Um die Schweiz künftig zuverlässig mit sauberem Strom zu versorgen, sollen Biogasanlagen eine wichtige Rolle spielen. Der Bund fördert neue Biogasanlagen und plant raumplanerische Erleichterungen, damit sie in der Landwirtschaftszone konform sind. Für bäuerliche Betreiber stellt sich aber die Grundsatzfrage, ob eine Biogasanlage auf dem Betrieb Sinn ergibt – und wenn ja, welche?
Dem Standort entsprechend
Durch die Vergärung im beheizten Fermenter entsteht Biogas, das anschliessend über ein Blockheizkraftwerk zu Strom und Wärme umgewandelt oder aufbereitet und ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Beides habe seine Vorteile, hält Martin Hiefner vom Fachverband Ökostrom Schweiz fest. «Die Produktionsausrichtung einer Anlage sollte so gewählt werden, dass sie optimal den Standortbedingungen entspricht.» Faktoren für den Entscheid seien etwa die Grösse der Anlage, die Nähe von Gasleitungen oder Möglichkeiten für die Wärmenutzung auf dem Betrieb.
Neben der Wahl der Produktionsrichtung gilt es, sich Gedanken über das «Futter» für die Biogasanlage zu machen. Dafür kommen sowohl Gülle als auch Festmist infrage. Organische Reststoffe, z. B. aus der Lebensmittelverarbeitung (Co-Substrate), können ebenfalls Bestandteil des Rezepts sein, nach dem die Fütterung der Anlage zusammengestellt wird.
«Der Co-Substrat-Markt ist schwierig.»
Martin Hiefner, Ökostrom Schweiz, über nicht-landwirtschaftliche Stoffe.
«Der Co-Substrat-Markt ist schwierig», sagt Martin Hiefner. Abgesehen von saisonalen und regionalen Ausnahmen sei er weitgehend ausgetrocknet. Ökostrom Schweiz verfügt über eine Biomassebörse, die beim Vermitteln von Co-Substraten unterstützt. «Trotzdem sollten Projektanten vorrangig prüfen, ob sie eine neue Anlage auch nur mit Hofdüngern und landwirtschaftlichen Reststoffen wie Rüstabfällen wirtschaftlich betreiben können.»
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Meist Gülle vergärt
Zwar verfügt Festmist nach Angaben des Fachverbandes über eine höhere Energiedichte. Er sei aber in der Handhabung arbeitsintensiver. «Gülle kann in die und aus der Anlage gepumpt werden», gibt Martin Hiefner zu bedenken. Ausgangspunkt der Überlegungen sollte die Situation auf dem Betrieb sein: «Wenn viel Gülle vorhanden ist, passt die Flüssigvergärung besser. Wenn viel Mist und Ackernebenprodukte anfallen, wäre die Feststoffvergärung geeigneter.» Stand heute haben sich laut Hiefner rund 90 % der Anlagenbetreiber für die Flüssigvergärung entschieden.
Zusammenarbeiten hilft
Biogasanlagen sind in verschiedenen Grössen realisierbar. Häufig reichen die verfügbaren Substratmengen eines Betriebs aber nicht aus, um sie zu betreiben. Ausserdem ergibt es angesichts der Projekt- und Betriebskosten Sinn, zusammenzuspannen. «Es gibt Betriebsgemeinschaften, Betriebszweigsgemeinschaften, GmbHs oder AGs», zählt Martin Hiefner einige Möglichkeiten auf. Einfache Absprachen unter Nachbarn, beispielsweise zu Hofdüngerlieferungen, können aber ebenfalls ausreichend sein. «In der Regel gilt: Je grösser die Biogasanlage, desto verbindlicher ist die Zusammenarbeit geregelt.»
Gemäss Ökostrom Schweiz gibt es rund zehn verschiedene Anlagenbauer, die hierzulande aktiv sind. «Jeder Anlagentyp kann ausschliesslich mit landwirtschaftlichen Substraten oder einer Kombination davon mit Co-Substraten betrieben werden», erklärt Martin Hiefner. Meist kommen zur Stromerzeugung Blockheizkraftwerke zum Einsatz, sie funktioniert aber auch mit einer Brennstoffzelle (siehe Kasten rechts).
Wie arbeitsintensiv der Betrieb einer Biogasanlage ist, lässt sich nur schwer generalisieren. Der Fachverband gibt als Grössenordnung 14 Arbeitsstunden pro Woche an für eine Anlage zur Vergärung von 6000 t Hofdünger (250 GVE, 50 kW Blockheizkraftwerk), die eine Investition von rund 1,5 Millionen Franken bedeute und jährlich 100 000 bis 200 000 Franken Umsatz aus dem Stromverkauf generieren kann. Arbeitsaufwand und Stromumsatz steigen allerdings nicht parallel zur Grösse der Anlage: Bei 15 000 t Hofdünger (600 GVE, 120 kW Blockheizkraftwerk) fallen zwar Investitionskosten von drei Millionen Franken an, dafür sei aber mit fast dreimal mehr Umsatz zu rechnen, bei geschätzt 25 Stunden Arbeit pro Woche.
