Das Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in der Schweiz soll optimiert und an die EU angeglichen werden. Wirkstoffe, die in der EU genehmigt sind, will man demnach in der Regel ohne Verzögerung auch hier zulassen, teilte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) im Dezember 2023 mit. Ein Ziel, dem angesichts des beachtlichen Rückstaus hängiger Gesuche viele zustimmen dürften. Das Ganze hat aber einen Haken, denn im selben Zug steigen die Gebühren für die Zulassung stark.
40-mal teurer
Was dies in der Praxis bedeuten könnte, kann sich Jürg Burkhard bildhaft vorstellen. Seine Firma Sintagro AG kauft Pflanzenschutzmittel und weitere Produkte für die Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbereich im Ausland und bringt sie in der Schweiz auf den Markt. «Dafür müssen wir bei jedem neuen Produkt einen Antrag auf Zulassung stellen, der im heutigen System von vier Bundesämtern geprüft wird – egal, ob das schon in der EU geschehen ist oder nicht.» Die geplante Vereinfachung mit Übernahme der Zulassung aus EU-Staaten befürwortet Burkhard daher. Schliesslich warte man heute manchmal mehr als zwei Jahre auf die Genehmigung. Entschieden anderer Meinung ist Burkhard aber, was die neuen «Horrorgebühren» betrifft, die der Bund künftig einfordern will.
«Für ein neues PSM mit neuem Wirkstoff wird die Zulassung 40-mal teurer und kostet statt bisher 2500 neu 100 000 Franken. Ist der Wirkstoff in der EU schon genehmigt, kostet es künftig 30-mal mehr», gibt Jürg Burkhard zwei Beispiele. Insgesamt enthalte die Vorlage, deren Vernehmlassung aktuell läuft, 23 verschiedene horrend gestiegene Gebühren. Unter anderem sollen künftig Zulassungen periodisch für 20 000 Franken erneuert werden müssen.
Nur grosse Konzerne
Die Gebühren müssten Firmen wie die Sintagro AG berappen, die PSM in der Schweiz verkaufen. Massiv höhere Kosten für sein Unternehmen sind aber nicht das Einzige, was Jürg Burkhard umtreibt. «Höchstens zwei bis drei multinationale Konzerne werden sich solche Kosten leisten können», so seine Befürchtung. Er rechnet damit, dass die Verkaufspreise für PSM massiv steigen werden. «Solche Gebühren kann man sich nur für Produkte leisten, die in den wichtigsten und weitverbreiteten Kulturen angewandt werden», sagt Burkhard weiter. Beides habe verheerende Folgen für die Praxis, denn es werde einen Mangel geben an Mitteln zur Bekämpfung von weniger häufig vorkommenden Krankheiten und Schädlingen sowie zur Behandlung von Nischenkulturen. «Die Auswirkungen auf eine praxistaugliche Resistenzstrategie, die Fruchtfolge und den Selbstversorgungsgrad werden gravierend sein», warnt der Agronom.
«Keinen Einfluss»
Dass die Zulassungsgebühren steigen sollen, begründet das BLV damit, dass diese bis anhin die Aufwände der Bundesverwaltung nur zu 2 % gedeckt hätten. Das Ziel seien 40 % Kostendeckung nach dem Verursacherprinzip. So werden statt der Steuerzahler stärker die Gesuchsteller zur Kasse gebeten. Zur Gefahr, dass sich die hohen Gebühren nur noch grosse Konzerne werden leisten können, stellt das BLV fest, die Zulassungsstelle habe keinen Einfluss darauf, welche Unternehmen welche Gesuche einreichten. Deshalb könne man auch nicht verhindern, dass für eine bestimmte Kultur weniger oder gar keine PSM mehr zugelassen sein könnten. «In verschiedenen EU-Ländern sind die Gebühren höher als die in der Schweiz vorgeschlagenen und die landwirtschaftliche Produktion ist trotzdem gewährleistet», so das BLV.
Dass die Politik den Selbstversorgungsgrad fördern will und gleichzeitig so etwas vorschlägt, findet Jürg Burkhard widersprüchlich. «Ausserdem verstehe ich nicht, warum trotz einer Vereinfachung die Kosten für die Verwaltung nicht sinken», ergänzt er. Schliesslich falle die erneute Prüfung von in der EU zugelassenen Produkten künftig weg. Er werde sich am Vernehmlassungsverfahren beteiligen, um die Gebührenerhöhung noch zu kippen. Burkhard hofft, dass es ihm möglichst viele andere Akteure gleichtun werden.
«Sehr bedenkliche Entwicklung»
Der Schweizer Bauernverband (SBV) teilt Jürg Burkhalters Befürchtungen dazu, was die massiv höheren Zulassungsgebühren bewirken könnten. «Die Wirkstoffe- und Produktevielfalt würde noch stärker zurückgehen», sagt David Brugger. Hier stehe man bereits wegen der strengeren und zugleich schleppenden Zulassungspraxis unter Druck. Die weitere Angleichung des Verfahrens an die EU sieht Brugger zwar als logische Fortsetzung eines seit längerem andauernden Prozesses, den der SBV begrüsse. «Das Thema Resistenzen wird von Politik und Verwaltung aber völlig unterschätzt», warnt er. Das werde die Landwirtschaft, bzw. die ganze Wertschöpfungskette und schlussendlich auch die Gesellschaft noch massiv beschäftigen, ist sich Brugger sicher. «Hier stehen wir erst am Anfang einer sehr bedenklichen Entwicklung.»
Der SBV wolle sich ebenfalls an der Vernehmlassung zur revidierten Pflanzenschutzmittel-Verordnung beteiligen. «Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass nicht nur die Wirkstoffe, sondern auch die Produkte nicht mehr ein aufwändiges, separates Schweizer Verfahren durchlaufen müssen, wenn sie in der EU anerkannt sind», ergänzt David Brugger. Das wäre seiner Meinung nach für alle eine echte administrative Entlastung und ein Effizienzgewinn.
