Bei Äpfeln sind Lagerungsschäden durch Lentizellenfäule seit eh und je ein Thema. «Doch in letzter Zeit tritt die Pilzerkrankung auch bei Birnen immer häufiger auf», hielt Andreas Naef von Agroscope vor einer Woche an der Güttinger-Tagung fest. Besonders betroffen sei die Sorte Kaiser Alexander. Als Grund für die Zunahme nannte er zum einen zu extensive Fungizidstrategien, schlecht terminierte Abschlussbehandlungen oder eine späte Ernte. Auch sei anzunehmen, dass Klimaveränderungen eine Rolle spielen: Warmes und gleichzeitig feuchtes Wetter begünstigen generell eine Infektion mit Schadpilzen.

Lentizellenfäule
Bei der Lentizellenfäule handelt es sich um eine Krankheit, die bei Lagerfrüchten (hauptsächlich Äpfel und Birnen) auftritt. Verursacht wird sie durch verschiedene miteinander verwandte Pilze. Gemeinsam ist den Pilzen, dass sie die Früchte infizieren können, indem sie über die Lentizellen in das Fruchtfleisch eindringen. Lentizellen sind Poren, welche die Frucht mit Sauerstoff versorgen und bei einigen Sorten als weisse Punkte auf der Schale erkennbar sind. Obwohl die Infektion zwischen Mai und dem Erntezeitpunkt erfolgt, wird sie erst während der Lagerungszeit erkennbar: Nach einigen Wochen bis Monaten zeigen sich kreisrunde, braune Faulflecken, die sich ständig vergrössern. Bei Birnen sind Lentizellen schlecht erkennbar und bei gelbschaligen Sorten, wie Golden, sind die Lentizellen dunkler als die Fruchthaut.

Keine resistente Birnensorte bekannt

Forschungen haben gezeigt, dass sich eine Infektion am häufigsten kurz vor der Ernte ereignet. Faktoren, welche eine Ansteckung fördern, sind mehrstündige Nässe auf der Fruchthaut. Die Idealtemperatur für Infek­tionen liegt zwischen 10 und 30 Grad. Als Sporenquellen sind je nach Pilzart und Jahreszeit vor allem Krebsstellen, abgestorbene Rinde, Fruchtmumien und Falllaub eruiert worden. Regenspritzer und Wind verteilen Sporen in und zwischen den Obstanlagen. 

«Es hat sich zudem erwiesen, dass es punkto Anfälligkeit auf Lentizellenfäule Unterschiede zwischen den Sorten gibt», sagte Andreas Naef. So sei etwa Kaiser Alexander deutlich anfälliger als Conference. Doch eine resistente Birnensorte sei nicht bekannt. 

Weiter hat sich laut Naef gezeigt, dass sich verpasste Fungizidbehandlungen nur begrenzt mit Abschlussbehandlungen korrigieren lassen. Was gemäss Praxisbeobachtungen die Anfälligkeit zusätzlich erhöht, sind eine schlechte Versorgung mit Kalzium sowie Hautreizungen durch aggressive Spritzmittel. Als weitere Eintrittspforten haben sich Verletzungen durch blattsaugende Insekten erwiesen.

Massnahmen vor und nach der Ernte

«Um Verluste durch die Lentizellenfäule einzudämmen, ist sowohl vor als auch nach der Ernte anzusetzen», sagte Andreas Naef. Vor der Ernte bedeutet etwa:

  • Hygienemassnahmen beachten (z. B. Falllaub entfernen)
  • Bäume gut durchlüften (z. B. Anbauform, Schnitt)
  • breit wirksame Fungizid-strategie wählen
  • Mehrfachrückstände reduzieren
  • passende Applikationstechnik anwenden 
  • Abschlussbehandlungen korrekt durchführen (z. B. Dosierung, Wartefristen) 

«Nach der Ernte ist die Reifung der Birnen so gut wie möglich zu verlangsamen», ergänzte Séverine Gabioud, die Nachernte-Spezialistin von Agroscope. Dies, weil sich die Lentizellenfäule umso schneller entwickelt, je reifer die Birnen sind. Daher gilt:

  • Birnen im Erntefenster pflücken
  • Nicht bei nassem Wetter ernten
  • Die Früchte nach der Ernte schnell abkühlen
  • Bei tiefen O2-Konzentrationen lagern
  • Ethylen entfernen
  • Evtl. Behandlung mit dem Wirkstoff 1-Methylcyclopropen (1-MCP)
  • Mit einer tiefen O2-Konzentration und einer Behandlung mit 1-MCP lässt sich die Ethylenproduktion verzögern. Damit einher geht die Abnahme der Festigkeit und der Fleischbräune. 

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Keine Rückstände festgestellt

Zudem zeigten Versuche bei Äpfeln eine Wirksamkeit von Heisswasserbehandlung gegen die Lentizellenfäule. Bei Birnen dagegen funktioniert die Methode nicht, sie führt zu noch mehr Schäden. Eine interessante Alternative wäre eine Behandlung mit Ozon: Das Oxidationsmittel zerstört alles, was organisch ist. Da es in der Schweiz zurzeit nicht für Tafelobst zugelassen ist, hat Agroscope Lagerungsversuche in experimentellen Zellen durchgeführt. «Die ersten Tests sind vielversprechend», sagte Séverine Gabioud. Es zeigte sich, dass die Entwicklung der Lentizellenfäule verlangsamt wird, ohne dass giftige Rückstände zurückblieben. Ein weiteres Projekt untersucht die Nachernte-Behandlung mit dem Fungizid ­Pyrimethanil. Dazu sind Lagerversuche mit der Sorte Kaiser Alexander geplant. Ein Kriterium dabei werden unter anderem die Pyrimethanil-Rückstände im Lagerraum und auf den Kisten sein.