Mehr Ertrag pro Fläche ist ein oft genanntes Ziel, vor allem im Hinblick auf eine wachsende Bevölkerung. In den letzten Jahren sei die züchterische Weiterentwicklung des Ertrags bei Weizen aber weltweit stagniert, stellte Agroscope in einer Mitteilung 2016 fest. Damals startete das landwirtschaftliche Kompetenzzentrum in Zusammenarbeit mit dem deutschen Leibnitz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) einen Versuch mit gentechnisch verändertem Weizen. Das Ziel der Forschenden: Zu überprüfen, ob die Ertragsgewinne im Gewächshaus auch im Freiland zu beobachten sind.
Konstant grössere Körner
[IMG 2]Nun ist ein Artikel zu den Ergebnissen in einer internationalen Fachzeitschrift publiziert worden. Der gentechnisch veränderte Hosut-Weizen (siehe Kasten) zeigte über die drei Versuchsjahre konstant grössere Körner, aber weniger Körner pro Ähre. Insgesamt war somit der Ertrag nicht höher als auf den Vergleichsflächen mit der Ausgangssorte Certo. Dennoch spricht Studienerstautorin Susanne Brunner, Agroscope, von einem Erfolg.
«Der Ertrag hängt sowohl von der Genetik der Pflanze als auch der Umwelt sowie deren Interaktionen ab», erklärt Brunner. Daher sei es sehr schwierig, die wenigen Gene und Mechanismen zu finden, die einen Unterschied machen könnten. «Vor diesem Hintergrund war es ein Erfolg, dass die vorgenommene Erhöhung des Zuckertransports ins Korn auch unter unterschiedlichen Feldbedingungen zu grösseren Körnern führte», so die Forscherin. Erfreulich sei auch die Erkenntnis, dass mit Hosut-Weizen eine Erhöhung des Korngewichts unabhängig von der Menge an aufgewendetem Stickstoffdünger erreicht werden könne – sogar, wenn ganz auf den Dünger verzichtet werde.
Nicht zuletzt habe das Freilandexperiment bei Agroscope gezeigt, dass die Daten aus dem Gewächshaus nicht ausreichten, sondern Feldversuche wichtig und nötig seien. «Für die Forschung war der Versuch also wertvoll», so Brunners Fazit. «Auch in Bezug auf eine Anwendung bedeutet die erzielte Erhöhung des Korngewichts das Erreichen eines wichtigen Etappenziels.»
Kein Naturgesetz
Tatsächlich sei der Effekt erhöhter Korngrösse im Freiland zwar kleiner gewesen als im Gewächshaus, aber «erfreulich stabil». Dass die Weizenpflanzen von den grösseren Körnern eine geringere Stückzahl pro Ähre produzierten, ist laut Susanne Brunner ein «Entweder-Oder» (Trade-off), auf das man in der klassischen Züchtung oft gestossen ist. «Es gibt aber auch wenige Beispiele, wo es gelang, den Weizenertrag mit neuen Sorten dank grösserer und mehr Körner zu steigern», ergänzt die Forscherin. Somit scheine es sich bei diesem Trade-off nicht um ein unüberwindbares Naturgesetz zu handeln. Auch wenn die untersuchten Hosut-Linien offenbar nicht zu den wenigen Aus-nahmen gehören.
Mehr Mikronährstoffe
Der gentechnisch veränderte Weizen des IPK hat aber eine andere interessante Eigenschaft: Anders als man vielleicht erwarten würde, trat hinsichtlich der Inhaltsstoffe in den grösseren Körnern kein Verdünnungseffekt auf. Im Gewächshaus waren die Körner durchschnittlich 5 Prozent grösser und zeigten dennoch einen höheren Proteingehalt. In den Feldversuchen stellte man erhöhte Konzentrationen an Mikronährstoffen fest (bis 8 Prozent mehr Zink und 4 Prozent mehr Eisen).
«Der hier beobachtete Anstieg wäre zu niedrig, um die Nahrungsqualität von Brotweizen für die menschliche Ernährung zu verbessern», ordnet Susanne Brunner die Resultate ein. Aber die Studie habe gezeigt, dass sich ein Verdünnungseffekt wertvoller Mineralien mit diesem transgenen Ansatz nicht nur verhindern lasse, sondern sogar leichte Verbesserungen möglich seien. Überdies entdeckte das Forscherteam keine unerwünschten Nebeneffekte der gentechnischen Veränderung im Hosut-Weizen hinsichtlich chemischer Zusammensetzung der Pflanze, Krankheitsanfälligkeit oder Phänologie.
