«Eigentlich wurde ich über einen Zufall auf den Kalk aufmerksam», sagt Roman Anderegg. Er wollte seinen Lehrling auf das QV vorbereiten und die Ausbringung von Dünger mit dem Streuer üben. «Was streust du da als Biobetrieb? Man hat nicht so viele Möglichkeiten wie ein konventioneller – und so brachten wir schliesslich auf einem Teil unserer Flächen Calziumschwefel aus.»
Viel versprach sich Roman Anderegg von dieser Aktion nicht – sie war rein als Vorbereitung aufs QV gedacht. Schliesslich lässt er regelmässig Bodenproben analysieren. Seine schweren, tonreichen Böden zeigen meist pH-Werte zwischen 7,2 und 7,6. Kein Problem also für die Kalkversorgung – heisst es im Lehrbuch. Doch die gestreute Fläche ergrünte auffällig und lieferte besseres Futter als die angrenzenden Parzellen. «Liegt es jetzt am Kalk oder am Schwefel?», fragt er sich.
Landwirte informieren und vernetzen
Am vergangenen Dienstagabend fand auf dem Betrieb der Familie Anderegg in Wetzikon TG die «Stallvisite» statt. Organisiert wurde der Anlass von Christian Tschirren, Leiter Agrar bei der Landi Thula. Ziel war es, den Landwirtinnen und Landwirten eine Plattform zur Vernetzung zu bieten und sie zu fachlichen Themen zu informieren. Auf dem Betrieb der Familie Anderegg standen dabei drei Themen im Fokus: standortangepasste Futterbaumischungen (Simon Rothenbühler, UFA Samen), Futtereffizienz von Milchkühen im Zusammenhang mit Harnstoffwerten (Ignaz Hutter, UFA) – und die Bedeutung der Kalkstoffversorgung.
«Die Bodenproben sind eine fertige Katastrophe»
Gerade Letzteres sorgte unter den rund 70 Teilnehmenden für rege Diskussionen. «Die Bodenproben sind eine fertige Katastrophe», sagt ein Landwirt, als zur Sprache kommt, dass auch Böden mit hohen pH-Werten einen Mangel an pflanzenverfügbarem Kalk aufweisen können.
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Wie ein Schoko-Muffin
«Die Proben liefern einen Anhaltspunkt zum Bodenzustand. Macht einen Salzsäuretest und schaut, ob es schäumt», entgegnet Carol Tanner, Ackerbauberaterin vom BBZ Arenenberg, die zusammen mit Roman Anderegg den Posten betreute.
Sie zeigt einen kleinen Papierbecher, zur Hälfte mit Erde gefüllt, und beträufelt diese mit einigen Tropfen 10-prozentiger Salzsäure. Laut Theorie reagiert die Säure mit dem im Boden verfügbaren Kalk: Ist Kalk vorhanden, schäumt es. Fehlt er, bleibt die Reaktion aus.
Die Erde im Papierbecher beginnt zu schäumen, geht auf wie ein Schoko-Muffin im Backofen und tropft auf den Boden. «Hoffentlich löst sich der Beton nicht auf», sagt Roman Anderegg. Die Landwirte lachen – die Stimmung lockert sich auf.
Dünger versauern den Boden
Als weiteres Hilfsmittel zur Beurteilung der Bodenreaktion empfiehlt Anderegg das «Hellige pH-Meter». Dabei handelt es sich um einen Indikationstest, der mit einer Indikatorlösung und einer Farbskala den pH-Wert bestimmt.
Ganz «für die Katz» ist der Boden-pH also doch nicht, wenn es um die Kalkversorgung geht. Denn laut Carol Tanner wirken viele Mineraldünger – etwa Ammonsulfat, Entec oder Harnstoff – stark versauernd. Sie greifen den Carbonatkalk an und setzen Calziumionen frei.
An sich positiv: Die Pflanze kann das Calzium aufnehmen. Doch bei gleichzeitiger Nitratbelastung werden Calzium und Magnesium ausgewaschen – und der Boden zeigt bald wieder Kalkmangel.
«Bevor ihr an Stickstoff denkt, düngt lieber mit Kalk – das bringt deutlich mehr», sagt ein Teilnehmer dazu.
Den Magnesiumgehalt im Blick behalten
Bei der Wahl des Kalkdüngers sollte man auch den Magnesiumgehalt im Boden berücksichtigen, rät Roman Anderegg. Viele Produkte enthalten auch Magnesium – dieses konkurriert bei der Aufnahme in die Pflanze mit dem Calzium. In Böden mit ausreichender Magnesiumversorgung empfiehlt sich daher ein magnesiumarmer Kalkdünger.
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Abkürzung über die Gülle?
«Könnte man den Dünger nicht in Gülle auflösen und so ein paar Durchfahrten sparen?», will ein Teilnehmer wissen. «Ja, das geht bis zu einem gewissen Grad. Aber irgendwann gast dir der Stickstoff aus», antwortet Carol Tanner. Mit dem Zusatz von Kalkdünger steigt der pH-Wert in der Gülle – Ammonium wird dabei in gasförmiges Ammoniak umgewandelt. Eine Abkürzung mit Nebenwirkungen – und keine valable Lösung für die Praxis.
Seit Roman Anderegg weiss, dass seinen Böden pflanzenverfügbarer Kalk fehlt, bringt er jährlich zwischen 300 und 400 Kilogramm Kalk pro Hektare aus. Die Diskussion auf dem Betrieb zeigte: Die Kalkversorgung ist anspruchsvoll – und bleibt ein Thema.
Und der Schwefel? Den behält Roman Anderegg ebenfalls im Auge. «Die Einträge aus der Luft sind heute deutlich geringer als früher», sagt er – trotzdem bleibt sein Fokus klar beim Kalk. Bisher mit gutem Grund: Die Grasbestände haben sich verbessert. Sein Ziel bleibt das gleiche – qualitätsreiches Futter in ausreichender Menge für seine Milchkühe.
Betriebsspiegel Betrieb Anderegg
Name: Roman und Anne Anderegg
Ort: Wetzikon TG
LN: 49 ha, davon 20 ha in Fruchtfolge, 20 ha Naturwiese/Weide, 8 ha BFF und 1 ha Streufläche
Viehbestand: 50 Milchkühe, 35 Rinder, rund 2000 Legehennen