargauer Peter Anderhub auch eine in die Schweiz. Die Sieger(innen) zeigen nach Meinung der 25-köpfigen Jury, in welche Richtung sich die Landwirtschaft entwickeln kann. Wir stellen sie Ihnen hier vor und laden damit ein zu einem Blick über den Tellerrand.
[IMG 2]Bankberaterin lässt jetzt Pilze spriessen
In der Kategorie Unternehmerin zeichnet der Ceres Award Frauen aus, die als Mitunternehmerin im Familienbetrieb, als selbstständig für einen Betriebszweig Verantwortliche oder als alleinige Betriebsleiterin «in der Landwirtschaft ihren Mann stehen». 2024 ist die Wahl der Jury auf Anja Kolbe-Nelde gefallen.
Pilze statt Konti
Die Deutsche war als Kapitalberaterin in einer Bank tätig, heute berät sie in Sachen Pilzzucht. Anja Kolbe-Nelde hat sich auf 2000 m2 eine eigene Pilzfarm mit Austern-, Rosen- und Limonenseitlinigen sowie Shiitake aufgebaut. Ihr Kerngeschäft sind aber Trüffel: Im Gewächshaus impft Kolbe-Nelde junge Wirtsbäume mit Trüffelsporen und pflanzt damit ganze Plantagen. Eine Parallele zu ihrem früheren Beruf gibt es, denn die Trüffelbäume seien für die Kunden der Unternehmerin bisweilen auch eine Kapitalanlage. Das gehe allerdings ebenso im Kleinen, bemerkt «Agrarheute», namentlich in Gärten.
Zum Geschäftsmodell von Anja Kolbe-Nelde gehört nicht nur der Verkauf von Trüffelbäumchen, sondern auch passende Anbauberatung, Planung und Managementunterstützung.
«Mut und Entschlossenheit»
Die Award-Jury lobt Mut, Entschlossenheit und Expertise der Kategoriensiegerin. Damit sei Anja Kolbe-Nelde ein besonderes Vorbild für die Landwirtschaft. Sie hat eine Ausbildung zur Pilzberaterin absolviert, wurde örtliche Pilzsachverständige und hat ihr Unternehmen zuerst nebenberuflich gegründet. Heute unterstützen Anja Kolbe-Nelde zwei Angestellte, Aushilfen, Ehemann und Eltern in ihrem Pilzgeschäft.
Zum Weltmeister
Thüringen, wo Kolbe-Neldes Pilzfarm angesiedelt ist, soll zum Trüffelweltmeister werden, so das erklärte Ziel der Unternehmerin. Dazu will sie die Produktivität pro Hektar steigern und bildet bereits Mitarbeiter und Erntehelfer in ihrer eigenen Trüffelpilzschule aus. Knapp drei Hektaren Land bewirtschaftet Kolbe-Nelde selbst. Mit dem Jobwechsel hat sie sich auch einen Kindheitswunsch erfüllt: Schon als Mädchen sei sie gerne mit ihrer Mutter Pilze sammeln gegangen. jsc
[IMG 3]Cider und Spezialkulturen zum Vollerwerb
Im Sortiment von Bruno Stotz finden sich drei Cidersorten aus Äpfeln, Birnen und Quitten: trocken, fruchtig und alkoholfrei. Der Junglandwirt hat den einst stillgelegten Hof seines Grossvaters im deutschen Markdorf wieder zum Vollerwerbsbetrieb entwickelt.
Acker, Baum, Büffel
Auf den Flächen von Bruno Stotz wachsen Soja, Roggen, Kürbisse, Erdbeeren, Artischocken und Holunder. In einer Naturschutz-Kooperation lässt der Junglandwirt ausserdem fünf Wasserbüffel in einem wiedervernässten Gebiet weiden.
«Bruno Stotz hat mit fester Überzeugung und einer mutigen Vision ein Betriebskonzept entwickelt, das er beeindruckend umgesetzt hat», findet die Jury. Zu diesem Konzept gehören auch der Veranstaltungsraum im alten Kuhstall samt Hofladen und Café.
Party und «Feldtafel»
Bruno Stotz vermarktet direkt, via Onlineshops und regionale Detailhändler. Monatlich veranstaltet er eine «After-Work-Party». Ein eigens angestellter Koch bewirtet Gäste an der «Feldtafel» mit internationalen Rezepten.
Der Junglandwirt bewirbt seinen Cider als prickelndes, erfrischendes Getränk mit besonderem Aroma. «Wo lässt sich dieses besser geniessen als direkt vor Ort?», fragt Stotz die Besucher seiner Website.
[IMG 4]Als Kleiner mit den Grossen mithalten
«Sprit aus Shit» – Kraftstoff aus Mist: So lautet der Markenname für das Biogas von Christoph Terhorst. Er vergärt vor allem Rinder- und Pferdemist sowie Hühnerkot. Nur ein kleiner Teil des Substrats in seiner Anlage in Niedersachsen sei Mais.
Erst Weide, dann Wärme
Der Energielandwirt hält selbst 12 000 Bio-Legehennen, die Auslauf auf einer Kurzumtriebsplantage haben. Die Bäume, die dort wachsen, werden nach ein paar Jahren gehäckselt und dienen der Wärmeproduktion. Energie liefern bei Christoph Terhorst neben der Biogasanlage ein kleines Windrad und Photovoltaik.
