«Wir werden zu unseren Äpfeln kommen», sagt Christof Schenk, Inhaber der Holderhof Produkte AG, und fährt fort: «Sie werden sehen, der eine oder andere Produzent wird sein Mostobst gerne ausserhalb des Ernteausgleichsystems bei uns abliefern.»
Kapazität für 15'000 t
Der im September fertiggestellte Verarbeitungsbetrieb des Holderhofs ist 20 m hoch. Die Grundfläche beträgt 10'000 m². Der Schriftzug «Holderhof» auf violettem Grund ist von der Strasse her gut sichtbar. Zur Ausstattung gehören zwei Bucherpressen, eine Zentrifuge und 60 sterile 18 m hohe 100'000-Liter-Tanks, in denen der Direktsaft gelagert wird. Die Kapazität liegt im Endausbau bei 15'000 t Mostäpfeln. «Diesen Herbst starten wir mit 2000 bis 4000 t», erklärt Schenk, «danach fahren wir hoch.»
Der Markteintritt des Holderhofs in die Mostobstverarbeitung lässt auch die Mosterei Möhl AG und die Ramseier Suisse AG nicht kalt. Schenk konkurrenziert sie einerseits auf dem Beschaffungsmarkt um Mostobst und andererseits auf dem Absatzmarkt, indem er Detaillisten mit Direktsaft beliefert.
Sogleich Retourkutsche
Möhl und Ramseier Suisse haben in Briefen, die der BauernZeitung vorliegen, ihren Lieferanten schon in der ersten Jahreshälfte mitgeteilt, dass sie nicht akzeptieren, dass Produzenten an Abnehmer ausserhalb des Rückbehaltssystems liefern. Wortwörtlich steht da seitens der Mosterei Möhl: «Sollten sich Produzenten für Abnehmer ausserhalb des Branchensystems mit Überschussverwertung und allfälligen Rückbehalten entscheiden, so nehmen wir das zur Kenntnis. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass wir von jenen Produzenten kein Mostobst mehr annehmen können.» Und die Ramseier Aachtal AG schreibt: «Wir werden deshalb vermehrt überprüfen, ob es Mostobstlieferanten gibt, welche nicht solidarisch zur Branchenlösung stehen und nur sporadisch, opportunistisch bei grossen Ernten Mostobst abliefern.»[IMG 2]
Viele Produzenten befürchten, dass sie bei einer Grossernte ihr Mostobst nicht mehr verkaufen könnten. Auch Schenk ist über die Briefe auf dem Laufenden. Er sagt: «Jeder Landwirt soll frei entscheiden, an wen er liefert. Es ist nicht fair, dass man den Landwirten die Wahlfreiheit nimmt, indem man sie erpresst.» Er zahle den Landwirten den vollen Richtpreis, ohne Abzüge für den Rückbehalt.
Die Mostobstproduzenten seien nicht für die teure Entsorgung der Rohprodukte verantwortlich zu machen. Wenn schon, könne man im Herbst das überschüssige Mostobst direkt im Ausland verarbeiten und nicht erst durch eine teure Anlage in der Schweiz jagen, um dann das Konzentrat über die Beiträge der Produzenten zu exportieren.
Direktsaft statt Konzentrat
Überhaupt findet Christof Schenk, Konzentrat herstellen sei nicht mehr ganz zeitgemäss. In Deutschland und im Südtirol werde seit 20 Jahren schon Direktsaft hergestellt. Dieser sei nicht nur frischer, sondern auch aromatischer. «Ich bin überzeugt, dass wir damit den Konsum von Apfelsaft ankurbeln können», sagt Schenk.
Der Holderhof setzt schon seit zehn Jahren auf Direktsaft. «Wir hatten Mühe, zu unserem Saft zu kommen. Ware wurde zurückgehalten und die preislichen Konditionen waren dermassen schlecht, dass wir uns nicht weiterentwickeln konnten», so Schenk. Aus der Not heraus beschloss er, selbst eine Mosterei zu gründen. Das Ziel des Familienbetriebs sei es, den Apfelsaftkonsum in der Schweiz anzukurbeln, durch Direktsaft, neue Rezepturen und erschwingliche Preise. Dafür muss der Holderhof aber erst mal an die Äpfel herankommen. Schenk, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt, hat auch einen Notfallplan im Hinterkopf: «Wenn es schwierig wird, machen wir Anbauverträge und setzen eigenhändig Niederstammbäume.»
Robert Brunner: Rückbehalt – nein danke
Der Holderhof steht nicht allein da. Ähnlich sehen es nämlich die E. Brunner AG (Wehntaler Mosterei) in Steinmaur ZH sowie die Mosterei Kobelt AG in Marbach SG. Beide sind vor der Ernte 2021 aus dem Überschusssystem ausgestiegen. «Wir konnten unseren Bedarf an Mostobst aus unserer Region nicht mehr decken und haben seit vielen Jahren keinen Überschuss mehr produziert, auch nicht 2018», begründet Robert Brunner den Austritt. «Wir mussten unseren verbleibenden Produzenten jeweils an der Waage sagen, dass wir das Mostobst dringend brauchen, aber trotzdem Rückbehalt einziehen müssen.»
