[IMG 2]Für Surendra Singh Mandloi ist Landwirtschaft auch Leidenschaft. «Mir ist der Boden wichtig, wir müssen ihn gut behandeln», erklärt der indische Biobaumwollbauer im Online-Interview. Daher beteiligt er sich an einer Langzeit-Vergleichsstudie, die das Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) zusammen mit Partnerorganisationen im Nimar-Tal im zentralindischen Bundesstaat Madhya Pradesh durchführt.
Surendra Singh Mandloi ist schon seit 25 Jahren Biobauer. Doch damit gehört er in der indischen Landwirtschaft zu einer Minderheit. Zwar wächst der Markt für Biobaumwolle und über 50 Prozent der globalen Menge wird von rund 160'000 indischen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern angebaut. Doch das sind in Indien nur rund ein Prozent der Betriebe.
Gentechnik im Vormarsch
Denn vor rund 20 Jahren wurde gentechnisch-veränderte Baumwolle in Indien zugelassen. Ihre Vorteile klangen für viele Bauern verheissungsvoll: mehr Ertrag und weniger Ernteausfälle durch Krankheiten oder Schädlinge wie etwa durch den Baumwollkapselbohrer.
Der konventionelle Anbau mit dieser Baumwolle hat aber auch einige Nachteile: Andere Schädlinge kamen auf den Geschmack der Pflanze. Die Kosten für das Saatgut sind hoch, der Bedarf an Pestiziden und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken ebenfalls. Sinkende Erträge durch abnehmende Bodenfruchtbarkeit ist ein weiteres Thema.
Der biologische Baumwollanbau gilt daher als eine Alternative mit dem Potenzial, die Armut der Kleinbauern zu verringern. Doch was genau braucht es, damit Bio in tropischen Ländern für die Landwirte attraktiv wird? Dass will das FiBL in einem Langzeitprojekt und in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen herausfinden.
Der Langzeitversuch
Der Langzeitversuch des Programms «Farming Systems Comparison trial in the tropics» (Syscom) läuft seit 15 Jahren unter Leitung des FiBL in drei Ländern. In jedem Land steht jeweils die Hauptkultur im Fokus: In Kenia ist es Mais, in Bolivien Kakao und in Indien Baumwolle. Verglichen werden vier Anbaumethoden: Konventionell mit und ohne gentechnisch veränderten Pflanzen, biologisch und biodynamisch.
Der Grund für das Syscom-Programm: Es gab zuvor keine solche Langzeitversuche in den Tropen, sondern nur in gemässigten Klimazonen wie Europa. «Doch das braucht es», erklärt Eva Goldmann, Agronomin beim Programm in Indien. «Die Bodenfruchtbarkeit zum Beispiel lässt sich nur über Jahre messen und vergleichen.» Bisher ergab der Langzeitversuch in Indien, dass Biobaumwollanbau trotz tieferem Ertrag rentabel sein kann, denn die Bauern hatten deutlich tiefere Produktionskosten.
Auf den Versuchsparzellen in Indien wird Baumwolle zudem in Fruchtfolge mit Gras, Kichererbsen und Sojabohnen angebaut. Eva Goldmann: «Die Bauern werden von den lokalen Partnerorganisationen geschult und sehen die Unterschiede.» Zudem gibt es eine Web-Plattform, auf denen Fachleute ihre Resultate publizieren, zum Beispiel zum Thema Biodünger. Nicht zuletzt hat das FiBL in Indien damit begonnen, gemeinsam mit Landwirten spezielle Biobaumwollsorten zu züchten, da passendes Saatgut kaum zu finden ist.
Weitere Informationen: www.systems-comparison.fibl.org
Bauern ziehen mit
Dabei wird eng mit den lokalen Bäuerinnen und Bauern zusammengearbeitet, um angepasste Lösungen für den Biobaumwollanbau zu finden. Surendra Singh Mandloi engagiert sich für das Projekt. «Ich probiere gerne immer wieder Neues aus», erklärt er mit einem Lächeln. Er bewirtschaftet rund 20 Hektaren, das ist nicht wenig. Viele der hiesigen Landwirte besitzen nur zwei bis vier Hektaren.
