Als Anpassung an den Klimawandel, Teil einer gesunden Ernährung oder innerhalb des Trends zu pflanzlichen Lebensmitteln – «Hülsenfrüchte sind überall ein Thema», fasste Alfred Bänninger zusammen. Er ist bei Agridea im Bereich Märkte und Wertschöpfungsketten tätig und führte durch ein Webinar, das sich um «Stand und Perspektiven» von Schweizer Körnerleguminosen drehte.
230 Millionen Franken Umsatz
Der Detailhandel mache derzeit mit pflanzlichen Proteinprodukten pro Jahr einen Umsatz von knapp 230 Millionen Franken, erläuterte Marion Ramp vom Schweizer Bauernverband (SBV). Trotzdem bleibe der Bereich eine Nische, in der sich in den letzten Jahren ausserdem ein leichter Nachfrage-Rückgang zeige. Mit neuen Einzelkulturbeiträgen, einer Arbeitsgruppe bei Swissgranum, dem Engagement der Privatwirtschaft sowie der Gründung von Netzwerken und Vereinen gebe es zwar positive Entwicklungen. Allerdings lässt die Fenaco dieses Jahr keine Ackerbohnen und Eiweisserbsen mehr anbauen. IP-Suisse pausiert bei Eiweiss- und Kichererbsen, baut dafür aber mehr Ackerbohnen an.
«Was gut zu funktionieren scheint, ist Tofu», fuhr Ramp fort. Ansonsten wertet sie den Trend zu anderen verarbeiteten Produkten – die eben auch leichter in der Zubereitung sind – eher negativ: «Dort schauen die Konsument(innen) weniger auf die Herkunft der Zutaten.» Beim Grenzschutz bleibt Ramp zurückhaltend. «Man muss realistisch sein: wenn für Leguminosen am Grenzschutz geschraubt wird, braucht es wahrscheinlich Zugeständnisse woanders.»
Ein Knackpunkt ist und bleibt der Absatz. «Wir haben eine Anbaupause, weil wir mehr anbauen könnten, als wir vermarkten können», bestätigte Reto Ryser, IP-Suisse. Das Projekt der Labelorganisation mit einem halbfertigen Produkt aus Ackerbohnen und Eiweisserbsen («Protaneo») laufe zwar erst seit einem Jahr. IP-Suisse musste erst die Verarbeitungsstufe hierzulande anbauen, Protaneo stehe daher also noch am Anfang. «Der Absatz entscheidet aber über Leben oder Sterben des Projekts», hielt Ryser fest. IP-Suisse könnte demnach Bohnen, Erbsen oder Proteinkonzentrat daraus liefern, «aber wenn wir es nicht verkaufen können, geht es nicht weiter». Die ganze Wertschöpfungskette sei – zu gleichen Teilen – gefordert, auch im Wissensaufbau. «Wir müssen unsere Mehrwerte wie einheimische Zutaten und umweltfreundliche Produktion kommunizieren.»
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Bio stark bei Tofu
Hanna Marti, Bio Suisse, sieht eine Chance für Regionalität in der Vermarktung von pflanzlichen Bio-Produkten. Bio ist derzeit vor allem beim Tofu stark, der in den Regalen der Detailhändler oft aus Schweizer Soja hergestellt ist. «Die Produktgruppe pflanzliche Alternativen hat aber ein Imageproblem», so Marti. Der Trend gehe zu günstigeren Produkten und hohem Verarbeitungsgrad, was auf Kosten des Geschmacks gehe und häufig mit der Beigabe von Zusatzstoffen verbunden sei.
«Konsumenten schauen weniger auf Herkunft.»
Marion Ramp, SBV, über verarbeitete Produkte mit pflanzlichem Protein
Chance High-Protein
Selbstkritisch meinte sie, Bio Suisse habe keine klare Strategie in Sachen Hülsenfrüchte. «Wir sind der Verband aller Bio-Bauern», gab die Produktmanagerin zu bedenken. «Der Anbau von Leguminosen soll eine zusätzliche Möglichkeit sein, kein Verdrängen der Tierhaltung.»