Im Übrigen habe sich schon vorher ein nicht unbedeutender Teil der Mostobstproduzenten aus diesem System verabschiedet, insbesondere in der Romandie. Brunner schätzt, dass zusammen mit der bäuerlichen Obstverwertung bald die Hälfte des Mostobstes in der Schweiz am Überschusssystem vorbei verarbeitet werde.
Das System hat nach Brunners Meinung keine Zukunft. «Das wollten Kobelt und wir im Obstverband diskutieren. Ramseier Suisse und die Mosterei Möhl haben sich aber auf keine Diskussion eingelassen», berichtet Brunner und fährt fort: «Vielleicht ändert das jetzt, denn das Rückbehaltsystem wird aufgrund des Euro-Kurses und der steigenden Energiepreise immer defizitärer.» Einen weiteren Kritikpunkt an der jetzigen Marktregulierung sei zudem, dass der Bund Beiträge an das Konzentratlager der Marktreserve leiste. Das könne dazu führen, dass der Bund das Lager bei den grossen Playern subventioniere, während Konkurrenten zu wenig inländische Ware hätten. «Ich habe das Bundesamt aufgefordert, Marktreserve nur noch dann zu bewilligen, wenn die inländische Versorgung insgesamt gewährleistet ist», sagt Brunner. «Es kann ja nicht sein, dass mit Steuergeldern die Konkurrenz ausgeschaltet wird.»
Nachgefragt bei der Mosterei Möhl AG: «Kein Unmut spürbar»
Georges Möhl ist Betriebsleiter der Mosterei Möhl AG. Er spricht Klartext und hält am Ernteausgleich fest.
Sie haben Ihre Abnehmer informiert, dass Sie kein Mostobst annehmen werden, wenn dieses an Abnehmer ausserhalb des Ernteausgleichssystems geliefert werde. Kontrollieren Sie jetzt, wohin Mostobst geliefert wird?
Georges Möhl: Wir appellieren an Vernunft und Ehrlichkeit. Mit dem Ernteausgleich hat der Produzent die Gewähr, dass seine Ernte übernommen wird, auch bei Grossernten. Den Überschuss exportieren wir in Form von Konzentrat. Dieser Ernteausgleich funktioniert aber nur, wenn sich alle beteiligen. Wenn ein Produzent einen Teil ausserhalb des Systems liefert, aber Übermengen an uns, wird der Ernteausgleich ausgehebelt. Das ist unfair den anderen Produzenten gegenüber. Das verstehen die Produzenten und ich habe nie Unmut darüber festgestellt.
Es gibt Mostereien, die aus dem Ernteausgleich ausgetreten sind. Sollte man das System überdenken?
Im Moment ist das bestehende Ernteausgleichssystem sowohl für die Landwirte wie auch für die Mostereien die beste Lösung. Für Verbesserungsvorschläge für das bestehende Ernteausgleichssystem oder auch Ideen für ein alternatives System sind wir immer offen und nehmen diese gerne in das Produktezentrum des Schweizer Obstverbands zur Diskussion auf. Beim Mostobst gibt es klimatisch bedingt und aufgrund der Alternanz grosse Ernteschwankungen. Es ist schwierig, gezielt auf eine bestimmte Menge hin zu produzieren. Das System ist gut und sorgt für Sicherheit bei den Landwirten. Ich bin überzeugt, dass die Preise ohne Ernteausgleich sinken würden. Wir halten am System fest.
Nachgefragt bei der Ramseier Suisse AG: Auf loyale Zusammenarbeit angewiesen
Marco Clavadetscher, Mitglied der Geschäftsleitung der Ramseier Suisse AG, nimmt Stellung zum Schreiben an ihre Lieferanten und zur Branchenlösung.
Wie überprüfen Sie nun, ob es Mostobstlieferanten gibt, welche nicht zur Branchenlösung stehen und anderswo abliefern?
Marco Clavadetscher: Das grösste Interesse der Ramseier Aachtal AG gilt der langfristigen Sicherung des Schweizer Mostobstanbaus. Der grösste Teil des gesamtschweizerischen Mostobsts wird über die SOV-Branchenlösung, namentlich das Ernteausgleichssystem, verarbeitet. Im Rahmen dieser Branchenlösung gibt die Ramseier Aachtal AG gegenüber den Mostobstlieferanten eine Übernahmeverpflichtung ab, ist im Gegenzug aber auf eine loyale Zusammenarbeit vonseiten der Mostobstlieferanten angewiesen, damit diese Branchenlösung auch nachhaltig funktioniert. Die verantwortlichen Personen bei der Ramseier Aachtal AG kennen den Mostobstmarkt genau und gehen bei Gesprächsbedarf auf die entsprechenden Mostobstlieferanten zu, um eine Lösung zu finden.
Mit dem Ernteausgleichssystem sind einige Mostereien unzufrieden. Werden Sie zu einer Anpassung Hand bieten?
Der Umgang mit dem Ernteausgleichssystem wird im Produktezentrum (PZ) Mostobst des Schweizer Obstverbandes, welches aus Vertretern von Produktion und Verarbeitern besteht, thematisiert.