Baumwolle ist in diesem Teil Indiens traditionell eine bedeutende Kulturpflanze, die im Wechsel mit Getreide, Hülsenfrüchten und Gemüse angebaut wird. Und wie überall auf der Welt ist es für die Bauern wichtig, wie sich Wasser und Nährstoffe effektiver nutzen lassen. Vor allem, wie Phosphat, einer der drei Hauptnährstoffe, für die Pflanzen besser verwertbar ist.
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Buttermilch für den Boden
Surendra Singh Mandloi hat dafür eine Lösung angeregt, deren Rezept auch den anderen Biobauern der Region zur Verfügung steht: Die Basis dafür ist die Milch seiner Kühe, aus der er Buttermilch herstellt. Die Buttermilch wird mit Rohphosphat gemischt und in den Boden gebracht. So wird Phosphat für die Pflanzen besser verwertbar, wie die steigenden Erträge bei Sojabohnen und Baumwolle bewiesen. «Ich bin jetzt nicht nur Bauer, sondern auch ein bisschen ein Wissenschaftler», erklärt der Landwirt nicht ohne Stolz.
Rezepte übers Web
Bei der Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen testen die am Langzeitversuch beteiligten Bauern ebenfalls hausgemachte Mittel, die zum Beispiel Chili, Knoblauch, Mist oder Kuhurin enthalten. Studenten und Agronomen haben dafür standardisierte Rezepte entwickelt, die über eine Web-Plattform abrufbar sind.
Auch in Indien steckt im Bioanbau viel Handarbeit. Macht sich das für die Bauern bezahlt? Surendra Singh Mandloi wiegt den Kopf. «Früher bekam ich 25 Prozent Zuschlag für Bioqualität, heute sind es nur noch 15 Prozent». Doch es gebe noch andere Gründe, warum viele Bauern wenig Interesse an Bio haben. «Wir arbeiten kaum maschinell. Viele wollen aber keine Kuhfladen mehr in die Hand nehmen.»
Es selbst kann sich nicht vorstellen, sein Land konventionell oder mit schweren Maschinen zu bewirtschaften. Das entspricht nicht seiner Lebensphilosophie. «Wir müssen den Boden respektieren und wertschätzen wie eine Mutter.»
Umkämpfte Baumwolle
Baumwolle ist ein Malvengewächs, das wild nur in tropischen Gebieten spriesst. Als Kulturpflanze gedeiht sie aber auch in subtropischen Weltgegenden. Von der Saat bis zur Ernte braucht die Pflanze acht bis neun Monate Zeit und viel Wasser. Aus den meist blassgelben Blüten entwickeln sich grüne Kapseln. Diese springen nach rund zwei Monaten auf und die weissen Baumwollfasern werden sichtbar.
Die Fasern werden nach dem Pflücken von Kapselresten und Samen befreit und zu Ballen gepresst. In der Spinnerei werden sie nach Längen sortiert: Vor allem die langen Fasern eignen sich für die Textilherstellung. Die kurzen finden in Medizin, Kosmetik oder in der Papierherstellung Verwendung.
Baumwolle ist laut WWF «die am weitesten verbreitete profitable Non-Food-Pflanze der Welt». Ihre Produktion sichere das Einkommen von mehr als 250 Millionen Menschenweltweit. In Europa sind rund 43 Prozent aller Kleidungsstücke aus Baumwolle.
Im Anbau sind Baumwollpflanzen anfällig für Schädlinge und Krankheiten. So schreibt das FiBL, dass weltweit 20 Prozent aller Pestizide auf Baumwollfeldern eingesetzt werden – die aber nur 2,5 Prozent der weltweiten Agrarflächen ausmachen.
Weltweit sind genetisch veränderte Baumwollpflanzen sehr weit verbreitet: Allein in Indien werden sie auf 95 Prozent der Baumwollfelder angebaut.
Indien ist andererseits führend in Sachen Biobaumwolle: Es hat mit 51 Prozent den grössten Anteil an der globalen Menge. Doch die Biokontrollen erfüllen noch nicht überall internationale Standards. So flog vor rund zwei Jahren ein Betrug mit gefälschten indischen Biozertifikaten auf, mit denen rund 20'000 Tonnen Baumwolle weiterverkauft wurden.