Der Soja-Anbau in der Schweiz funktioniere alles in Allem, fasste Christoph Barendregt von der Delley Samen und Pflanzen AG zusammen (siehe Kasten rechts). «Die Hauptfrage ist eher, ob es hierzulande genügend Absatzmöglichkeiten gibt.» Der Mehrwert von Leguminosen auf dem Feld sei unbestritten, stimmte Agriscope-Forscher Yannik Schlup zu. «Der Proteinertrag pro Hektare ist hoch und Soja oder Lupinen liefern eine gute Proteinqualität», so Schlup. Der Trend zu High-Protein-Produkten könne eine Chance sein, da pflanzliche Proteinisolate billiger als tierische seien. «Aber eine Anlage zur Produktion solcher Isolate kostet Schätzungen zufolge 6–10 Millionen Franken».
Dass in der Schweiz auf guten Böden die Leguminosen-Erträge doppelt so hoch sein könnten wie im Ausland, hält Schlup für einen weiteren Vorteil punkto Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Produktion. Es gelte, sich durch Labels abzuheben, das Risiko durch Diversifizierung zu senken und in einem ersten Schritt mit kleinen Anbauflächen das Hochpreis-Segment zu bedienen. Beim Bio-Tofu scheint das einigermassen zu funktionieren: 2024 konnten 800 ha Bio-Soja angebaut werden, was den Bedarf für die Tofuproduktion mehrheitlich decke.
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Im Anbau geht es vorwärts
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Neben dem Absatz bereitet auch der Anbau von Körnerleguminosen nach wie vor Probleme. Agroscope führt verschiedene Versuche dazu durch, z. B. den Mischanbau von Hafer und Linsen oder Nacktgerste und Lupinen. Wie Agroscope-Forscher Yannik Schlup erklärte, funktioniert das je nach Sorte gut. Das Getreide wirkt als Stütze für die Leguminose und unterdrückt Unkraut, die Gesamterträge seien je nach Kombination vergleichbar oder sogar höher. Die grössten Herausforderungen stellten sich allerdings bei der Trennung des Ernteguts und deren Qualität: So wiesen die Lupinen aus der Mischkultur erhöhte Alkaloidwerte auf, vermutlich als Reaktion auf die Konkurrenz der Nacktgerste.
Herbstlinsen waren besser
In Sortenversuchen auf Kleinparzellen erntete Agroscope in einem guten Linsen-Jahr durchschnittlich 2 t/ha. Herbstsaaten zeigten bessere Resultate als im Frühling gesäte Sorten, schilderte Jürg Hiltbrunner. «Die Herbstsaaten blühten signifikant früher und hatten ein höheres Tausendkorngewicht, weil die Phase der Kornfüllung vor der trockenen Periode stattfand», vermutet er. In den Versuchen war auch eine echte Winterlinsensorte aus Amerika, die keine Frostschäden aufwies und daher auch für bessere Erträge sorgen könne. Gewisse Schwarze Linsen könne man vielleicht als «Wechsellinsen» bezeichnen, die beim Ertrag zwar keine Überflieger seien, aber auch nicht tauchten.
Linsen sind wie Kichererbsen heikel, was das Wetter angeht. «Im europäischen Vergleich sind die Kichererbsenerträge in der Schweiz aber eher hoch», stellte Jürg Hiltbrunner fest. Da die Impfung hierzulande nicht erlaubt ist, dürfe man bei Kichererbsen eigentlich nicht mit der Fixierung von Stickstoff im Boden werben, fuhr er fort. Zwar hätten Versuche bei Agroscope gezeigt, dass die Impfung funktioniere – es wurden jeweils Wurzelknöllchen festgestellt. Eine positive Wirkung in Form von schnellerer Ausreife und je nach Sorte mehr Hülsen sowie einem höheren Proteingehalt zeigte sich aber nur in einem von vier Versuchsjahren. «Ich sehe derzeit beim Impfen von Kichererbsen mehr Nachteile als Vorteile», so das Fazit von Jürg Hiltbrunner. Denn geimpfte Pflanzen hätten später geerntet werden können, da sie eine höhere Feuchte aufwiesen. «Die Frage ist, ob es wirklich etwas zur Qualität der Kultur beiträgt.»
Soja immer impfen
Bei Soja ist die Impfung hingegen zugelassen und sogar dann vor der Saat empfohlen, wenn vorgeimpftes Saatgut zum Einsatz kommt. Diesen Rat gab Christoph Barendregt von der Delley Samen und Pflanzen AG (DSP). Zusammen mit Agroscope führt die DSP ein klassisches, gentechnikfreies Zuchtprogramm für Soja, das bereits 1981 gestartet ist. «Am Anfang war diese Pflanze überhaupt nicht geeignet für den hiesigen Anbau», erinnert sich Barendregt. Daran müsse er heute denken, wenn er von den Schwierigkeiten mit Kichererbsen oder Linsen höre.
