Auf dem Schwand in Münsingen tagt nicht nur das Amt für Landwirtschaft und Natur (Lanat) und es drücken angehende Bio-Landwirte und Landwirtinnen die Schulbank hier oben wächst auch gemeinschaftlich angebautes Demeter-Gemüse. Das Land dafür zur Verfügung gestellt hat Urs Siegenthaler, der Bewirtschafter des Schwands. Im Gespräch über den Weidezaun am verregneten Mittwochnachmittag erzählt er, warum er sich vor sechs Jahren dazu bereit erklärt hatte, beim Projekt mitzumachen, welches ursprünglich die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl) zusammen mit dem Inforama initiiert hatte.

«Wenn die Leute sehen, wie das Gemüse wächst, wächst auch das Verständnis für den Anbau von Nahrungsmitteln.»

Urs Siegenthaler über den Nutzen des Projekts

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«Ich sah den Nutzen sofort», sagt der gebürtige Berner. «Wenn die Leute sehen, wie das Gemüse wächst, wächst auch das Verständnis für den Anbau von Nahrungsmitteln.» Davon profitiere er schlussendlich als Produzent, ist er überzeugt. 

Urs Siegenthaler baute schon vor der Zusammenarbeit mit dem Verein «Mis Gmües» Gemüse an, seither haben sie sich aber parallel zum Gemeinschaftsgarten gemüsetechnisch weiterentwickelt. Dieses Jahr baute er erstmalig Weisskohl an, der Anbau von Frühkartoffeln will er ebenfalls testen. Rüebli, Kartoffeln, Linsen waren auch schon Teil der Fruchtfolge.

Früher ideologisch, heute wirtschaftlich

Urs Siegenthaler räumt ein, dass er diesbezüglich eine Weile «zu ideologisch» gearbeitet hatte. Nun sei es wieder an der Zeit, pragmatischer und wirtschaftlicher zu denken, so der Demeter-Bauer. Obwohl er gerne mehr Gemüsesorten anbauen würde, hapere es manchmal an den agronomischen Begebenheiten für die Produktion.

Neben den aktuell rund 40 Parteien, die im Rahmen des solidarischen Landwirtschaftsprojekts in der Region Münsingen jeweils einmal jährlich bei einem Pflanztag mitmachen müssen, um ihr nach Demeter-Richtlinien angebautes Gemüse beziehen zu können, leistet auch Landwirt Urs Siegenthaler seinen Beitrag zum Projekt. 

Die Bodenbearbeitung (1,5 m oder 3 m breit), die Düngung mit Kompost, sowie die gelegentliche Düngung von starkzehrenden Kulturen (mit Biorga) und das Säen der Gründünung nach Abschluss der Gemüsesaison übernehme er «auf Kommando der Chefin». Dies erzählt er mit einem Zwinkern in Richtung der Anbauplanerin Steffi Würth. Siegenthalers geleistete Arbeitsstunden übernimmt der Verein in Form eines Stundenlohns und eines Maschinen-Entschädigungsansatzes. Der Demeter-Produzent hat die Parzelle als Freilandgemüse angemeldet.

Als Verein weitergemacht

Der Gemeinschaftsgarten, der als Verein organisiert ist, startete mit der Hafl. Die Hochschule suchte damals im Rahmen des Bio-Ackerbautages eine Fläche, um ein Anschauungsbeispiel umsetzen zu können. Mittlerweile hat sich die Hochschule aus dem Projekt zurückgezogen, getragen wird es seither von einem sechsköpfigen Vorstand und einer variierenden Teilnehmerzahl den Rekord erreichte der Verein, wenig überraschend, während den Corona-Jahren. Seither hat sich die Zahl bei rund 40 Teilnehmenden eingependelt, davon bleiben jährlich rund 80 % erhalten, 20 % fluktuieren. Das heisst, der Verein muss für seine Sache Werbung machen. Dies geschieht analog, mittels Plakaten und Flyern, oder über den WhatsAapp-Status, erzählt Steffi Würth.

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Die Teilnehmenden zahlen einen jährlichen Beitrag von Fr. 300.–, wenn sie einmal jährlich bei einem der fünf bis sechs Pflanztage mitmachen, und Fr. 400.–, wenn sie dort nicht mitmachen und lediglich ihren Gemüsestreifen pflegen. Glücklicherweise wähle die Mehrheit die Mitmach-Variante, sagt die Anbauplanerin. «Sonst hätten wir ein Problem», schiebt sie nach.

«Ich brauche keine Meditation, ich gehe einfach in den Garten.»

Anbauplanerin Steffi Würth über die Vorteile der Gartenarbeit

Steffi Würth ist nach einem Praktikum als Gärtnerin bei Artha-Samen als Quereinsteigerin in der Landwirtschaft gelandet. Sie erzählt, dass sie «lose» organisiert und die Vereinsarbeit «überschaubar» sei. Die Vorstandsmitglieder lassen sich einen Stundenlohn auszahlen, sofern sie dies wollen und brauchen, so Würth. Für die junge Frau ist die Tätigkeit im Gemeinschaftsgarten eine Art Therapie: «Ich brauche keine Meditation, ich gehe einfach in den Garten», sagt sie. Neben ihrer Tätigkeit im Verein ist sie Geschäftsleiterin des Weltackers Schweiz

«Das Thema Überschuss begleitet uns schon»

Steffi Würth nimmt ihre Aufgabe als Anbauplanerin und Leiterin der Pflanztage ernst, und trotzdem sieht sie es locker, wenn hie und da ein Salat aufstängelt oder eine Zucchetti zu gross wird. «Das Thema Überschuss begleitet uns schon», räumt sie ein. Das Potenzial, wirklich alles Gemüse restlos verwerten zu können, sei definitiv da. Aber sie wolle auch nicht Polizistin spielen und den Leuten hinterherrennen, sagt sie. 

Im Vorstand gebe man sich Mühe, die Leute regelmässig via Videobotschaften daran zu erinnern, was draussen reif ist. «Wir geben auch Hinweise im Whatsapp-Chat, wie und wann man die Kulturen am besten erntet», so Würth. Sie hätten jedoch die Erfahrung gemacht, dass Videos besser beachtet würden als lange Texte.

Und welche Rückmeldungen erhält die Anbauplanerin von ihren Mitgliedern? «Viel Dankbarkeit und meistens ein zufriedenes Schweigen der Mehrheit», sagt sie mit einem Lächeln.