Schwierige Wirtschaftlichkeit
Auf dem Weg zur Realisierung einer Biogasanlage gibt es verschiedene Schritte, von der Idee über Gesuche für Baubewilligung und Förderung bis zu Betrieb und Wartung, die Ökostrom Schweiz in einem Merkblatt zusammenfasst. Es enthält auch eine Checkliste mit sieben Punkten, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein solches Projekt gegeben sind. Denn das Potenzial zur energetisch-stofflichen Verwertung von Hofdüngern sei gross – die Wirtschaftlichkeit aber nur schwer zu erreichen.
Informationen zu Biogasanlagen und den Leistungen des Fachverbandes: www.oekostromschweiz.ch
Neues Fördermodell seit 2025
Seit dem 1. Januar 2025 können Projektanten neuer landwirtschaftlicher Biogasanlagen zwischen zwei Möglichkeiten wählen:
Gleitende Marktprämie (GMP): Voraussetzung ist, dass der Betreiber selbst Strom am Markt verkauft. Die GMP gleicht die Differenz zwischen dem Referenzmarktpreis für Strom und den Gestehungskosten aus. Die Bemessung erfolgt je nach äquivalenter Leistung der Anlage zuzüglich eines Bonus für maximal 10 % nicht-landwirtschaftliche Co-Substrate bzw. für die Nutzung von mindestens 25 % der Nettowärme. So beträgt der Vergütungsansatz in diesem System kumuliert zwischen 23,5–50 RP./kWh; er wird während 20 Jahren ausbezahlt.
Investitions- und Betriebskostenbeitrag (IB und BKB): Der IB ist abgestuft nach der äquivalenten Leistung der Biogasanlage, wobei die Energieproduktion aus hochenergetischen Co-Substraten aus mehr als 50 km Fahrdistanz nicht berücksichtigt wird. So kommt der IB auf 13000–19000 Fr./kW äquivalenter Leistung.
Der BKB ist abhängig von der Leistungsklasse und höher, wenn keine Co-Substrate vergärt werden. Es gibt auch hier für die Wärmenutzung einen Bonus. Der BKB liegt bei 11–30 Rp./kWh.
Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie fördert die Einspeisung von Biogas ins Gasnetz mit einem Investitionsbeitrag und Einspeisebeiträgen (für drei Jahre ab Inbetriebnahme). Zudem wird der Bund künftig Investitionsbeiträge für die Biogaseinspeisung ausrichten.
Gülle oder Festmist vergären – es geht beides
Vor fünf Jahren hat die Haral AG den Berner Innovationspreis Erneuerbare Energie gewonnen. Die Firma im Kandertal vertreibt auf Landwirtschaftsbetriebe zugeschnittene, kleine Biogasanlagen für die Vergärung von Gülle auf Betrieben mit 50–250 GVE. Bei Haral produzieret ein Blockheizkraftwerk aus dem Biogas Wärme und Strom.
Brennstoffzelle statt Heizkraftwerk
Die Neuentwicklung von Renergon aus Lengwil TG ist ein Beispiel für Biogasanlagen, die Festmist vergären. Ausserdem geschieht die Stromerzeugung bei dieser «Micro-Biogasanlage RSD-XS» in einer Brennstoffzelle statt einem Blockheizkraftwerk. Auch diese Neuentwicklung sei speziell für Landwirtschaftsbetriebe konzipiert, so der Hersteller.
Benötigt werde der Mistanfall von mehr als 200 GVE, wobei ausschliesslich stapelbare Biomasse als Substrat zum Einsatz kommt. Als Hauptsubstrat wird Rindermist angegeben, ergänzbar durch Hühner- oder Pferdemist und weitere organische Abfälle. «Besonders der Festmist von Rindern, Kühen und Kälbern ist zum einen energiereich und zugleich enthält er wichtige Mikroorganismen und Spurenelement zur Unterstützung der anaeroben Vergärung», erläutert Daniel Hepfer, Geschäftsführer von Renergon. Da die Vergärung in zwei Fermentern geschieht, sei die Brennstoffzelle unterbruchlos mit Gas versorgt. «Die Gasproduktion gleicht einer Glockenkurve: Sie steigt zunächst stark an und geht nach 5–7 Tagen wieder schnell zurück», so die Begründung.
Bei der Flüssigvergärung wird die Biomasse stetig nachgeliefert, die Anlage also kontinuierlich gefüttert. Ständiges Rühren verhindert Schwimmschichten und Ablagerungen. Der Festmist in einem Renergon-Fermenter hingegen bleibt 21 Tage in der Vergärbox, bei zwei Fermentern erfolgt die Befüllung nach etwa 10 Tagen. Da Umrühren hier nicht möglich ist, wird periodisch eine auf 52 Grad geheizte Flüssigkeit mit Mikroorganismen auf das Substrat gesprüht. «Es startet den Biogasprozess und hält ihn durch die Wärmezufuhr über den entsprechenden Zeitraum aufrecht», so Daniel Hepfer. Die Flüssigkeit gelange anschliessend in einen unterirdischen Tank unter den Fermentern, wo sie zugleich als Fussbodenheizung für den Vergärer diene.
