«Ähnliches werde mit Ähnlichem geheilt.» Dies war das Leitprinzip von Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie, sagt Cornelia Maute. Die Deutsche aus Heidelberg ist Beraterin für Pflanzenhomöopathie und hat es ihrer Mutter gleichgetan. «Ich bin schon früh in meiner Kindheit mit der klassischen Homöopathie in Kontakt gekommen. 2001 kamen wir auf die Idee, diese auch an kranken Pflanzen oder vorbeugend zur Pflanzenstärkung anzuwenden», sagte sie einst an einer Online-Veranstaltung der SHI Homöopathie Schule.
Homöopathie erfreut sich einer zunehmenden Beliebtheit in den letzten Jahren, auch in der Landwirtschaft. Viele wenden es nicht nur bei sich und ihrer Familie an, einige schwören auch auf ihre heilende Wirkung bei Nutztieren. Aus schulmedizinischer Sicht betrachtet, gibt es keine Hinweise für ihre Wirksamkeit, denn die homöopathischen Mittel werden so stark verdünnt, dass der eigentlich enthaltene Wirkstoff gar nicht mehr nachweisbar ist. Kritiker sprechen daher vom Placebo-Effekt: Man erwartet einen positiven Effekt, wodurch das körpereigene Schmerzabwehrsystem aktiviert wird – die Ausschüttung von Endorphinen. Diesen Effekt soll es auch bei Tieren geben. Aber wie soll das bei Pflanzen möglich sein?
Die Information löst eine Reaktion aus
Bei der klassischen Homöopathie heilt man eine Krankheit mit Mitteln, die bei einem gesunden Menschen die Krankheit erst auslösen würden – also «Ähnliches wird mit Ähnlichem geheilt». Cornelia Maute gibt dazu ein Beispiel: «Zwiebeln lösen tränende Augen und eine brennende Nase aus. Bei kranken Menschen mit den gleichen Symptomen, zum Beispiel während einer Erkältung, kann das aus der Zwiebel hergestellte homöopathische Medikament diese Symptome aber heilen.» [IMG 3]
«Homöopathische Mittel enthalten Informationen, die eine Reaktion auslösen – wie ein trauriges Buch.»
Pflanzenhomöopathin Cornelia Maute über die Wirkung von homöopathischen Mitteln.
Die Ausgangsstoffe werden in der Homöopathie stark verdünnt – man spricht auch vom «Potenzieren» –, damit sie ein sanftes Heilen bewirken, führt die Pflanzenhomöopathin weiter aus (siehe «Weitere Informationen»). Kann der Ausgangsstoff dann überhaupt noch wirken? «Homöopathische Mittel enthalten die Informationen. Was machen diese Informationen? Sie lösen Reaktionen aus. Genauso wie ein Buch mit traurigem Inhalt», nennt sie ein weiteres Beispiel.
Homöopathie hat grosses Potenzial in Kulturen
Pflanzen sind Lebewesen und zeigen genauso wie wir Reaktionen auf Reize. Deshalb liessen sich diese ebenso mit homöopathischen Mitteln gut behandeln. In den Kulturen habe die Homöopathie grosses Potenzial, weil «mit ihnen keine Schadstoffe eingetragen werden, der gesunde Boden erhalten bleibt und gefördert wird, die Tierwelt intakt bleibt und bei mehrjährigen Pflanzen eine nachhaltige Wirkung ausgelöst wird», setzt Maute fort.
Die Ausgangsstoffe
In der klassischen Homöopathie kommen Globuli, Tabletten oder Flüssigkeiten zum Einsatz. Ihre Ausgangsstoffe bestehen hauptsächlich aus:
- Pflanzen (über 60 %),
- chemischen und mineralischen Substanzen,
- tierischen Substanzen wie zum Beispiel Tiergiften,
- Krankheitserregern.
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In der Pflanzenhomöopathie werden Globuli eingesetzt, da sich diese sehr schnell auflösen und lange haltbar sind bei Raumtemperatur – wenn Globuli nicht in der Nähe von ätherischen Ölen oder stark duftenden Substanzen (Ammoniak, Spiritus, Chlor usw.) gelagert werden.
Umfangreiche Einsatzgebiete
Die Pflanzenhomöopathie kann bei Verletzungen, Witterungsschäden, Wachstumsproblemen, Schädlingen, Krankheiten und Vergiftungen eingesetzt werden. Sie ist nicht mit dem konventionellen Pflanzenschutz gleichzusetzen: «Denn wir wollen nichts bekämpfen, sondern die Pflanze dazu befähigen, ihre eigenen Kräfte zu nutzen, widerstandsfähiger zu werden und mit Schädlingen und Krankheiten besser zurechtzukommen», führt die Pflanzenhomöopathin aus.
