Am Anfang stand ein Irrtum: «Ich habe Lavendel-Setzlinge bei einem Gärtner hier im Jura bestellt, um daraus ätherisches Öl zu produzieren», erzählt Aurélie Chèvre. Nach einer Ausbildung in Kräuterkunde war sie auf diese Idee gekommen.

Bei der Bestellung nannte die gelernte Floristin und ausgebildete Bäuerin den lateinischen Namen: Lavandula officinalis. Die Setzlinge wurden geliefert, sie pflanzte im Herbst 2021 44 Aren auf dem Bauernhof in Mettembert JU an. «Im nächsten Sommer stellte ich fest, dass es gar kein Lavendel, sondern Lavandin war.»

«Fügung des Schicksals»

Lavandin ist aus einer natürlichen Kreuzung zwischen dem Echten Lavendel und dem Breitblättrigen Lavendel entstanden. Was nun, überlegten sich Aurélie Chèvre und ihr Mann Simon. «Es war eine Fügung des Schicksals. Auch aus Lavandin kann man ätherisches Öl herstellen, also beschlossen wir, nicht alles wieder auszureissen», erinnert sich Aurélie Chèvre.

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Aus dem Irrtum des Gärtners ist mittlerweile der Hofkräuterladen Fenaison Bleue geworden. Mit ihrer Geschäftsidee gewann die Familie im vergangenen Herbst sogar den Agropreis, einen mit 20 000 Franken dotierten landwirtschaftlichen Innovations-Award der Emmental-Versicherung – gleichzeitig räumten sie auch noch den Leserpreis ab, der mit 3000 Franken belohnt wird.

Abo 31. Verleihung im Berner Kursaal Agropreis 2023: Familie Chèvre gewinnt mit ihrem Lavandin-Anbau Thursday, 2. November 2023 Der Auftritt am Gala-Abend, bei dem auch die beiden Kinder Manon und Noé mitwirkten, wird der Familie ein Leben lang in Erinnerung bleiben. «Der Preis war eine schöne Anerkennung unserer Arbeit, eine Belohnung für den Mut, den wir gebraucht haben.»

Maschine umgebaut

Der Lavandin-Anbau ist in der Schweiz eine Premiere – das war in Teilen eine Herausforderung. «Die Pflanzen an sich sind recht robust, aber für den Anbau mussten wir eine Gemüsesetzmaschine extra umbauen, weil es nichts Geeignetes gab. Wir haben einfach gemacht, wie wir es für richtig hielten, weil wir keine Vergleichsmöglichkeiten oder Nachbarn hatten, die damit Erfahrung hätten.»

Eine weitere Schwierigkeit sei, dass das Land abschüssig ist. «Wenn Sie sich diese Art von Kräutern in Südfrankreich vorstellen, in der Provence, dort ist es sehr flach», erklärt Aurélie Chèvre. Die grösste Arbeit war die Unkrautbekämpfung. «Als wir gepflanzt haben, waren die Pflanzen so klein, mit einem Abstand von 60 Zentimetern. Wir mussten alles von Hand machen. Das waren viele Stunden Arbeit.»

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Betrieb verkauft Blüten an Hofladen

Die Kultur gehört zum Bauernbetrieb, der Betriebsgemeinschaft «Ferme des Trois C» von Simon Chèvre und Partner Gaël Monnerat. Die beiden verkaufen die Blüten dann an Aurélie, die mit ihrem Hofkräuterladen Fenaison Bleue selbstständig ist. Chèvre und Monnerat produzieren mit ihren 55 Holstein-Kühen Milch für die Gruyère-Herstellung und mästen 450 IP-Suisse-Schweine.

«Im Teenageralter»

Im Sommer 2022 hatten sie erst eine kleine Lavandin-Ernte, «die Pflanzen waren noch im Teenageralter», vergangenen Sommer fiel sie dann gut aus. Mitte Juli wird geerntet. Nur die Blüten, nicht der Stiel. Direkt danach werden die frischen Blüten verpackt und ins Wallis zu einer Brennerei transportiert, welche sich darauf spezialisiert hat, ätherische Öle zu extrahieren.

Das ätherische Öl und weitere Produkte wie Milch-Lavadin-Konfitüre, Teemischungen, Creme, Sirup oder Duftsäckchen verkauft Aurélie Chèvre in ihrem Hofladen, auf Märkten und in ihrem Onlineshop. Das Ziel ist, eines Tages davon leben zu können. «Ich habe meinen Aussenjob aufgegeben, um mich dieser Aufgabe zu widmen, obwohl ich noch kein Einkommen hatte», blickt sie zurück.

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«Ich wusste nichts»

Alles über Direktvermarktung abzusetzen, braucht viel Aufbauarbeit, auch wenn die mediale Aufmerksamkeit geholfen und der Agropreis Schub gegeben hat. «Ich wusste nichts über Websites, E-Shops, Whatsapp-Gruppen und Newsletters und musste alles von der Pike auf lernen.» Sich neues Wissen anzueignen, macht Chèvre allerdings Spass. «Besonders gerne mache ich Instagram-Beiträge. Ausserdem habe ich alle Verpackungen und Etiketten selbst designt.»

Bei Bauernprotesten dabei

Die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft sieht das Bauernpaar durchzogen, ob der vielen Normen gerate der Mensch in Vergessenheit. «Wir Bauern müssen uns sehr oft rechtfertigen, etwa, warum wir kein Bio machen», sagt Aurélie Chèvre. «Der Bauer sollte wieder ins Zentrum der Diskussion gesetzt werden.» Die aktuelle Agrarpolitik sei überfordernd, fügt Simon Chèvre an, die Wut unter den Bauern wachse. Er hat deshalb an den Bauernprotesten teilgenommen, um «ein kleines Zeichen zu setzen».

Website des Betriebs

Betriebsspiegel

Name: Aurélie und Simon Chèvre, Gaël Monnerat

Ort: Mettembert JU

Betriebsfläche: 80 ha

Viehbestand: 55 Holstein-Milchkühe (Gruyère-Produktion), 450 IP-Suisse-Mastschweine

Organisation: Simon Chèvre und Gaël Monnerat führen eine Betriebsgemeinschaft, Aurélie ist mit ihrem Kräuterladen Fenaison Bleue selbstständig.