Gegen den Herbizidverzicht haben viele Vorbehalte. Allzu komplex ist es allerdings nicht, erklärt Bernhard Streit von der HAFL und erläutert, worauf es zu achten gilt.
Welche Ackerkulturen eignen sich für den Herbizidverzicht?
[IMG 2]Bernhard Streit: Alle, die auch im Biolandbau angebaut werden. Aber manche Kulturen sind natürlich einfacher.
Was wäre eine Einsteiger-Kultur?
Getreide ist dazu geeignet, weil die einzelnen Saatreihen relativ dicht stehen und das Getreide viel kompensieren kann. Raps und Mais gehen auch. Bei Zuckerrüben ist zwischen den Reihen mehr Platz für Unkraut und die Kultur leidet stärker unter Unkrautdruck.
Gibt es Bodentypen, auf denen das nicht funktioniert?
Nein. Der Bodentyp ist nicht entscheidend, auch wenn Ackerbau auf leichten Böden generell einfacher ist. Entscheidend sind die Vorgeschichte einer Fläche und die Verunkrautung.
Was heisst das?
Wenn in der Vorkultur viel Unkraut war, macht das auch im nächsten Glied der Fruchtfolge Probleme. Es gilt, generell für Ordnung auf dem Feld zu sorgen, z. B. durch das Anlegen eines falschen Saatbetts. Und die Fruchtfolge ist immer wichtig, um gewisse Gruppen von Unkräutern nicht einseitig zu fördern. Wegen Ausfallraps würde ich nach Raps z. B. nicht herbizidfreies Getreide anbauen.
Dann gilt nach wie vor das Ideal des «reinen Tisches»?
Nein, bei Herbizidfrei muss man bis zu einem gewissen Grad tolerant sein beim Unkraut. Die Sortenwahl spielt aber auch eine Rolle, es gilt etwa beim Getreide höherwachsende Sorten mit planophilen Blättern zu wählen.
Woran erkennt man, wenn es zu viel Unkraut hat?
Die Schadschwelle ist ein guter Indikator. 5 % Bodenbedeckung durch Unkraut während der Bestockung im Getreide ist recht hoch, kann aber toleriert werden. Zuckerrüben leiden schon früher. Beim Mais gilt eine zeitbezogene Schadschwelle. Zwischen dem 2- und 8-Blatt-Stadium sollte die Kultur möglichst ohne Unkrautkonkurrenz wachsen können.
Welche Maschinen muss man sicher haben dafür?
Grundsätzlich müssen die Maschinen für mechanische Unkrautbekämpfung geeignet sein, sei es ein Striegel in Drillsaaten oder ein Hackgerät in Reihensaaten. Innerhalb dieser Kategorien gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Spezialausrüstungen und Anpassungen. So passen sich Striegel mit einzeln belasteten Zinken besser an Unebenheiten an und rotierende Werkzeuge verstopfen wenig. Auch Kameralenkungen tragen zu einer Verbesserung der Arbeitsqualität bei. Solche Geräte sind aber relativ teuer. Also ist der überbetriebliche Einsatz über Gemeinschaften oder Mietgeräte sinnvoll und ermöglicht es, vom technischen Fortschritt zu profitieren, ohne dass die Kosten ausufern.
Zur Übersichtskarte mit verfügbaren Mietgeräten von IP-Suisse.
Welche Parzellen eignen sich nicht für den Herbizidverzicht?
Stark verunkrautete Flächen oder solche mit Problemunkräutern sind weniger praktisch. Die Unkrautbekämpfung ist aufwendiger und eher für jene geeignet, die Erfahrung haben mit dem Herbizidverzicht. Je nachdem braucht es dort auch im Getreide einen Hackdurchgang.
Welche Rolle spielen Gründüngungen und Untersaaten?
Eine Gründüngung hilft bei der Unkrautunterdrückung vor der Saat. Untersaaten sind eine Interessensabwägung. Bildet die Kultur einen kräftigen Bestand, unterdrückt sie das Unkraut gut – aber auch die Untersaat. Daher empfehlen wir das nur bei Ertragspotenzialen unter 50 kg/a. Anders ist es bei herbizidfreiem Getreide in weiter Reihe, wo die mechanische Unkrautbekämpfung durch die Auflagen eingeschränkt ist und so konkurrenzstarke Unkräuter durch harmlosere Untersaaten unterdrück werden können.
Wie sieht die Wirtschaftlichkeit aus bei der IPS-Prämie bzw. dem Bundesbeitrag?
Mit der 10-Franken-Prämie von IP-Suisse haben wir das ausgerechnet und im Durchschnitt sind die Mehrkosten gedeckt. Das heisst aber auch, dass auf rund der Hälfte der Flächen diese Mehrkosten nicht gedeckt sind. Der Bundesbeitrag von Fr. 250.– für Getreide bzw. Fr. 600.– für Raps, Kartoffeln und Konservengemüse allein ist knapp, da braucht es eine zusätzliche Prämie auf das Produkt.
Was macht Herbizidfrei teurer?
Es ist nicht die direkte mechanische Unkrautkontrolle – einmal Spritzen kostet im Mais z. B. etwa Fr. 200.–/ha, dafür hat man zweimal gehackt. Aber Herbizidfrei ist mit Mehraufwand verbunden, insbesondere vor der Saat nach der Ernte. Zu nennen ist etwa die Stoppelbearbeitung, weil nach dem Dreschen eben noch Unkraut auf der Fläche zu bekämpfen ist.
Sind Herbizidfrei und schonende Bodenbearbeitung oder angemessene Bedeckung des Bodens miteinander vereinbar?
