Können Sie mir als Wissenschaftler erklären, wie trotz starker Verdünnung der homöopathische Ausgangsstoff dennoch eine Wirkung bei der Pflanze auslöst?

Cornel Stutz: Ich bin weder Homöopath, Chemiker noch Teilchenphysiker, weshalb ich Ihnen diese Frage wissenschaftlich nicht beantworten kann. Fragen Sie einen Elektriker, was Elektrizität ist. Er wird Ihnen sagen, dass es Elektronen sind, die in einem Leiter wandern. Er kann Ihnen erklären, was man mit Elektrizität alles bewirken kann, aber er kann Ihnen nicht erklären, was wirklich Elektronen sind.

Abo Pflanzenhomöopathie Ähnliches mit Ähnlichem heilen – das geht auch bei Pflanzen Monday, 11. April 2022 Etwa so ist es mit der Homöopathie. Dass Homöopathie sehr gezielt wirkt, konnte ich mehrmals am eigenen Leib erfahren, aber auch bei Familienmitgliedern oder Haus- und Nutztieren. Warum sollte Homöopathie bei Pflanzen nicht funktionieren? Pflanzen haben wie wir einen Stoffwechsel, bestehen aus Zellen, gedeihen, wenn alles stimmt, können krank werden, und es gibt sogar Experimente, die zeigen, dass Pflanzen auf Zuwendung reagieren. Als Wissenschaftler braucht es nur noch eine entsprechende Neugier, um es auszuprobieren und zu schauen, was passiert. Meines Erachtens ist es doch genau das, was die Wissenschaft ausmachen sollte.

Wie kann man sich die Wirkung bei Pflanzen vorstellen?

Im homöopathischen Globuli ist eine Information der Ursprungssubstanz gespeichert. Wie bei Mensch und Tier wird bei der Pflanze durch die Verabreichung von Homöopathie eine Reaktion provoziert. Mit dem passenden Globuli wird bei der Pflanze eine Heilreaktion oder eine allgemeine Stärkung hervorgerufen. Pflanzen können beispielsweise Pilzinfektionen abwehren oder werden infolge einer Stärkung unattraktiv für Schwächeparasiten.

Wo stösst die Pflanzenhomöopathie an ihre Grenzen?

Der Stoffwechsel einer Pflanze ist träger als bei einem Tier. Ebenfalls können (die meisten) Pflanzen nicht an einen geeigneteren Standort verschoben werden. Zudem muss auch der Boden in die Behandlung miteinbezogen werden, da die Pflanze zur Hälfte im Boden steckt. Das macht die homöopathische Behandlung von Pflanzen anspruchsvoller.

Gerade bei kurzzeitigen Kulturen darf man bei den Anfängen einer Pflanzenkrankheit keine Zeit verlieren. Nach unseren Beobachtungen ist es sogar am effektivsten, wenn Kulturpflanzen präventiv behandelt werden. Das ist eher untypisch bei homöopathischen Behandlungen. Bei der Tier- oder Humanhomöopathie entscheidet sich der Homöopath aufgrund der Symptome für das richtige Mittel. Bei den Pflanzen können wir oftmals erahnen, welche Herausforderungen anstehen, wie z. B. Spätfröste, Nässeperioden im Mai, Hitze im Juni und Juli oder die Einflugphase von Schädlingen.

Der Einsatz von Homöopathie in Pflanzen ist eher noch unbekannt, auch weil z. T. wissenschaftliche Daten dazu fehlen. Warum werden nicht mehr Studien durchgeführt, um die Wirksamkeit stichhaltig belegen zu können?

Die Disziplin «Homöopathie bei Pflanzen» ist noch jung. Erst vor wenigen Jahren kamen experimentierfreudige Homöopathen darauf, Globuli bei Pflanzen auszuprobieren. Das Wissen rund um die Homöopathie bei Pflanzen ist am Wachsen. Ausserdem ist das Anwenden von Homöopathie bei Pflanzen äusserst preiswert. Die Behandlung einer Hektare kostet den Anwender etwas Zeit und ein paar Franken im einstelligen Bereich. Das ist kein lukrativer Markt für Industriezweige, die Forschungsgelder vergeben. 

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit Pflanzenhomöopathie gemacht?

Vor rund 10 Jahren haben meine Frau und ich begonnen, in der Freizeit Pflanzenhomöopathie-Versuche nach wissenschaftlichem Vorbild durchzuführen.

Während drei Jahren behandelten wir Kartoffeln mit unterschiedlichen homöopathischen Mittelkombinationen an fünf Standorten. Gegenüber der unbehandelten Kontrolle konnten wir bei den besten Verfahren einen Knollen-Mehrertrag von 20–30 % erzielen. Im Jahr 2019 wiederholte die HAFL im Rahmen einer Semesterarbeit unseren Versuch und kam auf das gleiche Resultat.

Während zwei Jahren behandelten wir Rapsflächen an zwei Standorten. Bei den Behandlungsverfahren konnten wir einen um die Hälfte geringeren Befall der Glanzkäfer und ebenfalls einen Körner-Mehrertrag von 20–30 % feststellen (siehe Grafik). In diversen Kleinversuchen an einzelnen Obstbäumen und bei Gemüsearten konnten wir mit Homöopathie einen geringeren Krankheitsdruck und deutlich weniger Schädlingsbefall feststellen.

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War jede Behandlung ein Erfolg?

Der Erfolg stellte sich nicht von Anfang an ein. Nicht jede Behandlung wurde mit Erfolg gekrönt. Wir mussten Geduld haben und Erfahrungen sammeln und erkennen, wann welches Mittel bei welcher Kultur hilfreich ist. Bei mehrjährigen Pflanzen zeigte sich, dass sie bei jährlich wiederholter Behandlung immer kräftiger und robuster wurden. Für das Pflanzenwachstum spielt der Boden eine wesentliche Rolle. Je lebendiger und unbelasteter der Boden ist, desto besser wirkt die Homöopathie.

Interview schriftlich durchgeführt