Abo Rindvieh gehört zur Alpwirtschaft und hat Landschaft wie auch Artenvielfalt im Sömmerungsgebiet geprägt. Problematisch ist aber eine Intensivierung z. B. mit erhöhtem Kraftfuttereinsatz. Alpen IP-Suisse will mit neuen Sömmerungs-Richtlinien die Biodiversität erhalten Monday, 16. December 2024 Alpweiden sind vor Verbuschung und Vergandung zu schützen. Das ist ein zentraler Aspekt sowohl der agrar- als auch der umweltpolitischen Ziele des Bundes und wird deshalb mit Direktzahlungen gefördert. Auch Mulchen ist erlaubt.

Warum braucht es Studien?

Wie haarsträubend aber der Aufwand dafür sein kann, weiss Remo Wenger. Der Biologe ist Projektleiter Biodiversität beim Landschaftspark Binntal (VS) und beleuchtet am Pilotprojekt des Walliser Landschaftsparks im Binntal das Spannungsfeld zwischen Naturschutzgesetzgebung und ökologischer Notwendigkeit.

«Eigentlich weiss man, dass durch Mulchen der von Zwergsträuchern überwachsenen Alpweiden die Artenzusammensetzung und die ökologische Wertigkeit steigen. Das ist durch mehrere Studien wissenschaftlich belegt», sagt Remo Wenger. Dennoch brauchte es für den Projektantrag jede Menge Papier. «Vor der Umsetzung mussten wir in einem ausführlichen Konzept Sinn und Zweck der Eingriffe darlegen, obwohl die wissenschaftlichen Grundlagen bereits vorhanden und bekannt waren», erinnert sich Remo Wenger. Zudem musste in den Folgejahren auf kleinen viereckigen Testflächen die Vegetationsentwicklung verfolgt werden, um die Zunahme der Zeigerpflanzen, die für Artenvielfalt stehen, wissenschaftlich zu belegen. «Der administrative Aufwand ist deshalb sehr hoch und es ist Wissenschaft für die Wissenschaft», sagt der Biologe.

Gastbeitrag IP-Suisse-Richtlinien zur Sömmerung: Mehraufwand und Rückschritte? Monday, 16. December 2024 Ein weiterer stossender Punkt sei, dass von Gesetzes wegen Eingriffsflächen grundsätzlich kompensiert werden müssten. «Durch Mulchen tragen wir zur ökologischen Aufwertung der Alpweiden bei. Im Binntal sah man deshalb von Ersatzflächen ab. Dennoch muss vielerorts für einen Eingriff eine Kompensationsfläche gesucht werden», so Wenger, denn sogenannte Heidelandschaften seien ähnlich wie Wald durch das Natur- und Heimatschutzgesetz stark geschützt.

Schmale Gassen in der Heide

Problemlos vonstatten ging die eigentliche Umsetzung im Binntal. Insbesondere, da mit dem benachbarten, in Italien liegenden Naturpark Devero ein reger Erfahrungsaustausch bestand. Dort wurden zur Förderung des Birkhuhns mit einem Raupenmulcher mosaikartig Fahrgassen in die dicht geschlossene Zwergstrauchheide gefräst, sodass die Zwergsträucher wie Inseln aus den Alpweiden herausstachen. Dasselbe Verfahren wurde auch im Binntal angewandt, wo man dem Zwergwachholder mit Metrac-Mulchern zu Leibe rückte und schmale Fahrgassen in die Zwergstrauchheiden mulchte. Dass das kurz nach dem Eingriff für Aussenstehende recht künstlich aussehen kann, mussten auch die Projektverantwortlichen im Landschaftspark Binntal erfahren.

«Als wir dem Fonds Landschaft Schweiz nach Projektende Aufnahmen der Fläche schickten, standen die kopf», sagte Wenger. Es habe einiges an Erklärungen gebraucht, bevor die dortigen Verantwortlichen verstanden hätten, warum dieses teilflächenspezifische Vorgehen nötig gewesen war. Das Resultat überzeugte: So führte Mulchen zu einem völligen Verschwinden des Zwergwachholders und die Vegetationsentwicklung zeigte schon im darauffolgenden Jahr, dass eine relativ rasche botanische Annäherung an die Alpweiden-Vegetation stattgefunden hatte – dies sowohl bei der Artenzusammensetzung als auch bei den Zeigerpflanzen.

Remo Wenger weist aber auch darauf hin, dass eine strikte Beweidung mit entsprechender Weideführung unabdingbar sei, um die Offenhaltung zu gewährleisten.

Mit Vorsicht und Bewilligung Mulchen

Mit dem Verordnungspaket 2023 hat der Bundesrat nach eigenen Angaben Klarheit geschaffen, wann das Mulchen im Sömmerungsgebiet zulässig ist. Denn der Einsatz eines Mulchgeräts als Mittel zur Weidepflege oder zur mechanischen Bekämpfung der Verbuschung könne «effizient und effektiv» sein.

Zuvor war Mulchen auf artenreichen Grün- und Streuflächen im Sömmerungsgebiet nicht erlaubt. Ursprünglich war vorgesehen, das Mulchen zur Weidepflege und zur Bekämpfung krautiger Problempflanzen wie Blacken, weissem Germer oder Jakobs- und Alpenkreuzkraut an mehrere Bedingungen zu knüpfen. Nach der Vernehmlassung führt die gültige Direktzahlungsverordnung (DZV) zwei Voraussetzungen auf:

- Gras- und Krautnarbe müssen intakt bleiben.
- Keine Flächen betroffen, die nach Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) geschützt sind.

Die Website Patura Alpina stellt umfassende Informationen zu Problempflanzen auf Alpen zur Verfügung. Im Zusammenhang mit Mulchen wird dort erwähnt, dass sich durch die langsameren Prozesse in höheren Lagen aus dem zerkleinerten Pflanzenmaterial eine Matte bilden kann.

Problem für andere Arten
Darunter könnten andere Pflanzenarten ersticken (im Fall gemulchter Binsen) oder wertvolle Futterpflanzen wegen Licht- und Luftmangels weniger gut aufkommen (z. B. bei gemulchtem Farn). Disteln seien, wenn, dann zwingend vor der Blüte zu mulchen, um die Problempflanzen über notreifende Samen nicht zu verbreiten. «Ein Mulchen während der Blüte oder später ist kontraproduktiv.»
Mulchen zwecks Entbuschung braucht eine kantonale Bewilligung. Damit soll sichergestellt werden, dass keine unerwünschten landschaftlichen und naturräumlichen Auswirkungen auftreten. So dürfen z. B. nach dem Eingriff maximal 10 Prozent der bearbeiteten Bodenoberfläche beschädigt sein.

Nicht alles wegmulchen
Als optimal für die Biodiversität gilt ein Mosaik aus offenen Flächen und einem Anteil von Strukturen (Büsche) von etwa 50 Prozent. Die DZV nennt den Mindestwert von 1 Are Sträucher auf 10 Aren, die stehen gelassen werden müssen.
Patura Alpina gibt zu bedenken, dass beim Mulchen von Grünerlen erosionsgefährdete offene Bodenstellen entstehen können. Ausserdem bleibe im Gegensatz zu einem Schnitt viel Holzmaterial auf der Fläche zurück, das nur langsam verrotte und die Wiederbegrünung behindere. Da die Grünerle vor allem durch Unternutzung aufkommt, sei jede Form der Räumung letztlich nur eine Symptombekämpfung.