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Wärme wird genutzt
Was die Brennstoffzelle bei der Stromproduktion an Wärme freisetzt, nutzt Renergon nach eigenen Angaben vollständig zur Temperierung der Sprühflüssigkeit. Der elektrische Wirkungsgrad der Zelle liege mit etwa 80 Prozent höher als bei einem Blockheizkraftwerk, das allerdings in der Regel nicht nur für die Vergärung, sondern auch zum Heizen verwendet wird.
Renergon rechnet für ihre Mikro-Biogasanlage für Festmist mit Kosten von 2–2,5 Millionen Franken (Einsatzstoffmenge 2800–3500 t Mist), die Brennstoffzelle erreiche eine Leistung von 100 kWel. Das liegt ungefähr im Rahmen der Schätzwerte des Fachverbandes Ökostrom Schweiz für eine Anlage dieser Leistung. Renergon betont aber, dass die Projektkosten von vielen Faktoren – etwa Standort oder Bodeneigenschaften – abhängen. Die Betriebskosten sollen im Vergleich zu einer konventionellen Anlage ähnlicher Grösse «sehr niedrig» sein.
Andere Einsatzbereiche
«Die Einsatzbereiche der kompakten Flüssig-Biogasanlage (Modell Haral bei 50–250 GVE) und der Festmistanlage RSD-XS (ab 200 GVE) überschneiden sich nicht, zumal es sich bei ersterer um eine reine Güllevergärung handelt», sagt Daniel Hepfer. Die Investitionen seien relativ zu den Erträgen zu sehen. «Haral gibt eine Amortisationszeit von 4–12 Jahren für ihre Kompaktanlage an, bei der Renergon-RSD-XS liegt sie bei der angestrebten Vollauslastung bei 5–7 Jahren», so Hepfer.
Weitere Informationen:
www.renergon.ch
www.haralenergie.com
Nicht «nur» Strom produzieren
Die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) baut derzeit an einem eigenen Typ Klein-Biogasanlage mit etwa 50 kW chemischer Leistung für die Vergärung von Hofdüngern von 80 Milchkühen (Projekt Moop). Dabei liege der Fokus auf dem einfachen Aufbau der Anlage mit einem erdverlegten Fermenter, erklärt Forschungsgruppenleiter Michael Studer. Sie soll sowohl technisch als auch ökonomisch nur mit Hofdünger funktionieren.
900 Franken pro RGVE
Ausgehend vom Hofdünger rechnet Studer als Beispiel vor, dass pro RGVE eine Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk inklusive staatlicher Förderung (gleitende Marktprämie) pro Jahr etwa 900 Franken Strom-Einnahmen generieren könne. «Das heisst, eine Anlage, die Gülle und Mist von 50 GVE einsetzt, darf jährlich nicht mehr als 45 000 Franken kosten.» Da damit Löhne, Abschreibungen, Zinsen, Betriebsmittel, Reparaturen, Wartung usw. berappt sein müssen, werde es also rasch knapp, mit der Anlage noch einen Gewinn zu erwirtschaften.
Als Lösung sieht Michael Studer drei Möglichkeiten.
Investitionskosten senken: Hier braucht es technische Lösungen. Die Klein-Anlage der HAFL soll ein günstiges, modulares Design in vorgefertigter Bauweise haben.
Mehr Biogas: Um in einer Biogasanlage bei gegebener Grösse mehr Biogas produzieren zu können, würden zu diesem Zweck in fast allen landwirtschaftlichen Biogasanlagen energiereiche Co-Substrate eingesetzt. Alternativ wäre eine technische Lösung zur Steigerung der Biogasausbeute aus Hofdüngern denkbar. Theoretisch liesse sich die Methan-Produktion aus Hofdüngern verdreifachen, so Studer. In Versuchen stieg die Methanausbeute um 58 Prozent, wenn Güllefeststoffe mit der Abwärme eines Blockheizkraftwerks vorbehandelt und damit besser «verdaubar» gemacht wurden. Es gibt auch mikrobielle Ansätze zur Steigerung der Methanausbeute, damit konnte die Forschungsgruppe die Methanausbeute noch stärker steigern.
Biogas neu denken: Neben neuen Verfahren zur Biogasproduktion aus Hofdüngern sieht Michael Studer vor allem auch Potenzial in anderen Produkten aus Biogasanlagen wie Kohlenstoff für die chemische Industrie sowie Klimaschutzmassnahmen.
Technisch mit wenig möglich
«Grundsätzlich funktioniert die Moop-Anlage technisch mit einem kleinen Zulieferstrom an Hofdünger, z. B. 20 GVE», erklärt Michael Studer. Ab wann sich die Anlage für einen Betrieb ökonomisch lohne, hänge daher eher vom Verhältnis zwischen Ertrag und Investitionen ab.

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