Was zunächst als reine logistische Herausforderung verkauft wurde, entpuppt sich zunehmend als Systemfehler – oder zumindest als Fehleinschätzung. Inoverde, die Fenaco-Tochter, die für die Beschaffung und Einlagerung von Wurzelgemüse zuständig ist, bestätigt zwar Engpässe bei den Paloxen, versichert jedoch, dass die Einlagerung gesichert sei. Für die Bauern vor Ort sieht die Realität jedoch anders aus. Ein Beispiel: Eine Landi im Berner Mittelland nimmt ab sofort keine Kartoffeln mehr an, Karotten bleiben auch im Boden, und Produzenten sehen sich gezwungen, Erträge teilweise verfallen zu lassen.
Offenbar hatte Inoverde die Mengen genau kalkuliert, schliesslich sind Vertragsmengen klar definiert. Dennoch fehlen laut Berichten aus der Praxis tausende Kisten. Das Resultat: Die Zeit verstreicht, Kartoffeln kommen in die zweite Generation und verlieren an Stärke, während Karotten nicht geerntet werden können. Einige Bauern mussten laut Berichten bereits Kartoffeln entsorgen, weil die Lagerung in Mulden zu Fäulnis führte – in Paloxen wäre dies vermeidbar gewesen. Doch diese fehlen.
Was ist das Problem? Die vorbereiteten Szenarien für Erntespitzen greifen nicht, und Hinweise der Bauern auf drohende Engpässe blieben offenbar ohne Wirkung.
In der Praxis sieht es anders aus
In der offiziellen Darstellung im Frontartikel der BauernZeitung vom 26. September verweist Inoverde auf langfristige Investitionsentscheidungen und die schwierige Lage in den Beschaffungsketten. Defekte Paloxen seien unvermeidlich, und die Verteilung der vorhandenen Kisten erfolge nach objektiven Kriterien wie Fläche und Erntemenge. Doch die Praxis zeigt, dass diese Argumente die Situation nicht erklären. Wer die Lage genau beobachtet, erkennt, dass Inoverde frühzeitig auf die bevorstehende Kistenknappheit hätte reagieren müssen. Die Konsequenz: Ernteverluste und finanzielle Belastungen für die Bauern.
Es drängt sich ein weiterer Gedanke auf. Könnte die Kistenknappheit strategisch genutzt werden, um die Bauern zu eigenen Investitionen zu bewegen? Die Anschaffung, Lagerung und Pflege von Paloxen sind kostenintensiv. Wer diese Aufgaben übernimmt, entlastet Fenaco, die dadurch Kapital bindet und Logistikkosten spart. Produzenten hingegen tragen zusätzliche finanzielle Lasten und Risiken. Die Bauern zahlen aktuell acht Franken pro Paloxe für Unterhalt und Neuanschaffung – und stehen dennoch ohne Lagerkapazität da.
Inzwischen präsentiert die Fenaco erfreuliche Geschäftszahlen: 7,29 Milliarden Franken Nettoerlös und eine Eigenkapitalquote von 65,6 Prozent. Marktanteile werden gehalten und teilweise ausgebaut, die Geschäftsmodelle erweisen sich als robust.
Das Vertrauen wird auf die Probe gestellt
Doch die Diskrepanz ist offensichtlich: Während die Zahlen glänzen, leiden die Bauern unter fehlenden Paloxen und nicht geerntetem Gemüse. Das Vertrauen in die Organisation wird dadurch auf die Probe gestellt. Aussagen wie «die Lage ist unter Kontrolle» verlieren jede Glaubwürdigkeit, wenn die Ernte nicht eingebracht werden kann.
Die Paloxen-Krise wirft zudem ein Schlaglicht auf das Verhältnis zwischen strategischer Planung und tatsächlicher Umsetzung. Es zeigt sich, dass langfristige Szenarien allein nicht ausreichen. Kommunikation ist entscheidend, Transparenz unabdingbar, und Verantwortung darf nicht auf die Produzenten verschoben werden. Die Kluft zwischen den offiziellen Verlautbarungen und der Realität vor Ort ist so gross, dass Zweifel entstehen: Handelt es sich um Nachlässigkeit, strategische Kalkulation oder ein Versagen in der Umsetzung? Die Situation verdeutlicht, wie stark kleine logistische Probleme die gesamte Wertschöpfungskette beeinflussen können.
Die Paloxen-Knappheit ist damit nicht nur ein logistisches Problem, sondern ein Spiegelbild der aktuellen Macht- und Verantwortungsverteilung innerhalb der Strukturen. Sie wirft grundsätzliche Fragen auf: Wem dient die Genossenschaft? Wer profitiert von guten Erträgen? Und wie viel Gewicht haben die Interessen der Basis in der täglichen Praxis?

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