Doch wie jeder Pflanzenschutz hat auch die Pflanzenhomöopathie ihre Grenzen:
- wenn die Pflanze an einem falschen Standort steht,
- wenn extreme Witterungsbedingungen herrschen,
- wenn die Böden extrem belastet sind und nur wenig Bodenleben vorhanden ist,
- wenn die Böden extrem nährstoffarm sind,
- wenn synthetisch-chemische Mittel umfangreich und fortlaufend eingesetzt werden.
Landwirt setzt seit sechs Jahren Homöopathie in seinen Kulturen ein
«Wenn wir Pflanzen behandeln, sollten wir darauf achten, dass der Boden gesund bleibt. Dies ist neben der Pflanzenvielfalt die Grundvoraussetzung für das Pflanzenwachstum und die Wirkung von Globuli.» Davon ist auch Alois Kohler aus Künten-Sulz AG überzeugt. Er setzt seit bereits sechs Jahren Homöopathie in seinen Kulturen ein. Vor allem im Gemüse, das besonders heikel auf abiotische und biotische Faktoren reagiere. Der pensionierte Biolandwirt hatte zuvor nur gute Erfahrungen bei sich und seiner Familie sowie bei seinen Nutztieren mit Homöopathie gemacht.
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«Seit fünf Jahren benötigen wir keine Antibiotika mehr für unsere 4000 Legehühner und je 25 Mutterkühe und Kälber. Das wirkt sich natürlich auch auf den Boden und unsere Kulturen positiv aus.»
«Man hat keine Rückstände und könnte prinzipiell noch kurz vor der Ernte spritzen.»
Alois Kohler setzt seit sechs Jahren Homöopathie bei Pflanzen ein und hat nur gute Erfahrungen damit gemacht.
[IMG 2] Kohler setzt vor allem Steinmehl ein. Zusätzlich kommen verschiedene Globuli zur Stärkung der Pflanzen zum Einsatz, die er beim Fachhandel Homöosana in Zug bezieht. Zur Potenzierung nimmt sich Kohler Unterlagen und Tabellen von Cornelia Maute und Cornel Stutz, Wissenschaftler und Landwirt mit langjähriger homöopathischer Erfahrung, zur Hilfe. «Das Beste daran ist, man hat keine Rückstände, keine Wartefristen und könnte prinzipiell noch kurz vor der Ernte spritzen», schwärmt der Landwirt. «Man muss sich aber sehr intensiv mit der Natur befassen und einige Versuche starten, um herauszufinden, mit welchen Mitteln man arbeiten muss. Das benötigt sehr viel Geduld und ein tiefes Auseinandersetzen mit dem Thema.» Auch könne nicht jedes Jahr das gleiche Mittel zum Einsatz kommen: «Man muss mit der Natur leben und beobachten, wie es den Pflanzen geht», rät er. Erst dann könne man entscheiden, welche Globuli diesmal zum Einsatz kommen. Wenn alle Voraussetzungen stimmen, dann fallen auch die Erträge gut aus, ohne sich chemisch-synthetischer Mittel bedient zu haben.
«Landwirte dürfen keine Berührungsängste haben»
«Ich hoffe sehr, dass die Pflanzenhomöopathie bald mehr Anklang findet. Denn das Potenzial ist gross, zumal viele Pflanzenschutzmittel ihre Zulassung verlieren», ist Alois Kohler überzeugt. Es sei ganz klar eine Herausforderung, sich damit zu befassen. «Es ist nicht wie bei chemisch-synthetischen Mitteln, die man einfach einsetzt und dann weiss, es ist erledigt. Aber das Schöne an unserem Beruf ist doch, dass wir ein Leben lang lernen, wie wir es besser machen können», fügt er an.
Welchen Rat würde er Landwirten mit auf den Weg geben, die sich damit neu befassen? «Sie dürfen keine Berührungsängste haben, müssen sich stark mit der Materie auseinandersetzen und sollten es ganzheitlich auf dem Betrieb einsetzen. Vorträge sowie Kurse können nicht schaden. Schliesslich muss man die Homöopathie dann selbst an den Pflanzen testen», empfiehlt er. Alois Kohler ist froh, dass sein Sohn, der den Betrieb übernommen hat, die Pflanzenhomöopathie weiterführt.
Homöopathie ist ein Glied in einer langen Kette von Massnahmen
Ein Wundermittel solle man aber nicht erwarten, betont Cornelia Maute. «Die Homöopathie ist nur ein einzelnes Glied einer langen Kette von Massnahmen, die den Boden und das Pflanzenwachstum fördern. Darunter nehmen die Grunddüngung (z. B. organische Düngung, Mulchen, Gesteinsmehl, Pflanzenkohle), die Art der Bodenbearbeitung sowie das Wissen, Verständnis und die Umsetzung der Homöopathie durch den Betriebsleiter eine entscheidende Rolle ein.
Weitere Informationen
So wirds angewendet: hier
Potenzieren erklärt: hier
Wichtige homöopathische Mittel für das Frühjahr: hier
Nachgefragt mit Agronom und Wissenschaftler Cornel Stutz: hier
Betriebsporträt zu Pflanzenhomöopathie, Reto Minder: hier.

