Das lang anhaltende nasse und kalte Wetter erschwerte dieses Jahr vielerorts die Ernte von Silage und Heu. Viele Stöcke sind zwar schon voll, nicht überall ist die Qualität aber befriedigend. Was das für die Fütterung und den Einsatz von Kraftfutter bedeutet, erklärt Raphael Albisser, Berater für Rindviehfütterung am BBZN Hohenrain.
Wie beurteilen Sie die bisherige Heu- und Silageernte in der Region bezüglich Quantität und Qualität?
Raphael Albisser: Wer die knappen Zeitfenster zu nutzen wusste, hat sicherlich Grundfutter von guter Qualität produziert. Wurde das Futter aber trotzdem zu alt, was wohl in der Talzone der Fall sein konnte, ist zwar von einer hohen Masse, aber von schlechteren Gehalten und von einer verminderten Verdaulichkeit auszugehen. Was in diesem Jahr gerade bei der Silage aus dem ersten Schnitt vermehrt das Problem sein kann, sind Futterverschmutzungen aufgrund der nassen Bedingungen und eventuell knappe Zuckergehalte durch fehlende Sonnentage. Das kann zu einer schlechteren Silagestabilität führen, weil weniger Milchsäure gebildet wird.[IMG 2]
Steigt der Kraftfutterbedarf, wenn die Qualität des geernteten Raufutters unterdurchschnittlich ist?
Von dem würde ich nicht per se ausgehen. Das Grundfutter aus dem ersten Schnitt aus dem Jahr 2023 war ja auch nicht ideal. Eine Steigerung der Kraftfuttermengen gegenüber dem Jahr 2023 schliesse ich also eher aus. Gerade auf der Energieseite ist die Deckung auf vielen Betrieben von der Maissilage abhängig. Wie diese Ernte aussehen wird, werden die kommenden Monate noch massgeblich beeinflussen. Sollte es trotzdem mehr Kraftfutter für die zu erstrebende Leistung brauchen, ist es zwingend notwendig, die Mehrleistung mit den Mehrkosten in Relation zu setzen. Es darf nicht sein, dass die Kraftfutterkosten die Mehrleistungen auffressen.
Beim Getreide zeichnet sich ebenfalls keine gute Ernte ab, auch qualitativ beim Futtergetreide. Worauf sollten somit Produzenten beim Futterzukauf achten?
Wichtig ist beim Futterzukauf, immer ein passendes Produkt auszuwählen und dieses bei Bedarf auch zu wechseln. Der Preis der Futtermittel muss zwingend je Einheit Protein (RP, APDE, APDN) oder Energie (MJ NEL) gerechnet werden. Auch lohnt es sich, Preise mit den Lieferanten zu verhandeln und möglichst von Lose- und Mengenrabatten zu profitieren. Ist der Betrieb entsprechend eingerichtet, sollte auch der Einsatz von Rohkomponenten in Betracht gezogen werden.
Sie rufen in einem Beraterartikel zu möglichst effizientem Kraftfuttereinsatz auf und weisen aufgrund von Analysen auf grosse Streuungen bei der Effizienz hin ...
Wir stellen immer wieder fest, dass auf vielen Betrieben die Kraftfutterzuteilung noch sehr rudimentär funktioniert. Auch bezüglich Kraftfuttereinsatz pro Kuh und Jahr sind bei Weitem nicht alle Tierhaltenden im Bild. Auf diesen Betrieben werden die benötigten Kraftfuttermengen zu selten an die effektive Milchleistung der Tiere angepasst. Viele Betriebe haben mindestens monatliche Daten, die für eine Kraftfutterzuteilung hinzugezogen werden können. Diese vorhandenen Daten sind un-bedingt zu nutzen. Das spart Kraftfutter, Geld und verbessert so die Kraftfuttereffizienz. Noch besser wäre eine Futterkurve, die sich selbstständig an die Milchmenge der Tiere anpasst. Das setzt aber im Melksystem eine Milchmengenerfassung voraus.
Dann sind also beim Kraftfuttereinsatz noch Optimierungen möglich?
Ja, ich gehe davon aus, dass dies auf vielen Betrieben der Fall ist. Grundsätzlich basiert der Entscheid über den Einsatz von Kraftfutter darauf, wo wie viel Milch produziert werden soll. Ich rufe jeweils dazu auf, die Milchproduktion dem Grundfutterangebot anzupassen. Will ein Betrieb sehr viel Milch auf einer Fläche produzieren, die aufgrund des Potenzials (Boden, Exposition, Höhenlage, usw.) nur bedingt geeignet ist, ist dies zwar möglich, aber mit zusätzlichen Kosten verbunden. Sobald zusätzlich Grundfuttermittel zugeführt werden müssen oder gar die Energieseite überwiegend mit Kraftfutter gestützt werden muss, wird es finanziell enger.
Eine Faustregel besagt, maximal 150 g Kraftfutter pro kg Milch, besser wären 100 g?
Das gilt bei hohen Milchmengen. Ein Einsatz von 100 g pro kg Milch wäre bei einer Strategie von 7000 bis 8000 kg noch nicht «top». Grundsätzlich kann man aber sagen: Eine Top-Kraftfuttereffizienz ist erreichbar, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Leistungsniveau passt zum Grundfutterangebot auf dem Betrieb.
Die Tiere haben eine hohe Grundfutteraufnahme (mehr Leistung aus Grundfutter bedeutet weniger Kraftfutter).
Der Ausgleich der Grundration erfolgt gezielt mit passenden Komponenten (Richtwert auf vielen Betrieben ist Harnstoff in der Milch).
Zuteilung der Kraftfuttermengen an Einzeltiere wird regelmässig an die aktuelle Leistung angepasst.
Worauf ist zu achten, dass die Grundfutteraufnahme nicht durch zu viel Kraftfutter reduziert wird?
Es wird problematisch, wenn es viel Kraftfutter aufgrund fehlender Grundfutterqualität braucht. Ansonsten empfiehlt es sich, in der Startphase auf ein hochkonzentriertes Kraftfutter zurückzugreifen. So kann mit weniger Menge die gleiche Wirkung erzielt werden. Kraftfuttermittel sind teuer, wirken aber sehr gut. Und weiter die bekannten Tipps: Kraftfuttergaben auf viele Gaben verteilen und die Grundfutteraufnahme mit den Tierwohlfaktoren (Luft, Licht, Wasser, Futter, Ruhe, Raum) unterstützen.
Sie plädieren für Einzelfuttermittel statt Fertigfutter, weil günstiger. Wie anspruchsvoll ist es für Landwirte, die richtigen Rohkomponenten in der richtigen Menge einzusetzen?
Das können Landwirte meines Erachtens gut umsetzen. Gerade bei der Eiweissergänzung lohnt es sich, Einzelkomponenten oder ein einfaches Gemisch (beispielsweise Raps/Soja 50/50) einzusetzen. Dies ist am einfachsten bei der Fütterung mit einem Futtermischwagen.
Welche Tipps geben Sie im Hinblick auf die Winterfütterung?
Ich empfehle, von Futtermitteln, die überwiegend im Winter eingesetzt werden, eine möglichst repräsentative Probe zu nehmen und anschliessend zu Beginn der Winterration einen Fütterungsplan rechnen zu lassen. Der Fütterungsplan dient in erster Linie als Richtgrösse zum Start in eine neue Fütterungsperiode. Ohne regelmässige Anpassungen aufgrund der Milchharnstoffwerte, der Milchleistungsprüfungen oder anderer Kuhdaten funktioniert es aber nicht.