Eine neue Studie beziffere das Anbaupotenzial moderner Soja-Sorten in der Schweiz unter Berücksichtigung der Fruchtfolge mit 51’000 ha im ganzen Mittelland (siehe Karte unten). Für Barendregt ist Soja eine wahre «Wunderbohne», die Öl liefert, einen Proteingehalt vergleichbar mit Kuhmilch habe und zudem fast alle essentiellen Aminosäuren enthalte. Bisher werde die Kultur allerdings vorwiegend zur Futterproduktion angebaut, wobei die Sortentrennung nicht so stark sei wie beim Weizen, wo aus Futterweizen kaum Brot gebacken werden kann.
«Verwöhnt» punkto Krankheiten
Auf der Suche nach guter Speisesoja müsse eine Sorte etwa eine hohe Tofuausbeute von ansprechender Festigkeit bringen. Süsses Aroma ist ein Pluspunkt, grasige Noten werden vermieden. Da hierzulande schon seit Jahrzehnten züchterisch an Soja gearbeitet wird, stehen verschiedene neue und bewährte Sorten zu Verfügung. «Noch immer ist es in Europa eine junge Kultur», bemerkte der DSP-Mitarbeiter, «Punkto Krankheiten sind wir da verwöhnt.»
Bei der Sortenwahl sei es wichtig, das für den Standort ideale Reifesegment zu nehmen. «Je länger die Kultur auf dem Feld steht, desto grösser ist ihr Ertragspotenzial«, erklärte Christoph Barendregt. Französische Bauern bauten besonders schnell abreifende Soja aber bereits nach Gerste an.
«Wir haben aktuell keinen Absatz für Suisse-Garantie-Linsen oder -Kichererbsen»
Die Fenaco liess 2023 erstmals Eiweisserbsen und Ackerbohnen für die menschliche Ernährung im Vertragsanbau produzieren. 2025 ist damit Schluss.
Warum stoppt die Fenaco 2025 den Vertragsanbau mit Eiweisserbsen und Ackerbohnen für die menschliche Ernährung?
Jasmin Meile: Es fehlte der gesicherte Absatz von Erbsen und Bohnen in der Lebensmittelindustrie. Ein Teil des Absatzes verwendeten wir intern für Versuche. Wenige Kleinstmengen konnten wir an verschiedene Partner in der Lebensmittelindustrie verkaufen. Die aktuellen Lagerbestände reichen bis auf Weiteres aus, um die aktuelle Nachfrage zu decken. Die Fenaco-Geschäftseinheit Getreide, Ölsaaten, Futtermittel (Fenaco GOF) prüft gegenwärtig die Deklassierung der gelagerten Ware zur Verarbeitung in der Mischfutterproduktion auf eigene Kosten.[IMG 3]
Wird der vertraglich vereinbarte Preis ausbezahlt?
Der zugesicherte Mindestpreis an die Sammelstellen wird ausbezahlt. Fenaco GOF hat den Sammelstellen aus der Ernte 2023 Fr. 74.–/100 kg für Eiweisserbsen SGA und Fr. 70.75/100 kg Ackerbohnen SGA ausbezahlt. In der Ernte 2024 liegt unser garantierter Mindestpreis bei Fr. 70.–/100 kg für beide Kulturen. Die Schlussabrechnung der Ernte 2024 ist allerdings noch ausstehend und erfolgt per April 2025.
Was müsste sich ändern, dass die Fenaco diese Eiweisskulturen wieder ins Programm nimmt?
Es müsste ein realistischer, gesicherter Absatz auf einem Preisniveau bestehen, der den Anbau für die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte nachhaltig wirtschaftlich interessant macht.
Demzufolge hat die Fenaco auch kein Interesse an Linsen, Kichererbsen oder Soja für die menschliche Ernährung?
Wir haben aktuell keinen Absatz für Suisse- Garantie-Linsen oder -Kichererbsen. Sojabohnen übernehmen wir bereits heute in Suisse-Garantie-Qualität und vermarkten diese.