Direkt ins Gasnetz
Seinen «Sprit aus Shit» – also Biomethan – speist Christoph Terhorst direkt ins Erdgasnetz ein. Die Zertifizierung seiner Anlage für den Kraftstoffmarkt erlaubt es ihm laut «Agrarheute», sein Gas unter dem genannten Markennamen zu verkaufen. Terhorst zeige, dass man auch als kleiner Betrieb auf dem grossen Markt mithalten könne, heisst es beim Ceres Award zum Kategoriensieger. jsc
[IMG 5]300 ha Bio-Acker ohne Pflug
«Unsere Äcker sehen natürlich anders aus als die der konventionellen Nachbarn», stellt Michael Grimm fest. Der deutsche Biobauer beschreibt seine Strategie als «ökonomisch-ökologisch» und betreibt daher nur so viel mechanische Unkrautbekämpfung, wie seiner Meinung nach nötig ist. Am Ende müsse sich schliesslich jeder Aufwand auf dem Acker rechnen. Ausserdem verzichtet Grimm auf den Pflug.
Alles für den Teller
Der Sieger der Kategorie Ackerbauer bewirtschaftet 300 ha mit einer diversen Fruchtfolge. «Alles, was wir anbauen, landet auf dem Teller», fasst Michael Grimm zusammen: Dinkel, Weizen, Sommergerste, Hafer, Körnermais, Erbsen, Hirse, Linsen, Kümmel, Koriander und Anis. Den Ansätzen der Regenerativen Landwirtschaft folgend, arbeitet Grimm mit möglichst dauerhafter Begrünung.
Bis zu 100 Gäste
Der Baden-Württemberger vermarktet seine Ackerfrüchte über den Verband Naturland und den eigenen Hofladen. Mittelfristig ist es Michael Grimms Ziel, seine Produkte in den Detailhandel zu bringen. Zum Betrieb gehören auch ein Restaurant mit Platz für bis zu 100 Gäste, Stellplätze für Camper und ein 24 ha grosser Weinberg.
«Er ist sowohl leidenschaftlicher Biopflanzenbauer und Gastgeber als auch hervorragender Manager», lobt die Jury. «Konzept und Betriebsleiter passen zusammen.»
[IMG 6]Fast alles – ausser Ackerbau
Tobias Babel ist Kategoriensieger Rinderhalter und Gesamtsieger des Ceres Award 2024. Es fällt leichter zu sagen, was auf seinem Betrieb im deutschen Allgäu nicht gemacht wird – und das ist Ackerbau. Babel bewirtschaftet mit seinen Eltern und drei Brüdern einen 90-ha-Grünlandbetrieb mit eigener Schaukäserei, einem Restaurant und einem Hotel. Im Stall melken zwei Roboter 80 Braunvieh-Kühe, die ausschliesslich mit Gras und Heu gefüttert werden. Hinzu kommen rund 100 Rinder und 40 Mastschweineplätze, um die Molke sinnvoll zu verwerten. Die Energie für ihren Betrieb produzieren Babels selbst mit Photovoltaik, einem Windrad, einer Hackschnitzelheizung und dank einer Speicherbatterie.
20'000 Übernachtungen
Nach Meinung der Jury des Ceres Award zeigt der Betrieb der Familie Babel, wie die Landwirtschaft in ein Gesamtkonzept eingebettet ist. Die ausserlandwirtschaftlichen Angebote sind offenbar beliebt: Wie «Agrarheute» schreibt, verzeichnen Babels pro Jahr 20'000 Übernachtungsgäste und 10'000 Menschen, die den Hof als Besuchergruppen besichtigen. «Die Zahlen zeigen: Familie Babel hat einen Weg gefunden, Landwirtschaft und Erholung für viele Menschen attraktiv zu verbinden.»
Verschiedene Geschäftsbereiche
Der «Landwirt des Jahres 2024», Tobias Babel, ist auf dem Familienbetrieb für den Bereich Landwirtschaft zuständig. Seine Brüder kümmern sich jeweils um das Hotel beziehungsweise die Käserei, in der 90 Prozent der eigenen Milch verarbeitet werden. Hotel, Direktvermarktung und Landwirtschaft sind GmbHs wie auch der Gesamtbetrieb.
Seit vielen Jahren züchten Babels Braunviehkühe. «Agrarheute» nennt dazu einige Kennzahlen:
Lebensleistung: 28 500 kg Milch
Erreichtes Alter: 6,3 Jahre
Anzahl Melkungen: 2,3–2,4 Mal/Tag
Milchmenge: Total etwa 600'000 kg pro Jahr
Möglichst alles direkt
Um Kreisläufe zu schliessen, will Familie Babel ihre Produkte möglichst vollständig direktvermarkten. Das geschieht via eigenen Hofladen, Hotel und Restaurant sowie zu einem Drittel online.
[IMG 7]Die Truthähne, die im Wald wohnen
Den Bio-Truthähnen von Daniel Willnat stehen 3 ha Wald zur Verfügung. Im Projekt «Waldlandputen» hält der deutsche Geflügelhalter zwei Herden à 2500 Truthähne nach sechs Wochen Aufzucht komplett im Freien.
Rechtlich schwierig
Das war auch in unserem Nachbarland mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden, wie «Agrarheute» schildert. Tatsächlich sei das Ende der Waldlandputen in Sicht, obwohl die Kombination aus natürlichem Lebensraum, viel Platz, Beschäftigungsmaterial und gutem Herdenmanagement eine «nahezu» antibiotikafreie Haltung ermögliche.
Plantage statt Wald
Der Kategoriensieger lässt sich indes nicht entmutigen. Wenn die Waldlandputen Geschichte sind, plant Daniel Willnat, Truthähne in einem modifizierten Offenstall auf einer Kurzumtriebsplantage zu halten. Die soll den Tieren eine waldähnliche Fläche bieten.