Mit dem Bundesbeitrag ist das schwierig, denn er verbietet den Herbizideinsatz ab der Ernte der Vorkultur bis zur Ernte der Hauptkultur. IP-Suisse hingegen erlaubt Glyphosat bei reduzierter Bodenbearbeitung oder Problemunkräutern mit einer Sonderbewilligung. Direktsaat und Herbizidfrei schliesst sich nicht aus, ist aber komplex umzusetzen. Ein gangbarer Zwischenweg ist die Mulchsaat.
Ist das Erfolgsrezept für Herbizidverzicht mittlerweile bekannt?
Mit dem IP-Suisse-Programm liegt eine in der Branche etablierte und ausgefeilte Massnahme vor, für die es auch Merkblätter und Beratungswissen gibt. Der Bundesbeitrag unterscheidet sich aber leider davon, insbesondere auch wegen der Pflicht, alle Flächen einer Kultur anzumelden.
Weitere Informationen und Merkblätter
Video-Serie von IP-Suissse zum Herbizidverzicht
Merkblatt zur mechanischen Unkrautbekämpfung in Zuckerrüben
Merkblatt zum herbizidfreien Kartoffelbau
Merkblatt pestizidfreier Winterweizen von IP-Suisse
Welche Vorteile bietet der Herbizidverzicht abgesehen von den finanziellen Anreizen?
Herbizidverzicht entspricht dem allgemeinen Trend hin zu einer Pflanzenproduktion mit möglichst wenig Hilfsstoffen. Auch trägt diese Produktionsform zu einem guten Image bei. Bei der Förderung der Biodiversität muss allerdings differenziert werden. Es geht mit einer intensiven Bodenbearbeitung einher, was aus Sicht des Bodenschutzes fragwürdig ist und viele bodennahe Organismen wie etwa Regenwürmer dezimiert. Einzelne Gruppen können aber vom Herbizidverzicht profitieren, z. B. die Pflanzenwelt und dadurch auch Insekten, die in der Ackerbegleitflora Futterpflanzen finden.
Welche bekannten Nachteile hat Herbizidfrei?
Der Ertrag sinkt nachweislich, der Anbau ist wetterabhängiger und damit unsicherer, der Aufwand steigt. Vieles, was es für den Herbizidverzicht braucht, ist aber einfach Teil der guten landwirtschaftlichen Praxis.
Was wäre das?
Die Kulturen beobachten: Wenn sich etwa im Winter ein Fenster auftut und Unkraut auf der Fläche ist, sollte man striegeln gehen.
Den Saatzeitpunkt überdenken: Getreide ist sensibel auf Unkraut während der Bestockung. Also gilt es so zu säen, dass in diesem Stadium ein Striegeldurchgang wahrscheinlich möglich ist. Bei einer Saat Mitte Oktober fällt die Bestockung auf den Februar/März, wenn es eher nass ist. Besser sieht es in der zweiten Märzhälfte aus, was eine Getreidesaat im November voraussetzt. Die Kultur keimt im Übrigen bei tieferen Temperaturen besser als das Unkraut. Die Alternative ist eine Frühsaat im September, damit die Kultur vor Weihnachten bestockt und die Unkrautbekämpfung noch im Herbst erfolgen kann.
Zwei Beiträge mit wichtigen Unterschieden
Anders als das IP-Suisse-Programm für pestizidfreien (und damit auch herbizidfreien) Anbau müssen für den Bundesbeitrag für Herbizidverzicht alle Flächen einer Kultur herbizidfrei bewirtschaftet werden, er gilt pro Kulturcode. Bei IP-Suisse (IPS) kann ein Betrieb dank klassenweisem Herbizidverzicht sowohl Extenso als auch pestizidfrei anbauen, entweder unterteilt nach Getreideklassen oder -arten.
Weitere Unterschiede zwischen den IP-Suisse-Richtlinien zum Herbizidverzicht und dem Bundesbeitrag:
Einzelstockbehandlung: Bei IPS Pestizidfrei verboten.
Chemische Saatgutbeizung: Bei IPS Pestizidfrei verboten.
Dauer: Bei beiden Programmen gilt der Verzicht ab der Ernte der Vorkultur bis zur Ernte der Hauptkultur. IPS erlaubt aber Glyphosat mit Sonderbewilligung bei reduzierter Bodenbearbeitung oder Problemunkräutern.
Beitrag: Für pestizidfreies IPS-Getreide gibt es eine Zusatzprämie von Fr. 10.–/dt. Der Bundesbeitrag liegt bei Fr. 600.–/ha für Raps, Kartoffeln und Freiland-Konservengemüse bzw. Fr. 250.–/ha für andere Hauptkulturen der offenen Ackerflächen.
Diverse Ausnahmen
Der Bundesbeitrag erlaubt Herbizide bei Einzelstock- und Bandbehandlungen ab der Saat auf maximal 50 % der Fläche sowie zur Eliminierung von Kartoffelstauden. Bei Zuckerrüben sind entweder eine Bandbehandlung oder Flächenbehandlungen ab Saat bis 4-Blatt-Stadium zulässig.
Von Extenso umstellen
Pestizidfreier IPS-Weizen ist gefragt. Die Labelorganisation möchte ihre Produzenten motivieren, sich mit dem Herbizidverzicht zu befassen und wenn möglich von Extenso auf Pestizidfrei umzustellen. Bestehende IPS-Brotweizen-Produzenten können sich zurzeit anmelden.
Ummelden zurück auf Extenso oder das Abmelden vom Bundesbeitrag sind jederzeit möglich.
