Keine Spritzmittel, weniger Antibiotika, weniger Nutztiere, Fleischverzicht, keine Massentierhaltung und die Berner-Bio Offensive: Politisch sind die Vorzeichen klar. Beim Konsum von Bioprodukten jedoch harzt es. Die BauernZeitung hat bei der Präsidentin der Berner Biobure, Kathrin Schneider nachgefragt, was es braucht, damit die guten Absichten auch beim Konsum ankommen.
Wie beurteilen Sie den Erfolg der Berner Bio-Offensive?
Kathrin Schneider: Die Berner Bio-Offensive kam sicher zum richtigen Zeitpunkt. Der Trend zu mehr Ökologie und Bioprodukten gerade auch in Zeiten des Klimawandels macht sich je länger je mehr bemerkbar. Viele Landwirte haben ihren Betrieb in den letzten Jahren auf Bio umgestellt, um für ihre Produkte einen besseren Preis zu lösen. Es ist nur schwer messbar, wie diese Entwicklung ohne Berner Bio-Offensive erfolgt wäre. Der Kanton Bern hat immer noch unterdurchschnittlich viele Biobetriebe.
Beim Rindfleisch und der Milch stockt der Absatz, bereits ist die Produktion höher als der Konsum. Was braucht es, damit die Bio-Offensive auch beim Konsumenten ankommt?
Ich erwarte von den Konsumenten ein klares Bekenntnis zu regionalen Produkten und die Bereitschaft, dafür auch mehr zu bezahlen. Bioprodukte dürfen keine Billigprodukte werden. Immer weniger Geld wird in der Schweiz für Lebensmittel ausgegeben, dafür in Freizeit und Vergnügen investiert. Die Geiz ist Geil-Zeit muss vorüber sein. Da fehlt es vielen Konsumenten noch an der nötigen Konsequenz. Und da bin ich sicher auch keine Ausnahme.
Was erwarten Sie von der Berner Regierung in Sachen Bio-Offensive?
Ein politisches Signal, dass die Biolandwirtschaft die Lösung vieler Probleme ist. Und mich ärgert, dass Landwirte finanziell unterstützt werden, die weniger Pestizide einsetzen, dass Biolandwirte aber nicht von diesen Geldtöpfen profitieren können. Der Kanton könnte sich auch dafür einsetzen, dass in kantonalen Kantinen mehr Bioprodukte verwendet werden. Ganz allgemein erwarte ich auch im Grossrat mehr politischen Rückenwind für den Biolandbau.
Ist der Überschuss bei Fleisch und Milch ein Zeichen dafür, dass der Bio-Konsument tendenziell Veganer oder Vegetarier ist?
Beim Schweinefleisch könnte das schon zutreffen. Der Biokonsument kauft zwar auch Fleisch ein, tendenziell aber wohl eher weniger und eher Rind. Bei der Milch habe ich nicht das Gefühl, dass der vegane Trend ein Grund für den Überschuss ist. Der Markt ist einfach durch die vielen Umstellbetriebe nicht mehr im Gleichgewicht. Aber da zählen wir auf die Konsumenten.
Ist der Markt bei den Bioprodukten noch ausbaufähig oder ist der Zenit erreicht?
Hat Nachhaltigkeit einen Zenit? Braucht es nicht auch Überzeugung, damit der Biolandbau längerfristig und nachhaltig funktioniert? Es darf nicht sein, dass nur das Portemonnaie über unsere Produktionsweise entscheidet. Die Landwirte haben eindrücklich gezeigt, dass sie bereit sind, sich in Richtung mehr Ökologie zu bewegen. Deshalb zähle ich darauf, dass der Anteil an Bioprodukten noch grösser werden kann.
Der Kanton Bern ist in der Produktion stark viehlastig, welche Alternativen gibt es für Umsteller? Wo ist die Nachfrage noch nicht gedeckt?
Einen grossen Vorteil haben natürlich die Betriebe, die vom Direktverkauf profitieren können. Dort ist sicher auch die Wertschöpfung am grössten. Schweizer Bio-Eier sind stets gesucht. Dann gibt es beim Brotgetreide und anderen Ackerprodukten auch noch Luft nach oben. Nicht jeder Landwirt findet aber eine innovative Nische. Der Biomarkt muss generell wachsen.
Was raten Sie einem Milchproduzenten, der jetzt auf Bio umstellen möchte?
Eine schwierige Frage. Er soll mit dem Abnehmer frühzeitig Kontakt aufnehmen. Und ich würde ihm ehrlich sagen, dass es sein kann, dass er im Moment mit einer Wartezeit rechnen muss.
Was sagen Sie zu der Kritik der bereits umgestellten Betriebe, welche ihre Milch weiterhin in den konventionellen Kanal liefern müssen?
Ich verstehe ihren Frust nur zu gut. Überall liest man von der Trinkwasserinitiative oder dem negativen Image der Landwirtschaft, aber ihr Mut zum Wandel wird jetzt mit einer Wartezeit «belohnt». Ich hoffe, dass die Konsumenten in den nächsten Jahren auch mit dem Portemonnaie umdenken. Auf der anderen Seite kann es auch nicht sein, dass grosse Umstellbetriebe aus reinem Profitdenken heraus den Markt mit Milch überschwemmen und deshalb der Bio-Milchpreis unter Druck gerät.
Mit der Trinkwasserinitiative wäre die Schweiz dem Traum des Biolandes einen Schritt näher. Ist dieses Szenario vor dem stagnierenden Absatz von Bioprodukten ein Traum oder ein Albtraum? Wie könnte sich die Bioproduktion dann noch abheben und ist dann ein höherer Preis noch zu rechtfertigen?
Für mich wäre es dann ein Albtraum, wenn nachher billige Produkte aus dem Ausland den Schweizer Markt überschwemmen würden. Oder wenn der Einkaufstourismus noch mehr floriert. Die Initiativen haben aber allein durch ihre Existenz schon viel verändert, für uns sehr positiv und in die richtige Richtung. Das Bioland Schweiz ist für mich mehr Vision als Traum. Es gibt auch in der Schweiz erschreckend viele Menschen, die unter dem Existenzminimum leben. Für mich ist es unrealistisch, dass sich alle Bio leisten können. Wenn ich aber sehe, wer alles zwei Autos besitzt oder sich mehrfach im Jahr Ferien gönnt, der könnte problemlos Bioprodukte kaufen. Oder vielleicht einen Tag im Monat auf einem Bauernhof aushelfen und den Lohn in Naturalien beziehen. Das gäbe auch einen realistischeren Einblick in die Probleme auf einem Landwirtschaftsbetrieb.