«Aufgrund unserer Betriebsstruktur und Vermarktungslage ist für uns eine biologische Produktion nicht möglich. Wir müssen uns auf eine nachhaltige, ökologische Produktion ohne Bio ausrichten.» Kilian Diethelm vom Früchtehof in Siebnen erklärte seine Strategie an der online durchgeführten Zentralschweizer Pflanzenschutz- und Obstbautagung der Arbeitsgemeinschaft Zentralschweizer Obstproduzenten (AZO) vergangene Woche.
Beeren- und Obst-Spezialist
Schon sein Vater habe 1994 die Milchproduktion aufgegeben und sich auf Obst und Beeren mit Direktvermarktung ausgerichtet. Sohn Kilian hat den Betrieb 2003 übernommen und erweitert mit Strauchbeeren, aber auch Aprikosen. Auch die Stein- und Kernobstanlagen wurden in den vergangenen Jahren erneuert und erweitert. Und dieses Jahr wird in eine neue Lager- und Sortierhalle investiert.
Auf dem 6 ha grossen Betrieb werden heute auf rund je 2 ha Kern- und Steinobst, und auf 1 ha Erdbeeren und Strauchbeeren produziert, der Rest ist extensive Wiese und Weide.
Vorteile mit Folie und Netz
Je die Hälfte des Umsatzes wird im eigenen Hofladen und am Markt in Lachen realisiert sowie mit 15 regionalen Wiederverkäufern. Bei den Erdbeeren werde auf Substratkultur gesetzt, und an die jetzigen Abnehmer könnte er nur mehr kleine Mengen liefern, wenn er auf Bio umstellen würde, erklärte Diethelm das Dilemma.
Er richte aber die Infrastruktur darauf aus, dass immer weniger synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen: Folienabdeckung bei den Beeren und Kirschen, Insektennetze wenn möglich bei allen Obst- und Beerenkulturen, und die Insektennetze würden so montiert, dass eine Bewirtschaftung ohne Herbizide möglich sei. Bei Folien habe er die Erfahrung gemacht, dass Kirschen ertragssicherer und weniger von Monilia befallen seien, die Beeren weniger Botrytis hätten, die Regenschäden abnähmen und die Arbeitsabläufe optimiert werden könnten. Zu beachten seien aber die Mehrkosten, die Mehrarbeit, das Risiko von Mehltau und der Hitzestau.
«Blühstreifen gehören an den Rand.»
Wegen Mäuseschäden will Kilian Diethelm diese nicht in den Fahrgassen.
Nützlinge als Ergänzung
Als Vorteile der Insektennetze nannte Diethelm den geringeren Befall von Kirschessigfliege, Fruchtwickler, Wanzen und Sägewespen, aber auch von Vögeln und Wespen sowie die bessere Behangsregulierung. Doch auch damit gebe es Mehrkosten und Mehrarbeit. Und Risiken seien Raupen, Birnblattsauger und Spinnen.
Angelegt hat Diethelm Blühstreifen am Rande der Anlage, «wegen der Mäuse sicher nicht in den Fahrgassen». Der innovative Obst- und Beerenbauer hat Erfahrungen mit Nützlingen gesammelt, Raubmilben würden teils umgesiedelt, teils zugekauft, und bei Birnen werden Ohrwurmnester angelegt, «so mussten wir keine Akarizide mehr einsetzen». Weil weniger Insektizide nötig seien, könnten Resistenzen reduziert werden. Der Einsatz von Nützlingen führe aber zu höheren Kosten und erhöhe das Risiko von Ertragsminderungen, und beim Einsatz von Spritzmitteln müsse auf die Nützlingsschonung geachtet werden. Und derzeit sei eine gezielte Bekämpfung von Schädlingen mit Nützlingen überhaupt noch schwierig.
Seine Bemühungen für eine ökologischere Produktion nutze er mit gezielten Botschaften im Marketing. So in den digitalen Medien, mit Betriebsführungen, Kundengesprächen und Infotafeln auf dem Hof und an Feldrändern. Die Kundinnen sollen wissen, dass Nützlingsförderung den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziere, wo immer möglich biologische Mittel eingesetzt würden, das Einnetzen der Kulturen vor Schädlingen schütze, torffreies Substrat und die Verwendung von Naturstrom auf dem Betrieb das Klima schütze. «Wir müssen Gutes tun und darüber sprechen».
Druck auf Pflanzenschutz
Dass der Druck zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln auch nach den vergangenes Jahr gewonnenen Pflanzenschutz-Initiativen anhält, war bei den Referaten an der Tagung deutlich zu spüren. Barbara Egger von Agroscope berichtete über Wirkungsversuche bei Fleckenminiermotten und alternative Bekämpfungsmethoden gegen Birnblattsauger, immer mit dem Ziel, weniger Chemie einsetzen zu müssen.
Auch mit dem seit 2019 und noch bis 2024 laufenden Zentralschweizer Kirschenprojekt sollen innovative Pflanzenschutzstrategien entwickelt werden, um Rückstände auf Steinobst möglichst zu vermeiden. Bei Fungiziden sei eine Reduktion möglich, bei Insektiziden aber sehr anspruchsvoll, wenn nicht Qualitätseinbussen riskiert werden sollen.