Allerdings zeigte eine der drei Hosut-Linien Kleistogamie – ihre Blüten öffneten sich also nicht, und der Pollen blieb vollständig in der Blüte. Das ist insofern interessant, als dass kleistogame Getreidesorten weniger anfällig auf eine Infektion mit Fusarien sind und sich ausserdem nicht mit anderen Sorten auskreuzen, selbst wenn diese in unmittelbarer Nähe wachsen. Letzteres käme der Koexistenz von gentechnisch veränderten und traditionellen Sorten entgegen.
So kam das Gersten-Gen in den Weizen
Der gentechnisch veränderte Hosut-Weizen des deutschen Leibnitz-Instituts enthält Erbmaterial aus Gerste, der Name stammt von der Bezeichnung der eingesetzten Abschnitte. Dabei handelt es sich um ein Gen für einen Zuckertransporter und einen genetischen Schalter für dessen Herstellung. Zusammen führen sie zu einer erhöhten Aufnahme-kapazität für Zucker und im End-effekt zu grösseren Körnern.
Hilfreiches Bodenbakterium
Weil der Hosut-Weizen artfremdes Erbgut enthält, ist er transgen. Für seine Erzeugung kamen keine neuen gentechnischen Verfahren wie die Genschere Crispr-Cas zum Einsatz, sondern ein älterer Ansatz. Dabei nutzten die Forschenden Agrobacterium tumefaciens, ein verbreitetes Bodenbakterium, das seine Wirtspflanzen zur Bildung von Gallen bringt. Dazu überträgt das Agrobacterium einen Teil seiner DNA in den Wirt. Im Labor ersetzt man die Gallenbildungsgene mit nützlichen Genen – z. B. Gersten-Gene, die einen Zuckertransporter herstellen – die dann in die Pflanzen-DNA eingebaut werden.
Grössere, aber weniger Körner
In den Feldversuchen von Agroscope war das Korngewicht beim Hosut-Weizen um 3 bis 8 Prozent höher als in der Ausgangssorte Certo, gleichzeitig war aber die Kornzahl pro Ähre um 4 bis 12 Prozent tiefer. Insgesamt resultierte somit kein höherer Ertrag. Dafür stellte man aber leicht höhere Zink- und Eisengehalte fest und beobachtete keine unerwünschten Nebeneffekte.
Potenzial nicht ausgeschöpft?
Apropos Sorte: Bei Certo, der Ausgangssorte für die Hosut-Linien, handelt es sich um eine deutsche Züchtung. In zwei der drei Versuchsjahren lieferte Certo bei Agroscope geringere Erträge als eine vergleichbare Weizensorte, die grossflächig in der Schweiz angebaut wird und an hiesige Bedingungen besser angepasst ist.
«Eine naheliegende Erklärung ist, dass die Pflanze ihr Potenzial an unserem Standort nicht ausschöpfen konnte», bestätigt Susanne Brunner. «Es ist eine der noch offenen Fragen, ob es Sorten gibt, die mit dem ge-testeten verbesserten Kornfüllungs-mechanismus besser umgehen können.» Weitere Wissenslücken sieht die Forscherin zum Beispiel bei der Frage nach möglichen Engpässen in der Pflanze. Etwa könnten die Ge-fässe zu wenig ausgebildet sein, um überhaupt ausreichend Zucker transportieren zu können.
Offen für neue Projekte
Agroscope selbst betreibt keine molekularbiologische Grundlagenforschung zur Entwicklung neuer oder für die Weiterentwicklung bestehender Hosut-Pflanzen. Im Moment seien auch keine Folgeprojekte zu den Versuchen mit Hosut-Weizen geplant, gibt Susanne Brunner Auskunft. «Agroscope ist aber offen für zukünftige Projekte, in denen solche Pflanzen im Freiland untersucht werden sollen.» Seit zehn Jahren betreut die Forschungsanstalt zu diesem Zweck das geschützte Versuchs-feld «Protected Site» in Zürich-Reckenholz.
