Das rostrote Rad dreht sich und schöpft emsig Wasser aus der Glatt, die einige Kilometer weiter nördlich in den Rhein fliesst. Christian Meier freut sich. Mit dem Wasserschöpfrad ist für den Landwirt aus Glattfelden ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen, wobei es auf dem Weg dahin einige Hindernisse zu überwinden gab. Nun kann er seine extensiven Wiesen im Gebiet Hundig über einen eigens angelegten Kanal mit Flusswasser gezielt bewässern. 

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Ursprünglich zur Futterproduktion

Die Idee ist nicht neu: Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts war die Idee aufgekommen, das Flüsschen Glatt zu korrigieren, um die Wiesen entlang dem Ufer zu bewässern. Dem Vorhaben kam entgegen, dass das Glatttal sehr kieselhaltig ist und das Wasser leicht abfliessen kann. Die sogenannten Wässerwiesen etablierten sich und wurden bis zu den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts mit Hilfe von Bewässerungskanälen bewirtschaftet, hauptsächlich zum Zweck der Futterproduktion. «Auch mein Vater hat noch so gewässert», sagte Christian Meier kürzlich vor Ort an einer Infoveranstaltung vom Fonds Landschaft Schweiz. 

Immer wieder kam es jedoch zu Hochwassern, so auch 1968, als die Dämme arg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Um dies künftig zu verhindern, wurde der Boden der Glatt ausgebaggert und damit abgesenkt. Wasser in die Kanäle abzuzweigen, war nun nicht mehr möglich. 

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Teil einer ökologischen Kompensation 

Aber auch die Landwirtschaft war eine andere geworden, inzwischen hatte sich etwa die Bewirtschaftung der Felder mit Pflug und Kunstdünger durchgesetzt. Dazu kam, dass sich die Wasserqualität im Zuge der Industrialisierung verschlechtert hatte. Im Jahr 2010 kam die traditionelle Bewässerung wieder ins Gespräch. Die Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich hatte die Idee, im Gebiet Hundig bei Glattfelden die Tradition im Rahmen einer ökologischen Aufwertung wiederzubeleben. Dabei spielte auch der Flughafen Zürich eine bedeutende Rolle. Mit dessen Ausbau werden ökologische Kompensationen fällig, das Bewässerungsprojekt ist ein Teil davon. 

Um dieses Vorhaben zu realisieren, wurde der Verein «Wässerwiesen im Hundig» gegründet. Für einen Teil der Kosten von 2,5 Mio Franken kam die Flughafen Zürich AG auf. Aus­serdem erklärte sich unter anderem der Fonds Landschaft Schweiz bereit, das Projekt zu unterstützen. Eine erste Etappe erfolgte von 2014 bis 2017, indem im Gebiet Hundig eine Fläche von 6,5 Hektaren Land abhumusiert wurde, um die Grundlage für artenreiche Trockenwiesen zu schaffen.

Erstes Schöpfrad der Schweiz

Ein weiterer Schritt galt der Wiederherstellung des ursprünglichen Bewässerungssystems. Um Wasser zu entnehmen, musste der Verein zunächst beim Kanton ein Konzessionsgesuch einreichen. Allerdings drohte der lokale Fischereiverein mit einer Einsprache gegen das Projekt. Der befürchtete, dass zu viel Wasser in den Kanal abfliessen würde – auf Kosten der Fische. Das Projekt verzögerte sich, und schliesslich hatte eine Teststrecke Klarheit zu schaffen. Dabei gelang es, gemeinsam mit den Fischern eine maximale Entnahmemenge festzulegen. 

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So erhielt der Verein zur Wasser­entnahme eine Konzession für 120 Liter pro Sekunde zugesprochen. Doch da die Glatt heute zu tief liegt, um Wasser abzuleiten, musste eine technische Lösung her. Unterstützung boten unter anderen der Metallbauer Bernhard Krismer aus dem nahen Wallisellen sowie die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt (Empa) in Dübendorf. Krismer konstruierte ein Wasserrad, welches das Wasser mithilfe von Schaufeln aus der Glatt schöpft und an seinem höchsten Punkt – fünf Meter höher – in einen Zufuhrkanal leitet. Dieses schweizweit erste Schöpfrad konnte im vergangenen März seinen Betrieb aufnehmen. Es hat einen Durchmesser von sechs Metern und wiegt acht Tonnen. Moderne Technik ermöglicht es, die entnommene Wassermenge kontinuierlich zu überprüfen. 

Projekt ist auf gutem Weg

OGG Bern Die fruchtbare Tradition der Wässermatten Saturday, 15. April 2023 Das Wasser läuft via Bewässerungskanal auf einer Länge von rund 400 Metern ins betreffende Wiesengebiet. Dort sind abwechselnd Trocken-, Mager- und Wässerwiesen angelegt worden. Zu diesen führen vom Hauptkanal her kleinere Gräben. Mit entsprechenden Pforten, «Fallen» genannt, kann Landwirt Christian Meier die Wasserzufuhr für die einzelnen Wiesen regulieren. Die Fläche der eigentlichen Wässerwiesen (Feuchtwiesen) beträgt 1,5 Hektaren. Damit der Wasserverlust auf den zurückgelegten Strecken möglichst klein bleibt, hat der Verein die historischen Kanäle und Gräben sorgfältig abgedichtet. 

Zum einen werden die Hauptflächen futterbaulich genutzt, doch hat sich das Projekt auch ein weiteres Ziel gesetzt: «Den Kanälen und Gräben kommt künftig wieder eine ökologische Funktion als Kleingewässer zu», sagte der Biologe Hansruedi Schudel, Vorstandsmitglied des Vereins «Wässerwiesen im Hundig». Zusammen mit den verschiedenen Wiesentypen, die grösstenteils der BFF-Qualität I entsprechen, sollen sie eine hohe Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen aufweisen. Zielarten sind etwa die Kreuzkröte, die Geburtshelferkröte sowie der Kammmolch, welche alle drei in ihrem Vorkommen stark gefährdet sind. Bei den Pflanzen werden beispielsweise das Kleine Knabenkraut, die Sibirische Schwertlilie oder der Lauch-Gamander gezielt gefördert. «Das Wasser aus der Glatt ist nach wie vor sehr nährstoffreich», stellte Schudel fest. Daher werde sich insbesondere auf den Wässerwiesen zeigen, welche Pflanzenarten sich auszubreiten vermögen. «Es ist nicht alles perfekt, aber wir sind auf gutem Weg.»

Weitere Informationen

Bewässerung mit Kanälen
Für die Bewässerung von Wiesen durch einen Fluss ohne zufliessende Bäche werden bestimmte Bedingungen vorausgesetzt. Sie funktioniert beispielsweise nur, wenn die ausleitenden Kanäle ein geringeres Niveau aufweisen als der Fluss. Den Wässerwiesen im Hundig kommt entgegen, dass das Glatttal sehr kieshaltig ist, was die Wasserdurchlässigkeit des Bodens erhöht. Ein weiteres Beispiel für ein derartiges System zur Wiesenbewässerung sind die Wässermatten in den oberaargauischen Flusstälern der Langeten, Oenz und Rot. Sie wurden 1983 ins Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen.

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