Kathrin von Arx von der landwirtschaftlichen Beratung Römerrain, Pfäffikon, wies auf Änderungen bei der Liste zugelassener Pflanzenschutzmittel hin. Wartefristen wurden verlängert, Abstände sind zu vergrössern, einige Mittel werden ganz verboten.
Immer mehr Schädlinge
Anderseits treten klima- und mobilitätsbedingt immer mehr neue Krankheiten und Schädlinge auf, was den Bedarf zum Schutz der Kulturpflanzen erhöhe. Genannt wurden Schwarzfleckenkrankheit bei Birnen, Ebereschenmotte auf Äpfeln, die Apfeltriebsucht oder die Falterart Goldafter, wo die Raupen Blätter und Äste kahlfressen und deren Härchen bei Hautkontakt allergische Symptome auslösen können. Zu rechnen sei künftig auch mit dem Japankäfer, dem Walnussborkenkäfer oder der Orientalischen Fruchtfliege. «Der Krankheits- und Schädlingsdruck nimmt zu, die Bekämpfungsmöglichkeiten nehmen ab.» Anderseits seien die Konsumenten kaum bereit, Kompromisse einzugehen, würden ein top Aussehen der Früchte erwarten, und das zu einem möglichst günstigen Preis.
Den Fokus auf Punkteinträge legen
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bleibe in der Kritik und in der Tat gebe es einen Nachholbedarf, meinte Johannes Hanhart von Agridea. «Damit es weniger Medienberichte gibt, was denn die Bauern alles schlecht machen und die Gewässer verschmutzen.» Punkteinträge, Drainagen, Abschwemmung, Abdrift seien die Eintragswege von Pflanzenschutzmitteln in Gewässer. Reto Leumann, Obstbauberater am Bildungszentrum Arenenberg, wies darauf hin, dass vor allem bei den Punktquellen wie Lagerung, Befüllung, Reinigung und Entsorgung anzusetzen sei. Dort seien die Risiken mit Abstand am grössten und könnten auch am ehesten vermieden werden. «Das ist vielen Bauern noch nicht bewusst und wird unterschätzt.» Das Obligatorium für Waschplätze setze dort an. Zwar sei die Reinigung von Spritzen auf dem Felde wichtig und empfehlenswert. Der Zugang zu einem Waschplatz, und sei es für die Jahresendreinigung, sei aber gleichwohl unverzichtbar. Johannes Hanhart informierte über die interkantonale Empfehlung für Befüll- und Waschplätze und die finanziellen Förderungen für solche. Zum Umgang mit Pflanzenschutzmitteln auf dem Betrieb und im Feld, aber auch zum Anwenderschutz gibt es inzwischen eine Fülle von Merkblättern und Selbstcheck-Tools. Weitere Informationen: www.agridea.ch
Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte»
Nachhaltig produziertes Obst sei in ganz Europa ein Thema, erklärte Edi Holliger vom Schweizer Obstverband. Viele Abnehmerinnen wollen sich abheben, so auch im Obstbaugebiet Südtirol oder Lidl mit der Eco-Score-Kennzeichnung. Demnächst werde in der Schweiz die neue nationale Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte» vorgestellt. Bisher habe es zu viele unkoordinierte und unterschiedliche Konzepte gegeben, Holliger erwähnte auch die Labelvielfalt und das Wirrwarr an Projekten und Weisungen. «Die Auswirkungen auf die Betriebe bezüglich technischer, qualitativer und finanzieller Natur werden unterschätzt.» Die neue Branchenlösung soll Ökologie (Pflanzenschutz, Wasser, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität usw.), Soziales (Innovation Bildung, Gesundheit, Arbeitsbedingungen) und Ökonomie berücksichtigen. Definiert sind neun Nachhaltigkeitsziele, davon sechs im Bereich Ökologie. Die Betriebe können aus rund 90 Massnahmen, 50 im Bereich Pflanzenschutz, auswählen und Punkte sammeln. Einige seien schon bekannt wie mehr hacken statt Herbizide einsetzen. Grundsätzlich soll deutlich über den heutigen Auflagen oder der «guten landwirtschaftlichen Praxis» produziert werden. Dies mit dem Ziel, dass Früchte mit diesem neuen Standard am Markt einige Rappen mehr lösen, hofft Holliger.
Spucken in der Badi
Das Zentralschweizer Chriesifäscht findet auch dieses Jahr nicht statt, nicht nur wegen Corona. Es sei immer schwieriger geworden, Betriebe und genügend Helfer(in-nen) zu finden, begründete Urban Baumgartner von der AZO. Stattdessen sind in den Regionen im Rahmen der neuen Imagekampagne des Schweizer Obstverbandes neue Aktivitäten geplant. So soll «Chriesisteinspucken» 2022 mit einer mobilen Anlage auf Tour gehen. Geplant sind im Sommerfünf Events, auch in Freibäder. Weiter sollen bei 100 Firmen in den Kantonen Luzern, Schwyz und Zug Pausenapfelaktionen lanciert werden.

