«Der Mais rollt sich, die Kartoffeln reagieren mit Wachstumsstopp, die Zuckerrüben sehen gar jämmerlich aus, lampen und erholen sich auch in der Nacht nicht mehr vom Trockenstress. Beim Futterbau läuft gar nichts mehr», sagt Virginia Stoll.
Bei den Reben leiden vor allem die Junganlagen, die älteren Anlagen kommen einigermassen zurecht. Aber auch die benötigen zeitnah einen schönen Sommerregen. «Wir brauchen dringend Regen, denn punkto Bewässerung läuft nichts mehr», so Stoll weiter. Im oberen Kantonsteil hätten die Bauern in den Vorwochen noch Wasser aus der Biber entnehmen dürfen. Aber seit dieser Woche ist Schluss – es gilt ein Wasserentnahmeverbot. Aus dem Rhein sind Wasserentnahmen bis dato noch möglich – aber wie lange noch?
Seit dem Hitzesommer 2018 und den Trockenjahren in Folge leiden auch die Wälder massiv. Gut gab der Kanton bereits eine Warnung wegen Wald- und Flurbrandgefahr heraus. Die Wetteraussichten von dieser Woche stimmen einen nicht optimistisch. «Nützliche Niederschlagsmengen sind nicht in Sicht», fügt Stoll an.
Thurgau: Fertig mit Bewässern
Laut Jürg Fatzer, Geschäftsführer vom Verband Thurgauer Landwirtschaft (VTL), sind insbesondere die Landwirte im unteren Thurgau von der Trockenheit gezeichnet – jener Region, die sich vor allem dem Ackerbau und den Spezialkulturen widmet. «Die Bewässerungsanlagen laufen bis dato noch auf Hochtouren», sagt er. Aber am Freitag, 22. Juli 2022, tritt das Wasserentnahmeverbot im Thurgau in Kraft und gilt bis auf Widerruf. Bodensee, Hüttwilersee und der Rhein sind vom Verbot ausgenommen. Wasserentnahmen aus dem Grundwasser oder aus Quellen sind bis auf Weiteres zugelassen.
Zürich: Tiefwurzler sind im Vorteil
Nur wenig entspannter sieht es im Kanton Zürich aus. «Das Getreide ist gut abgereift und das Stroh im Trockenen», sagt Martin Bertschi, Bereichsleiter Pflanzenbau vom Strickhof, und hebt erst das Positive hervor. Allenfalls gäbe es Probleme, dass Ausfallgetreide und Ausfallraps sowie Neusaaten von Gründüngung aufgrund der fehlenden Feuchte nicht keimen können.[IMG 2]
Verteilt stehen im ganzen Kanton zehn Saugspannungsstationen, die die Bodenfeuchte messen. «Acht davon haben diese Woche Trockenheit auch im Unterboden angezeigt», sagt Bertschi. Da die Trockenheit schon länger andauert, hätten Mais und Zuckerrüben tief gewurzelt und holten sich das Wasser aus tieferen Schichten. «Am Nachmittag verfallen die Rüben in Trockenstarre, aber am nächsten Morgen richten sie sich wieder auf», ergänzt Bertschi. Mais und Soja vertragen die Hitze gut. Sobald das Wasser insbesondere auf kiesigen Standorten zu knapp wird, schalten sie am Nachmittag auf «Wassersparmodus» und stellen die Photosynthese praktisch ein.
Er hofft, dass sich Situationen wie im Hitzesommer 2018 nicht wiederholen. Damals hatten Landwirte ohne Wasserkonzession das Recht, Wasser zum Bewässern zu nutzen. «Aufgrund der wenigen Entnahmemöglichkeiten und des grossen Aufwands im Verhältnis zum Nutzen nahmen aber nur wenige dies in Anspruch», sagt er. Vielleicht ist es dieses Jahr anders: Der erste Antrag für Notbewässerung wurde diese Woche bereits gestellt. Eine Notsituation wurde allerdings von den zuständigen Ämtern noch nicht einberufen.
St. Gallen: Wiesen nicht übernutzen
«Trocken ist es, aber die Situation ist noch nicht dramatisch», sagt Bruno Nabulon, St. Galler Futterbauberater. So hätten sie in den Grenzregionen noch bald kein Jahr gehabt, wo der Mais so schön gedeihe. Im nördlichen Kantonsteil, wo die Berge weiter weg sind, sei die Situation schlimmer als entlang der Alpen.
«Vereinzelt sieht man Wiesen, die unter der Trockenheit gelitten haben. Aber im Grossen und Ganzen wächst immer noch etwas nach», ergänzt Nabulon. Der Berater empfiehlt, die Wiesen aktuell nicht zu übernutzen. Vor allem wenn man als Zielpflanze das Italienische Raigras anvisiert, kann man es jetzt ohne grosse Einbussen versamen lassen.

